Leitsatz
Das Bilanzierungswahlrecht für die Bildung und Auflösung einer §-6b-Rücklage ist immer durch entsprechenden Bilanzansatz im "veräußernden"Betrieb auszuüben, auch wenn die Rücklage auf Wirtschaftsgüter eines anderen Betriebs des Steuerpflichtigen übertragen werden soll.
Normenkette
§ 4 Abs. 2 Satz 2, § 6b Abs. 3 EStG
Sachverhalt
Vater und Sohn bewirtschafteten in der Rechtsform einer GbR einen landwirtschaftlichen Betrieb in Westdeutschland (Westbetrieb). Einige der landwirtschaftlichen Grundstücke gehörten den Gesellschaftern selbst und waren in Sonderbilanzen erfasst. In den Wirtschaftsjahren 1993/94 und 1994/95 kam es zu Verkäufen solcher Grundstücke im Eigentum der beiden Gesellschafter. Die Gewinne wurden in Rücklagen nach § 6b EStG eingestellt.
Der Vater führte außerdem noch einen zweiten landwirtschaftlichen Betrieb in Ostdeutschland (Ostbetrieb), an dem sich der Sohn später beteiligte. Im Wirtschaftsjahr. 1994/95 und den beiden folgenden Wirtschaftsjahren hatte der Vater Grundstücke für den Ostbetrieb erworben. Auch der Sohn erwarb dort im Juli 1995 und 1996 Grundbesitz, der zunächst in Gestalt eines Verpachtungsbetriebs bewirtschaftet wurde. In Bilanzen für den Ostbetrieb und den Verpachtungsbetrieb zum 30.6.1996, 1997 und 1998, eingereicht beim dortigen FA im Dezember 1999, wurden Übertragungen aus den §-6b-Rücklagen auf Anschaffungskosten des dort erworbenen Grundbesitzes vorgenommen. Dies blieb in einer späteren Außenprüfung für den Ostbetrieb unbeanstandet
In den zuvor für den Westbetrieb eingereichten Sonderbilanzen zum 30.6.1996 und 1997 waren die Rücklagen unverändert ausgewiesen worden, während auf den 30.6.1998 die Rücklage in Höhe des im Wirtschaftsjahr 1993/94 gebildeten Teilbetrags unter Hinweis auf Anschaffungen im Ostbetrieb in den Wirtschaftsjahren 1994/95 und 1995/96 aufgelöst wurde. Später wurden berichtigte Sonderbilanzen auf den 30.6.1996, 1997 und 1998 eingereicht, in denen die Rücklagen entsprechend den Auflösungen in den Bilanzen des Ostbetriebs gemindert waren.
Das für den Westbetrieb zuständige FA vertrat die Auffassung, die Rücklagen seien nicht wirksam auf Reinvestitionsgüter übertragen worden. Es löste die Rücklagen am Ende des Reinvestitionszeitraums gewinnerhöhend und mit einem Zuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG auf.
Die gegen die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das FG (FG Köln, Urteil vom 4.11.2008, 9 K 2227/04, Haufe-Index 2259877, EFG 2010, 472) hielt auch eine Berichtigung der Sonderbilanzen für unzulässig. Durch die bilanzielle Behandlung der Rücklagen in den Bilanzen des Ostbetriebs seien die Bilanzen des Westbetriebs nicht fehlerhaft geworden.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG-Urteil. Entscheidend für die Ausübung des Wahlrechts zur Übertragung der Rücklage sei der Ausweis in der Bilanz des Betriebs, in dem der Gewinn entstanden sei, den die Rücklage verkörpere.
Hinweis
1. Nach dem Verständnis des § 6b EStG durch die Rechtsprechung enthält die Norm keine betriebs-, sondern eine personenbezogene Steuervergünstigung. Der Steuerpflichtige, der den Veräußerungsgewinn erzielt hat, kann deshalb eine Ersatzinvestition auch in einem anderen Betrieb vornehmen. Bei Personengesellschaften wird sogar die Gewinnübertragung zwischen Gesamthandsvermögen und Einzelbetriebsvermögen der Gesellschafter zugelassen. Die Übertragung nach § 6b EStG kann deshalb sehr flexibel gehandhabt werden.
2. Das Urteil zeigt aber die Grenzen der Flexibilität auf. Bildung und Auflösung der Rücklage müssen nach § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 EStG in der Buchführung verfolgt werden können. Damit soll sichergestellt werden, dass in Rücklagen "gespeicherte" Gewinne nicht eines Tages "verloren gehen". Die Überwachung muss nach Meinung des BFH in dem Betrieb gewährleistet sein, in dem der Gewinn ursprünglich realisiert wurde. Dementsprechend müssen auch dort alle Wahlrechtsausübungen dokumentiert werden.
Die Beibehaltung einer noch nicht zwangsweise aufzulösenden Rücklage dokumentiert dann, dass zu diesem Bilanzstichtag keine Übertragung und keine Auflösung gewünscht sind. Hat eine geeignete Ersatzinvestition in einem anderen Betrieb des Steuerpflichtigen stattgefunden, verhalten sich die Bilanzen von Veräußerungsbetrieb und Investitionsbetrieb nach dem Muster von "master" und "slave": In der Bilanz des Veräußerungsbetriebs fällt die Entscheidung über eine Übertragung. Stimmt die Bilanz des Investitionsbetriebs damit nicht überein, ist sie falsch und muss berichtigt werden.
3. Praktisch können sich etwa bei überlappenden Wirtschaftsjahren Schwierigkeiten ergeben. Diese müssen nach Meinung des BFH aber gelöst werden können, denn immerhin ist es ja derselbe Steuerpflichtige, der investiert und die Rücklage überträgt. Im Verhältnis zu einer Personengesellschaft gilt das für Gesamthandsvermögen allerdings nur mit Einschränkungen, weil dem Gesellschafter ggf. mangels Geschäftsführungsbefugnis keine Initiativrechte zustehen. Hier muss der betreffende Gesellschafter auf den Gesc...