Dipl.-Finanzwirt (FH) Andreas Willner, Wolfgang Macht
Besonderes Augenmerk legt die Betriebsprüfung seit je her auf sog. "bargeldintensive Betriebe". Das sind u. a. auch Bäckereien, Metzgereien und Gaststätten. Die Umsätze werden hier nämlich immer noch vornehmlich bar abgerechnet. Oft werden bei einem Geschäftsvorgang auch Umsätze mit verschiedenen Steuersätzen erzielt. Eine Kalkulation zur Verifizierung der erklärten Einnahmen wird durch Eigenverbrauch und Verderb erschwert. Saisonale Schwankungen und häufiger Wechsel von geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern sind ebenso zu beachten. Die genannten Problematiken treten am häufigsten und komplexesten in der Gastronomie auf.
Betriebsformen
Das Gaststättengewerbe in Deutschland ist seit Jahren vielschichtig. Neben der reinen "Deutschen Küche", "US-Burger" und italienischer Pizza sind viele weitere Spezialitäten anzutreffen: Griechische, türkische, chinesische, indische und sonstige asiatische, aber auch spanische oder mexikanische Küchen. Auch die Art und Weise der Speisen- und Getränkeabgabe ist diversifiziert: Speisegaststätte, Erlebnisgastronomie, Cateringservice einerseits, Bierlokal, Imbisswagen, Dönerbude etc. andererseits. Zu beachten sind auch gastronomische "Nebenbetriebe", wie Café in der Bäckerei, Mittagstheke beim Metzger oder Essen und Trinken im Möbelhaus. Die "Klassiker" Hotel- und Gaststättengewerbe sowie Fest- und Zeltbetriebe runden das Umfeld ab.
Verprobungsmethoden
Die "klassische" Verprobungsmethode im Bereich der Gastronomie ist die Kalkulation. Bei jeder Kalkulation sind die o. g. Besonderheiten in der Betriebsform zu berücksichtigen. Zunächst müssen Wareneinsatz, Personalkosten und Umsätze dem jeweiligen Geschäftsbereich zugeordnet werden. Die Anteile der Umsätze im und außer Haus sowie das Verhältnis Getränke zu Speisen sind zu ermitteln. Sodann müssen Verderb, Personalverpflegung und Eigenverbrauch berücksichtigt werden. Anhand der im Betrieb verwendeten Rezepturen und Abgabepreise wird dann eine Aufschlagskalkulation erstellt. Zum Schluss findet eine Abstimmung mit den Daten der meist elektronischen Kasse bzw. gebuchten Einnahmen statt.
Aufzeichnungen
Um eine Kalkulation durchführen zu können, wird das Finanzamt folgende (i. d. R. aufbewahrungspflichtige) Unterlagen anfordern: Wareneingang, Lohnkonten, Aufzeichnungen nach dem Mindestlohngesetz, Speisekarten, Rezepturen, Unterlagen zu Länge und Reinigung der Bierleitung.
Kassensystem
Die alten Einnahmeerfassungssysteme (Schub, Geldbeutel, Registrierkasse, Kassenbuch) sind nur noch teilweise anzutreffen. Sie wurden oft durch elektronische Kassen, PC-Kassen und "Orderman" (Smartphone als Bestell- und Abrechnungsmedium) ersetzt. Diese bieten eine große Bandbreite an Eingabe- und Auswertungsmöglichkeiten: Sofortige Zuordnung eines Umsatzes zu "in Haus" bzw. "außer Haus", Ermittlung von Umsätzen pro Tisch, zu gewisser Uhrzeit, bei bestimmtem Wetter, pro Kellner(in). Im Zusammenspiel mit dem Wareneinsatz werden Umsatzrenner oder Aufschlagsflops ermittelt. Die Bestellmenge für den Wareneinkauf kann vorausberechnet, die körperliche Inventur mit der Buchinventur abgeglichen werden.
Auch der Fiskus wird auf diese Daten zurückgreifen (wollen). Problematisch ist hier die gesetzlich vorgeschriebene "Unveränderbarkeit" der Daten, die bei jedem Kassensystem wesentlicher Bestandteil für die Beweiskraft der Buchführung ist.
Vor Beginn der eigentlichen Außenprüfung kann die Finanzverwaltung auch Testkäufe durchführen. Im Anschluss daran oder nach einigen Tagen wird dann eine sog. Kassen-Nachschau vorgenommen. Im Gegensatz zur "nomalen" Außenprüfung erfolgt diese Nachschau ohne Vorankündigung. Bei der Kassen-Nachschau werden die Kassendaten für einen beliebigen Zeitraum (i. d. R. bis zum Auslesetag) ausgelesen und analysiert. Ergeben sich schon beim Auslesen erhebliche Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung, kann sofort zu einer Außenprüfung übergegangen werden. Eine strafbefreiende Selbstanzeige ist dann nicht mehr möglich.
Sonstige Umsatzträger
Zusätzlich zum reinen Gastronomiebetrieb kommen unter Umständen noch Umsätze aus Automaten (z. B. Zigaretten) oder Veranstaltungen (Theater, Musik, Kabarett) hinzu. Auch insofern wird im Rahmen einer Außenprüfung die Vollständigkeit der Einnahmen untersucht.
Umsatzsteuer
Bei der Umsatzsteuer unterliegen Umsätze in der Gastwirtschaft dem vollen, die Lieferung von Speisen außer Haus dem ermäßigten Steuersatz. Auf die Abgrenzung wird die Außenprüfung ein gewichtiges Augenmerk legen. Zu beachten ist z. B., dass die meisten Getränke grundsätzlich dem vollen Steuersatz unterliegen – auch wenn sie "außer Haus" verkauft werden.