Dr. Fabian Schmitz-Herscheidt
Leitsatz
1. Ist Art. 14 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 88/97 der Kommission vom 20.01.1997 betreffend die Genehmigung der Befreiung der Einfuhren bestimmter Fahrradteile mit Ursprung in der Volksrepublik China von dem mit der Verordnung (EWG) Nr. 2474/93 eingeführten und mit der Verordnung (EG) Nr. 71/97 des Rates ausgeweiteten Antidumpingzoll VO 88/97 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997, Nr. L 17, 17) dahingehend auszulegen, dass diese Befreiung vom ausgeweiteten Antidumpingzoll in derselben Bewilligung einer Endverwendung im Sinne von Art. 254 des Zollkodex der Union mit den anderen Befreiungen nach Art. 14 Buchst. a und/oder b VO 88/97 kombiniert werden darf?
2. Kann Art. 14 Buchst. c VO 88/97 dahingehend ausgelegt werden, dass in der Bewilligung pro Kunde monatlich weniger als 300 Stück eines bestimmten wesentlichen Fahrradteils vom ausgeweiteten Antidumpingzoll befreit werden können?
3. Handelt es sich bei der in Art. 14 Buchst. c VO 88/97 genannten Menge von monatlich weniger als 300 Stück um eine Freigrenze mit der Folge, dass die Befreiung vom ausgeweiteten Antidumpingzoll insgesamt entfällt, wenn eine Partei mehr als 299 Stück monatlich anmeldet oder weiterliefert, oder um eine Freimenge, bei der unabhängig von deren Überschreitung jedenfalls 299 Stück antidumpingzollfrei bleiben?
Normenkette
Art. 14 Buchst. c VO 88/97, Art. 1 Abs. 1 VO 2474/93, Art. 2 Abs. 1 VO 71/97, Art. 254 UZK
Sachverhalt
Die Klägerin führte verschiedene Fahrradteile aus China ein. Sie war seit Jahren Inhaberin einer Bewilligung für die Inanspruchnahme einer Endverwendung gemäß Art. 254 UZK. Die Bewilligung zur abgabenfreien Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr bezog sich auf Art. 14 Buchst. a und b VO (EG) Nr. 88/97. Strittig war, ob sie sich zudem auf Art. 14 Buchst. c VO (EG) Nr. 88/97 beziehen konnte, obwohl die Klägerin monatlich insgesamt deutlich mehr als 300 Stück eines bestimmten wesentlichen Fahrradteils bezog.
Die Vorinstanz (FG München, Urteil vom 27.1.2022, 14 K 1797/19, Haufe-Index 15213366) lehnte eine Befreiung nach Art. 14 Buchst. c VO (EG) 88/97 ab. Diese Bewilligung sei nur für solche Kleinunternehmer vorgesehen, die unter der Bezugsmenge von 300 Stück je Fahrradteil pro Monat blieben. Die Begrenzung stelle auf die gesamte Menge des Bewilligungsinhabers ab, nicht auf die Menge pro Kunde.
Entscheidung
Der BFH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die in den Leitsätzen genannten Fragen zur Vorabentscheidung vor.
Hinweis
1. Der UZK regelt in Titel VII. (Art. 210 ff. UZK) vier besondere Verfahren. Das dritte dort genannte Verfahren (Art. 210 Buchst. c UZK) ist die Verwendung, welche u.a. die Endverwendung umfasst (Art. 254 UZK). In der Endverwendung können Waren aufgrund ihres besonderen Zwecks abgabenfrei oder zu einem ermäßigten Abgabensatz zum zollrechtlich freien Verkehr überlassen werden (Art. 254 Abs. 1 UZK). Hierfür ist eine Bewilligung erforderlich (Art. 211 Abs. 1 Buchst. a UZK).
2. Mit der Verordnung (EWG) Nr. 2474/93 wurde für Einfuhren bestimmter Fahrradteile mit Ursprung in der Volksrepublik China ein Antidumpingzoll eingeführt und mit der VO (EG) Nr. 71/97 ausgeweitet.
3. Die VO (EG) Nr. 88/97 sieht in Art. 14 eine Befreiung vom ausgeweiteten Antidumpingzoll auf die Einfuhren solcher Fahrradteile vor. Neben weiteren Voraussetzungen (u.a. Anmeldung nach Art. 254 UZK und im Einklang mit der TARIC-Struktur in Anhang III derselben VO) sieht Art. 14 VO (EG) Nr. 88/97 vier mögliche Varianten vor (Buchst. a bis d). Im Streitfall waren die ersten drei relevant. Diese sind:
a) Die wesentlichen Fahrradteile werden an eine gemäß Art. 7 oder 12 VO (EG) Nr. 88/97 befreite Partei geliefert,
b) die wesentlichen Fahrradteile werden an einen anderen Inhaber einer Bewilligung der Endverwendung i.S.d. Art. 254 UZK geliefert, oder
c) im Durchschnitt werden monatlich weniger als 300 Stück eines bestimmten wesentlichen Fahrradteils von einer Partei zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet oder an sie geliefert.
4. Nach Auffassung des BFH bestanden bei der Auslegung dieser unionsrechtlichen Bestimmungen Zweifel, sodass er dem EuGH – verkürzt bzw. erläuternd – die folgenden drei Fragen zur Vorabentscheidung vorlegte:
a) Ist Art. 14 Buchst. c VO (EG) Nr. 88/97 dahin gehend auszulegen, dass diese Befreiung vom ausgeweiteten Antidumpingzoll in derselben Bewilligung einer Endverwendung i.S.v. Art. 254 UZKmit den anderen Befreiungen nach Art. 14 Buchst. a und/oder b VO (EG) Nr. 88/97kombiniert werden darf?
b) Kann Art. 14 Buchst. c VO (EG) Nr. 88/97 dahin gehend ausgelegt werden, dass in der Bewilligung pro Kunde monatlich weniger als 300 Stück eines bestimmten wesentlichen Fahrradteils vom ausgeweiteten Antidumpingzoll befreit werden können (oder pro Bewilligungsinhaber)?
c) Handelt es sich bei der in Art. 14 Buchst. c VO 88/97 genannten Menge von monatlich weniger als 300 Stück um eine Freigrenze oder um eine Freimenge?
Link zur Entscheidung
BFH, EuGH-Vorlage vom 14.05.2024, VII R 1/22