Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Gewährt der Steuerpflichtige seinem Ehegatten ein Darlehen zur Anschaffung einer fremdvermieteten Immobilie und erzielt er hieraus Kapitalerträge, ist die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 EStG nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige auf den von ihm finanziell abhängigen Ehegatten bei der Gewährung des Darlehens einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.
2. Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG, da er nicht an das persönliche Näheverhältnis der Ehegatten anknüpft, sondern auf der finanziellen Abhängigkeit des Darlehensnehmers vom Darlehensgeber beruht.
Normenkette
§ 32d Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2009, Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Die Kläger sind Eheleute. Der Kläger schloss mit der Klägerin schriftliche Verträge über die Gewährung fest verzinslicher Darlehen ab. Die teilweise besicherten Darlehen dienten der Anschaffung und Renovierung des fremd vermieteten Elternhauses durch die Klägerin, die mangels eigener finanzieller Mittel und Kreditwürdigkeit auf die Darlehensgewährung durch den Kläger angewiesen war.
Das FA berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr die Zinserträge des Klägers als Kapitaleinkünfte, die der normalen tariflichen Einkommensteuer unterliegen.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das FG als unbegründet ab (FG Köln, Urteil vom 28.1.2014, 12 K 3373/12, Haufe-Index 6805905, EFG 2014, 1393).
Die Kläger trugen mit ihrer Revision vor, die Darlehen entsprächen dem zwischen fremden Dritten Üblichen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin den Erwerb und die Renovierung des von den Eltern hinterlassenen Vermietungsobjekts mangels eines festen Arbeitseinkommens weder aus eigenen Mitteln hätte bezahlen, noch von einer Bank finanzieren lassen können, sodass hinsichtlich der Finanzierung keinerlei Gestaltungsspielraum bestanden habe.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Kläger als unbegründet zurück. Die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 EStG gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a EStG sei ausgeschlossen. Die Kläger seien einander nahestehende Personen i.S.d. Vorschrift, da die Klägerin auf die Finanzierungsdarlehen ihres Ehemannes angewiesen gewesen sei, sodass ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis bestanden habe.
Hinweis
1. Gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ist der 25 %ige Abgeltungsteuersatz ausgeschlossen, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen sind.
2. Der VIII. Senat des BFH hatte in seinen Urteilen vom 29. April 2014, VIII R 9/13 (BFHE 245, 343, BStBl II 2014, 986), VIII R 35/13 (BFHE 245, 357, BStBl II 2014, 990) und VIII R 44/13 (BFHE 245, 361, BStBl II 2014, 992) bereits entschieden, dass unter den Begriff der "nahestehenden Person" nach dem Wortsinn alle natürlichen Personen fallen, die zueinander in enger Beziehung stehen, folglich auch Eheleute, dass aber nach dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers ein Näheverhältnis u.a. nur dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige auf die Person des Darlehensnehmers einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.
3. In den bisher entschiedenen Fällen hatte der BFH noch keine Gelegenheit, näher zu konkretisieren, wann eine Beherrschung in diesem Sinne gegeben ist.
4. Das hier wiedergegebene Urteil betrifft den ersten Fall, in dem der BFH eine Beherrschung bejaht hat, die zum Ausschluss der Abgeltungsteuer führt: Der Ehefrau des Darlehensgebers verblieb hinsichtlich der Finanzierung kein eigener Entscheidungsspielraum, da ein fremder Dritter den Erwerb und die Renovierung der vermieteten Immobilie durch sie nicht zu 100 % finanziert hätte. Danach war die Ehefrau bei der Aufnahme der Darlehen von ihrem Ehemann als Darlehensgeber (absolut) finanziell abhängig.
5. Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG in der vorstehenden Auslegung verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG. Der Schutz der Familie wird nicht verletzt, wenn der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes in derartigen Fällen nicht auf dem aufgrund der Eheschließung gegebenen Näheverhältnis beruht, sondern auf dem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis der Ehefrau vom Ehemann (oder umgekehrt). Wenn kein fremder Dritter dem Ehepartner einen Kredit gewährt hätte, sind die Chancen und Risiken bei der Gewährung des Darlehens nicht in fremdüblicher Weise verteilt. Es liegen somit Beweisanzeichen vor, die – unabhängig von der ehelichen Lebensgemeinschaft – für die Annahme einer personellen Verflechtung durch gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen und gegen eine fremdübliche Kreditgewährung sprechen. Die Eheleute werden hierdurch gegenüber Ledigen nicht schlechter gestellt.
6. Dieses Urteil kann Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen...