Leitsatz
1. Eine außerordentliche Beschwerde wegen sog. greifbarer Gesetzwidrigkeit ist im Finanzprozess seit In-Kraft-Treten des § 321a ZPO nicht mehr statthaft.
2. Stattdessen kann zur Beseitigung schweren Verfahrensunrechts in mit förmlichen Rechtsmitteln nicht anfechtbaren Entscheidungen eine fristgebundene Gegenvorstellung bei dem Ausgangsgericht entsprechend § 321a ZPO erhoben werden.
Normenkette
§ 128 FGO , § 155 FGO , § 321a ZPO
Sachverhalt
Das FG hatte nach Rücknahme der Klage das Verfahren eingestellt und die Kosten unter Hinweis auf die fehlende Vollmacht den Prozessbevollmächtigten auferlegt. Hiergegen wandten sich die Prozessbevollmächtigten mit der Beschwerde; sie hätten auf entsprechende Aufforderung eine Originalvollmacht vorgelegt; sie hätten davon ausgehen können, dass diese Vollmacht nicht beanstandet werde, nachdem das FG aus anderen Gründen eine Ausschlussfrist gesetzt habe, ohne die Vollmacht zu beanstanden. Das FG legte die Beschwerde dem BFH vor.
Entscheidung
Der BFH gab die Sache an das FG zur Entscheidung zurück.
Hinweis
In Streitigkeiten über Kosten ist die Beschwerde gem. § 128 Abs. 4 Satz 1 FGO nicht gegeben. Bis zur Änderung der Zivilprozessordnung durch das ZPOReformG vom 27.7.2001 (BGBl I 2001, 1887) und der Einfügung des § 321a der Zivilprozessordnung (ZPO) war ausnahmsweise eine außerordentliche Beschwerde in Fällen (meist versehentlicher) greifbarer Gesetzwidrigkeit für möglich gehalten worden, um nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidungen der Vorinstanzen korrigieren zu können. Nach den Neuregelungen im Zivilprozessrecht kommt eine solche Möglichkeit künftig aber nicht mehr in Betracht.
Der Gesetzgeber hat mit § 321a ZPO eine besondere Abhilfemöglichkeit für das erstinstanzliche Gericht bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör eingefügt. Nach dieser Vorschrift ist der Prozess vor dem Gericht des ersten Rechtszugs auf die Rüge der durch das Urteil beschwerten Partei fortzuführen, wenn eine Berufung nach § 511 Abs. 2 ZPO nicht zulässig ist und das Gericht des ersten Rechtszuges den Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
BGH und Bundesverwaltungsgericht hatten schon entschieden, dass der Gesetzgeber mit der Änderung der ZPO eine Grundentscheidung dafür getroffen habe, wonach bei vorwiegend unbeabsichtigten Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder bei aus sonstigen Gründen "greifbar gesetzwidrigen" Entscheidungen dasjenige Gericht für Abhilfe zu sorgen hat, dem der Fehler unterlaufen ist.
Dem hat sich der BFH angeschlossen, denn die ZPO gilt nach § 155 FGO sinngemäß auch für das finanzgerichtliche Verfahren (vgl. BFH, Urteil vom 5.12.2002, IV B 190/02, BFH-PR 2003, 155). Beachten Sie zur Vermeidung unnötiger Prozesskosten, dass die Entscheidung jede Art der "außerordentlichen Beschwerde" betrifft.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 12.12.2002, V B 185/02