Leitsatz
Kehrt ein ausländischer Arbeitnehmer auf Dauer in sein Heimatland zurück, so kann dessen ESt-Erklärung ausnahmsweise durch einen Bevollmächtigten unter Offenlegung des Vertretungsverhältnisses unterzeichnet werden.
Normenkette
§ 25 Abs. 3 Satz 4 EStG , § 150 Abs. 3 Satz 1 AO
Sachverhalt
Der Kläger, ein rumänischer Staatsangehöriger, war im Streitjahr 1991 vom 2.4. bis 31.12. als Bauarbeiter in Deutschland beschäftigt. Anschließend kehrte er auf Dauer in sein Heimatland zurück. Innerhalb der Ausschlussfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ging eine ESt-Erklärung des Klägers ein, die von seinem Vertreter (einem Steuerberater) unter Offenlegung seiner Bevollmächtigung unterzeichnet war. Aufgrund gewisser Ungereimtheiten lehnte es das FA ab, eine ESt-Veranlagung durchzuführen. Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung aus den in den Praxis-Hinweisen gegebenen Gründen.
Hinweis
1. Nach § 25 Abs. 3 Satz 4 EStG ist eine ESt-Erklärung eigenhändig zu unterschreiben; d.h. die Unterschrift muss "von der Hand" des Steuerpflichtigen stammen. Ein Verzicht auf die Eigenhändigkeit hat das Gesetz in § 150 Abs. 3 Satz 1 AO nur dann für zulässig erklärt, wenn der Steuerpflichtige infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands oder – dies war im Streitfall entscheidend – durch längere Abwesenheit an der Unterschrift gehindert ist. Nur in diesen beiden Fällen ist die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten zulässig.
2. In der Besprechungsentscheidung wird nochmals die bisherige Rechtsprechung betont, dass die Bevollmächtigung offen zu legen ist. Das heißt, die Unterzeichnung darf nicht in sog. verdeckter Stellvertretung in der Weise erfolgen, dass der Bevollmächtigte mit dem Namen des Steuerpflichtigen ohne jeden Zusatz oder sonstigen Hinweis auf die Bevollmächtigung unterschreibt. Geschieht dies gleichwohl, liegt keine wirksam unterzeichnete ESt-Erklärung vor.
3. Der Begriff der "längeren Abwesenheit" ist im Gesetz nicht erläutert. Der BFH hat sich in der Besprechungsentscheidung der in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur ganz einhellig vertretenen Auffassung angeschlossen, dass jedenfalls ein Daueraufenthalt im Ausland bzw. der Wegzug ins Ausland eine solche "längere Abwesenheit" darstellt. Im Fall einer dauernden Abwesenheit ist auch die Kausalität ("durch") zwischen Abwesenheit und Verhinderung regelmäßig zu bejahen.
4. Letztlich musste sich der VI. Senat mit der einschlägigen Rechtsprechung des III. Senats (Urteil vom 29.3.2002, III R 48/98, BStBl II 2001, 629, BFH/PR 2001, 320) zur Unterzeichnung von InvZul-Anträgen auseinandersetzen. Dort hatte der III. Senat trotz zeitlich längerer Abwesenheit eine Verhinderung verneint, wenn nach den besonderen Umständen des konkreten Falls eine postalische Verbindung zumindest möglich und deren Inanspruchnahme auch zumutbar ist. Ferner soll es ggf. entscheidend sein, ob sich der Steuerpflichtige im europäischen Ausland aufhält bzw. ob konkret mit Verzögerungen und Verlusten während des Postlaufs zu rechnen ist oder ob umfangreiche Unterlagen zu sichten sind.
Diese einschränkende – mit den Besonderheiten der InvZul begründete – Rechtsprechung hat sich der VI. Senat für die ESt im Fall der dauernden Abwesenheit des Steuerpflichtigen nicht zu Eigen gemacht. Der VI. Senat betonte überdies, dass auch aus Vereinfachungsgesichtspunkten nicht zusätzlich darauf abzustellen ist, ob und ggf. in welcher Weise der dauerhaft Abwesende postalisch erreichbar ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.4.2002, VI R 66/98