Dipl.-Finanzwirt (FH) Andreas Willner, Wolfgang Macht
Eine formell ordnungsgemäße Buchführung oder formell ordnungsgemäße Aufzeichnungen sind der Besteuerung grundsätzlich zugrunde zu legen. Das Finanzamt darf nicht ohne weiteres eine Schätzung vornehmen. Eine Ausnahme besteht, "soweit nach den Umständen des Einzelfalls" die "sachliche Richtigkeit zu beanstanden" ist – d. h. materielle Mängel vorliegen.
Gleiches gilt neuerdings, wenn Daten nicht entsprechend des vorgeschriebenen Datenformats vorgelegt werden können.
Schätzungsbefugnis des Finanzamts
Liegen Mängel in der Buchführung oder den Aufzeichnungen vor, ist die Finanzbehörde zur Schätzung befugt.
Im Folgenden sollen zunächst die denkbaren formellen und materiellen Mängel dargestellt werden und dann deren Folgen.
3.1 Formeller Mangel
Formelle Mängel liegen vor, wenn Formvorschriften der Abgabenordnung oder sonstige Buchführungs- oder Aufzeichnungsvorschriften nicht eingehalten worden sind.
Folgende Vorschriften sind zu beachten:
Vorschrift |
Inhalt |
Nachvollziehbarkeit |
Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Aufzeichnungen sind so vorzunehmen, dass der Zweck, den sie für die Besteuerung erfüllen sollen, erreicht wird. |
Vollständigkeit |
Jeder Geschäftsvorfall muss erfasst sein. |
Richtigkeit |
Beträge, Namen und Anschriften, Bezeichnung der Waren, etc. müssen den Tatsachen entsprechen. |
Zeitgerecht |
Die Erfassung der Kassenvorgänge muss täglich, die der sonstigen Geschäftsvorfälle muss innerhalb eines Monats erfolgen. |
Ordnung |
In der Buchführung müssen Geschäftsvorfälle sowohl zeitlich (nach Datum) und sachlich (nach Konten) geordnet sein. Bei Einnahme-Überschussrechnung müssen die Belege so aufbewahrt sein, dass sie das Betriebsergebnis nachvollziehbar widerspiegeln. |
Unveränderbarkeit |
Es muss ausgeschlossen sein, dass "Urbuchungen" oder "Uraufzeichnungen" in irgendeiner Form verändert werden können. Buchungsstapel sind nach Umsatzsteuervoranmeldung und Jahresbuchungen nach Bilanzerstellung festzuschreiben. |
Nachweis der Historie |
Wurden Buchungen oder Aufzeichnungen versehentlich falsch oder unvollständig erfasst, dürfen die ursprünglichen Eintragungen nicht radiert, gelöscht oder überschrieben werden: Stornos und Nachträge müssen separat erfasst und als solche kenntlich sein. |
Aufbewahrung |
Je nach Art betragen die Aufbewahrungsfristen
- 2 Jahre (für Aufzeichnungen nach dem Mindestlohngesetz)
- 6 Jahre (für Geschäftsbriefe und sonstige aufbewahrungspflichtige Unterlagen)
- 10 Jahre (für Bilanzen und Buchungsbelege)
Aufbewahrungspflichtig sind auch Speisekarten, soweit sie zur Überprüfung der erklärten Werte im Einzelfall von Bedeutung sind. |
Datenzugriff |
Wird eine PC-Kasse verwendet, unterliegt der Speicherinhalt den o. g. Aufbewahrungsvorschriften. Der Steuerpflichtige muss sicherstellen, dass der Betriebsprüfer die Kassendaten am System auslesen kann bzw. einen maschinell verwertbaren Datenträger mit dem Speicherinhalt erhält. |
Verfahrensdokumentation |
Ebenso wie für das Buchführungssystem muss auch für eine PC-Kasse eine Verfahrensdokumentation vorgehalten werden. Darin sind u. a. Speicherzugriffe, -veränderungen, Auswertungsmöglichkeiten und Protokollübersichten beschrieben. |
3.2 Materieller Mangel
Werden Geschäftsvorfälle nicht, nicht vollständig oder verfälscht gebucht oder aufgezeichnet, liegt ein materieller Mangel vor. Ein solcher Mangel liegt z. B. in folgenden Fällen vor:
- nicht verbuchter Wareneinkauf,
- nicht verbuchte Einnahmen für Speisen oder Getränke bzw. von Provisionen für Zigarettenautomaten oder Sonderveranstaltungen wie Familienfeiern, Vereinsjubiläen etc.,
- nicht verbuchte Entnahmen (privat verzehrte Speisen oder Getränke, Nutzung der Gasträume für private Feiern),
- rechnerische Kassenfehlbeträge.
3.3 Schätzung
Liegen gravierende formelle oder materielle Mängel in der Buchführung oder den Aufzeichnun...