2.1 Überblick über Rechnungslegungs- und Steuerpflichten
Rz. 6
Rechnungslegungs- und Steuerpflichten bei grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeiten werden sowohl durch das ausländische als auch durch das deutsche Gesellschafts- und Steuerrecht beurteilt. Abbildung 2 zeigt, dass die deutsche gewerblich tätige Spitzeneinheit als Kaufmann regelmäßig zur handelsrechtlichen Rechnungslegung – Buchführung und Erstellung eines Jahresabschlusses – verpflichtet ist und den ausländischen Anteilsbesitz bilanziell erfasst. Steuerrechtlich ist die Spitzeneinheit originär oder derivativ buchführungs-, aufzeichnungs- und steuerpflichtig. Analog bestehen entsprechende Rechnungslegungs- und Steuerpflichten der ausländischen Tochter(kapital)gesellschaft nach den gesellschafts- und steuerrechtlichen Vorschriften des ausländischen Domizilstaates. Sofern nachfolgend von ausländischer Tochter(kapital)gesellschaft gesprochen wird, sind die gesellschaftsrechtlichen Formen der ausländischen Grundeinheit in den Rechtsformen der Personen- und der Kapitalgesellschaft gemeint, die steuerlich entsprechend dem Kapitalgesellschaftskonzept (Trennungsprinzip) als Auslandskapitalgesellschaft qualifiziert werden.
Abb. 2: Rechnungslegungs- und Steuerpflichten in Deutschland und im Ausland bei ausländischer Tochter(kapital)gesellschaft bzw. Auslandskapitalgesellschaften (Outbound)
2.2 Handelsrechtliche Rechnungslegungspflichten
2.2.1 Handelsrechtliche Rechnungslegungspflichten in Deutschland
2.2.1.1 Deutsche Spitzeneinheit: Rechnungslegungspflicht bzgl. Jahres- und Konzernabschluss
Rz. 7
Das Handelsrecht knüpft die Rechnungslegungspflicht der deutschen Spitzeneinheit – hier also des Gesellschafters der ausländischen Gesellschaft – an deren Kaufmannseigenschaft i. S. d. §§ 1 bis 6 HGB. Auch wenn beispielsweise der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft nicht notwendigerweise ein Kaufmann sein muss, wird im Folgenden vereinfachend davon ausgegangen, dass es sich bei der inländischen Spitzeneinheit um einen (gewerblich tätigen) Kaufmann handelt. Demgemäß ist diese (gewerblich tätige) inländische Spitzeneinheit gem. § 238 HGB verpflichtet, "Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen". Über diese Buchführungspflicht hinausgehend ist der Kaufmann gem. § 242 HGB jährlich zur Aufstellung eines Jahresabschlusses, bestehend aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung, verpflichtet. Einzelkaufleute, die an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen nicht mehr als jeweils 600.000 EUR Umsatzerlöse und jeweils 60.000 EUR Jahresüberschuss ausweisen, sind von der Buchführungs- und Aufstellungspflicht befreit; in der weiteren Betrachtung wird angenommen, dass die Befreiungsgrenzen überschritten werden.
Rz. 8
Bei Spitzeneinheiten in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft (und haftungsbeschränkter Personenhandelsgesellschaften) ist der Jahresabschluss um einen Anhang zu erweitern; zudem ist ein Lagebericht aufzustellen. Für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften, die keinen Konzernabschluss aufstellen müssen, wird der Jahresabschluss um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel erweitert; eine Segmentberichterstattung kann zusätzlich aufgenommen werden. Nach der Generalnorm des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB hat der Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft unter Beachtung der GoB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln. Danach ist das Engagement in Form der ausländischen Personen- oder Kapitalgesellschaft als Aktivvermögen in der Bilanz der Spitzeneinheit auszuweisen; ebenso sind evtl. vorhandene Schuldverhältnisse bilanziell sowie mit dem Auslandsengagement zusammenhängende Erträge (und ggf. Aufwendungen) in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen. Bei Kapitalgesellschaften hängt der Bilanzausweis von der Höhe des Anteilsbesitzes ab; übersteigt dieser 20 % des Kapitals und dienen diese einer dauerhaften Verbindung, handelt es sich regelmäßig um eine Beteiligung i. S. d. § 271 HGB. Konzern-Tochterunternehmen, meist bei Beteiligungen von mehr als 50 %, sind als verbundene Unternehmen auszuweisen, Streubesitz als Wertpapiere.
Rz. 9
Eine Spitzeneinheit in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft oder der haftungsbeschränkten Personenhandelsgesellschaft, die unmittel- oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausübt, ist zur Erstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts verpflichtet. Wird die ausländische Gesellschaft als verbundenes Unternehmen in den Konzernabschluss einbezogen, werden im Rahmen der Konsolidierung konzerninterne Kapital-, Schulden- und Erfolgsverflechtungen eliminiert, damit unter Beachtung der GoB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der durch die inländische Spitzen- und ausländische Grundeinheit gebildeten wirtschaftlichen Einheit "Konzern" vermittelt wird.