Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Sog. Austrittsleistungen, die einem Grenzgänger nach dem Reglement einer schweizerischen sog. Anlagestiftung wegen des Wechsels zu einem neuen schweizerischen Arbeitgeber gewährt werden und aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung von dieser unmittelbar auf ein sog. Freizügigkeitskonto des Grenzgängers als Eintrittsleistung zu zahlen sind, sind im Inland nicht steuerbar (Anschluss an das BFH-Urteil vom 24.9.2013, VI R 6/11, BFHE 243, 210).
2. Beiträge des schweizerischen Arbeitgebers zu einer schweizerischen Anlagestiftung, die nur im überobligatorischen Bereich der schweizerischen betrieblichen Altersvorsorge eine Absicherung gewährt und mit der der Grenzgänger eine privatrechtliche Vorsorgevereinbarung abgeschlossen hat, sind nicht gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerbefreit. Für eine Steuerfreistellung nach § 3 Nr. 62 Satz 2 EStG ist wie im Inlandsfall Voraussetzung, dass der Grenzgänger von der schweizerischen gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist.
Normenkette
§ 3 Nr. 62 Sätze 1 und 2, § 11 Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Der in Deutschland ansässige Kläger war seit 1990 in der Schweiz als Informatiker für die K-AG tätig. Mit Beginn seiner Tätigkeit war er in deren Pensionskassen I und II und in deren Stiftung für Mitarbeiter-Gewinnbeteiligung (Anlagestiftung) eingetreten. Die Pensionskasse I bezweckte, die Arbeitnehmer der K‐AG und verbundener Gruppenunternehmen gegen die wirtschaftlichen Folgen des Erwerbsausfalls infolge von Alter, Tod und Invalidität zu sichern. Sie gewährte dafür die gesetzlich vorgeschriebenen obligatorischen Mindestleistungen und erbrachte eine darüber hinausgehende überobligatorische Vorsorge. Die Pensionskasse II erbrachte ausschließlich eine über die gesetzlichen Mindestleistungen hinausgehende berufliche Vorsorge (Überobligatorium). 2006 wechselte der Kläger zu einer anderen schweizerischen Firma und trat in deren Personalvorsorgestiftung (Pensionskasse S) ein. Die Pensionskasse S garantierte die gesetzlichen obligatorischen Leistungen und erbrachte daneben auch überobligatorische Leistungen.
Der Kläger zahlte die mit dem Austritt aus der Pensionskasse I und II zu seinen Gunsten fällig gewordenen Freizügigkeitsleistungen (Austrittsleistungen) aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung unmittelbar als Eintrittsleistung an die Pensionskasse S. Die Anlagestiftung überwies die auf den Kläger entfallende Austrittsleistung gemäß einer gesetzlichen Verpflichtung unmittelbar auf ein Freizügigkeitskonto des Klägers bei der Freizügigkeitsstiftung der Kantonalbank B.
Das FA behandelte die Austrittsleistung der Anlagestiftung, die unmittelbar auf das Freizügigkeitskonto eingezahlt worden war, in Höhe der gesamten Auszahlung als Arbeitslohn für mehrere Jahre. Die Austrittsleistungen der Pensionskassen I und II unterwarf es nicht der Besteuerung.
Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA einen Änderungsbescheid. Es behandelte weiterhin die Austrittsleistung der Anlagestiftung als Arbeitslohn, erhöhte aber in derselben Höhe die Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (Altersvorsorgeaufwendungen).
In der Einspruchsentscheidung erfasste das FA den in der Austrittsleistung der Anlagestiftung gezahlten unverteilten Vorschuss als Einnahme des Klägers aus nicht selbstständiger Arbeit. Den übrigen Teil der Austrittsleistung der Anlagestiftung sah es nicht mehr als Lohn des Klägers an. Allerdings ging das FA nunmehr davon aus, die Austrittsleistung der Anlagestiftung enthalte als Auszahlung aus einer Lebensversicherung auf den Erlebens‐ oder Todesfall mit Kapitalwahlrecht in Höhe der Differenz zwischen dem Auszahlungsbetrag und den Arbeitgeberbeiträgen einen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG steuerpflichtigen Zinsanteil.
Das FG (FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 12.5.2011, 3 K 147/10, Haufe-Index 2552284) gab der Klage weitgehend statt. Die Austrittsleistung aus der Anlagestiftung sei dem Kläger aufgrund der unmittelbaren Einzahlung auf das Freizügigkeitskonto schon nicht gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen. Das FG saldierte aber in folgenden Punkten zulasten des Klägers:
- Es sah die Auszahlung des unverteilten Vorschusses der K‐AG an die Anlagestiftung als steuerpflichtige Zuwendung an, die zu Einnahmen des Klägers aus nicht selbstständiger Arbeit führe und nicht gemäß § 3 Nr. 62 EStG oder § 3 Nr. 63 EStG steuerbefreit sei.
- Die Arbeitgeberbeiträge an die jeweiligen Pensionskassen beurteilte das FG nur insoweit gemäß § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG als steuerfrei, als sie in das Obligatorium geleistet worden waren. Nur die Arbeitnehmerbeiträge des Klägers in das Obligatorium der Pensionskassen sah das FG als Altersvorsorgeaufwendungen in eine gesetzliche ausländische Rentenversicherung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG an.
- Die Arbeitgeberbeiträge in das Überobligatorium waren nach Auffassung des FG nicht gemäß § 3 Nr. 62 Satz 4 EStG oder § 3 Nr. 63 EStG steuerbefreit.
Dagegen legten beide Beteiligte jeweils Revision ein.
Entscheidung
Der BFH wies beide Revisi...