Leitsatz
Die gesellschafterbezogene und rechtsträgerübergreifende Übertragung stiller Reserven nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) führt durch die (erfolgsneutrale) Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Reinvestitionswirtschaftsguts bei der übernehmenden Personengesellschaft dazu, dass sich das Kapitalkonto im Sinne von § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG in Höhe der übertragenen stillen Reserven reduziert.
Normenkette
§ 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, § 6b Abs. 3 EStG, § 171 Abs. 10 Satz 1, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 179 Abs. 1, Abs. 2, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO, § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO
Sachverhalt
Der Kläger ist an einer GbR beteiligt, die im Jahr 1997 aus der Veräußerung einer Immobilie einen Veräußerungsgewinn erzielte. Die GbR bildete für den auf den Kläger entfallenden Gewinnanteil eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG.
In den Jahren 2001 und 2002 erwarb und bebaute die I-KG, an der der Kläger als (einziger) Kommanditist beteiligt ist, ein Grundstück.
Die GbR übertrug für die Jahre 2001 und 2002 die aus der Grundstückveräußerung stammenden stillen Reserven anteilig auf die I-KG. Die I-KG minderte Anschaffungs- und Herstellungskosten des erworbenen Grundstücks und Gebäudes entsprechend.
Nach einer Außenprüfung erkannte das FA Verluste des Klägers bei der I-KG im Streitjahr 2006 nicht als ausgleichsfähig mit Gewinnen, sondern nur als verrechenbare Verluste i. S. v. § 15a EStG an. Denn sein Kapitalkonto habe sich durch die Übertragung der stillen Reserven von der GbR in den Jahren 2001 und 2002 vermindert. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 19.7.2022, 12 K 33/18, Haufe-Index 15467253) ab.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision zurückgewiesen. Das Kapitalkonto des Klägers bei der I-KG als dem reinvestierenden Betrieb sei durch die Übertragung der stillen Reserven gemindert worden und habe so das Verlustausgleichsvolumen reduziert.
Hinweis
1. Es besteht eine wechselseitige Bindungswirkung zwischen Gewinnfeststellung und Feststellung der nur verrechenbaren Verluste nach § 15a Abs. 4 EStG.
2. Bei der Ermittlung des Kapitalkontos des Kommanditisten und der Entwicklung des Kontos erhöhen Einlagen und positive Ergänzungsbilanzen das Volumen für Verlustausgleich, Entnahmen und eine negative Ergänzungsbilanz mindern es; Sonderbilanzen werden nicht berücksichtigt.
3. Die Übertragung stiller Reserven kann nach § 6b EStG vom selben Gesellschafter rechtsträgerübergreifend von einem veräußernden auf einen reinvestierenden Betrieb erfolgen.
4. Die neutrale Übertragung stiller Reserven verlangt bei dem Kommanditisten in seinem veräußernden Betrieb eine Erhöhung seines Kapitalkontos und eine entsprechende Minderung in seinem reinvestierenden Betrieb.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.12.2024 ‐ IV R 24/22