2.1 Vollziehbarer Verwaltungsakt
Die Aussetzung der Vollziehung setzt einen vollziehbaren Verwaltungsakt (Bescheid) voraus, da nur bei einem vollziehbaren Bescheid eine Aussetzung der Vollziehung möglich ist. Ob ein Bescheid vollziehbar ist, hängt von der Art des Bescheids und der Zielrichtung des Rechtsbehelfs ab. Ficht der Steuerpflichtige einen ihn belastenden Bescheid an, z. B. Steuerbescheid, Prüfungsanordnung, mit dem Ziel der Aufhebung oder Abänderung, handelt es sich grundsätzlich um einen vollziehbaren Bescheid. Legt dagegen der Steuerpflichtige Rechtsbehelf ein gegen die (völlige oder teilweise) Ablehnung eines beantragten Bescheids, mit dem Ziel, den beantragten Bescheid zu erhalten, z. B. bei Ablehnung einer Stundung oder eines Erlasses von Steuern, ist der angefochtene ablehnende Bescheid nicht vollziehbar. Eine Aussetzung der Vollziehung kommt hier nicht in Betracht. Einen vorläufigen Rechtsschutz für die Zeit des Rechtsbehelfsverfahrens gibt es in diesen Fällen nach § 114 FGO nur im Wege einer einstweiligen Anordnung durch das Finanzgericht.
Vollziehbare Bescheide sind z. B.
- Steuerbescheide, die eine (positive) Steuer festsetzen
- Vorauszahlungsbescheide bis zum Erlass des Jahressteuerbescheids
- Bescheide, mit denen der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wird
- die völlige oder teilweise Ablehnung eines Antrags auf Eintragung eines Freibetrags bei den Lohnsteuerabzugsmerkmalen oder auf Änderung der eingetragenen Steuerklasse; daran hat sich durch die Einführung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) nichts geändert
- Abrechnungsbescheide i. S. d. § 218 Abs. 2 AO, die eine Zahlungsschuld feststellen, sich also nicht auf eine Negation (z. B. festgesetzte Steuer ist nicht durch Zahlung oder Verjährung erloschen) beschränken
- der Widerruf einer Stundung.
Nicht vollziehbare Bescheide sind z. B.
- Bescheide, die den Erlass oder die Korrektur eines Bescheids ablehnen, z. B. Ablehnung eines Änderungsbescheids, Ablehnung einer Stundung oder eines Erlasses, ablehnender Kindergeldbescheid
- die Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO
- Aufteilungsbescheide nach § 279 AO
- Widerruf einer dem Arbeitgeber erteilten Lohnsteuer-Anrufungsauskunft.
2.2 Zulässiger Rechtsbehelf
Die Aussetzung der Vollziehung setzt voraus, dass ein zulässiger Rechtsbehelf eingelegt worden ist, insbesondere, dass die Rechtsbehelfsfrist eingehalten ist. Eine Vollziehungsaussetzung kommt daher nicht in Betracht, wenn der Steuerpflichtige statt eines Rechtsbehelfs einen Änderungsantrag z. B. nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO oder nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO beim Finanzamt einreicht.
Ist die Rechtsbehelfsfrist versäumt und wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, ist für die Aussetzung der Vollziehung zuerst zu prüfen, ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommt. Es ist also zu prüfen, ob ernstliche Zweifel gegeben sind, dass der Rechtsbehelf nicht zulässig ist. Nur bei Vorliegen solcher ernstlichen Zweifel ist weiter zu prüfen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen oder eine unbillige Härte vorliegt.