Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrarbeitsvergütung. Vom einzelvertraglich vereinbarten Tarifvertrag abweichende Vertragsgestaltung für den Ausgleich von Mehrarbeit
Leitsatz (amtlich)
- Ein Anspruch auf Überstundenvergütung erfordert grundsätzlich die Darlegung, daß Arbeitsstunden über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit geleistet worden sind, diese angeordnet oder betriebsnotwendig waren und billigend entgegengenommen worden sind.
- Zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer in Leitungsposition, dem keine festen Arbeitszeiten vorgegeben sind, kann vereinbart werden, daß der Arbeitnehmer durch entsprechende Gestaltung seines Arbeitsablaufes Überstunden abfeiert. Eine derartige Vereinbarung ist nur dann zu beanstanden, wenn ihr besondere Rechtsmängel anhaften.
- Es besteht kein allgemeiner Rechtsgrundsatz, daß Überstunden stets zu vergüten sind, wenn die Möglichkeit des Abfeierns besteht.
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Arbeiterwohlfahrt; BMT-AW II § 13; BGB §§ 138, 280; Positive Vertragsverletzung; BGB § 612 Abs. 1; ZPO § 253
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 18.01.1993; Aktenzeichen 19 (18) Sa 707/92) |
ArbG Dortmund (Urteil vom 28.02.1992; Aktenzeichen 8 Ca 4418/91) |
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 18. Januar 1993 – 19 (18) Sa 707/92 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um Vergütung von Überstunden.
Dabei geht es in der Revisionsinstanz noch um Überstundenvergütung für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis 30. September 1991 in der vom Kläger errechneten Höhe von 33.647,34 DM brutto.
Der Kläger war vom 1. Februar 1985 bis zum 30. September 1991 als Heimleiter im Seniorenzentrum des beklagten Vereins in Schwerte-Holzen beschäftigt.
Die Parteien vereinbarten im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 4. Dezember 1984 die Anwendung des Bundes-Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (BMT-AW II) mit den dazu ergangenen und noch ergehenden Zusatzbestimmungen. Die wöchentliche Arbeitszeit ist im Arbeitsvertrag auf 40 Stunden festgelegt. Gem. § 1 des Zusatztarifvertrages zum BMT-AW II vom 1. November 1978 i. d. Fassung des Änderungstarifvertrages vom 5. Juli 1988 betrug die wöchentliche Arbeitszeit in den Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt ab 1. April 1989 39 Stunden und ab 1. April 1990 38,5 Stunden.
In der Gestaltung seiner täglichen Arbeitszeit war der Kläger frei. Hinsichtlich des Ausgleiches von Überstunden kam es zwischen den Parteien während des Arbeitsverhältnisses zu Auseinandersetzungen. Mit Schreiben vom 18. September 1985 wies der beklagte Verein darauf hin, daß nach den Haushaltsanweisungen “die Anordnung von Überstunden der vorherigen Zustimmung des Bezirkes” bedürfe, und lehnte die Gewährung von Freizeitausgleich ab.
Mit Schreiben vom 20. November 1986 bat der Kläger um Genehmigung von 38 Überstunden für sieben Festveranstaltungen in den Monaten November und Dezember 1986. Der beklagte Verein antwortete, es gehöre zu den Aufgaben eines Heimleiters, bei bestimmten Aktivitäten, die dem Wohle der Senioren dienten, über das normale Maß hinaus zur Verfügung zu stehen. Aufgrund der vom Kläger ausgeübten Position sehe er sich außerstande, Überstunden anzuordnen.
Unter dem Datum vom 16. März 1987 schrieb der beklagte Verein dem Kläger:
“Die finanzielle Abgeltung von Überstunden sowie von Zeitzuschlägen müssen wir ablehnen, da unsererseits eine Anordnung über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit hinaus zu leistenden Stunden nicht besteht.
Wir haben für Heimleiter keine starren Arbeitszeiten festgelegt, die beinhalten, daß der Dienst in der Zeit von montags bis freitags in der Zeit von 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr bzw. am Freitag von 8.00 Uhr bis 14.30 Uhr abzuleisten ist.
Sie sind in der Lage – aufgrund ihrer Stellung – für sich eine flexible Arbeitszeit in Anspruch zu nehmen, um damit evtl. geleistete Dienste an Sonn- und Feiertagen auszugleichen.”
Mit Schreiben vom 11. Mai 1987 bat der Kläger den beklagten Verein darum, abweichend von den Haushaltsanweisungen für Heimleiter eine andere Verfahrensweise zu finden. Für Heimleiter sei es nicht immer absehbar, ob Überstunden anfielen und wie sie ggf. abgefeiert werden könnten.
Der Kläger und die anderen Mitarbeiter gaben in einer monatlichen Arbeitsübersicht auf einem Formular des beklagten Vereins Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie der Soll- und Iststunden an; diese Arbeitszeitübersichten hat der Kläger für die Zeit vom 1. Januar 1988 bis zum 31. Dezember 1990 sowie für Juli 1991 zur Gerichtsakte gereicht. Darüber hinaus gab der Kläger für sich und sämtliche Mitarbeiter an die Personalabteilung des Beklagten monatliche Meldungen über die geleisteten Überstunden; der Kläger hat diese Personalmeldungen für den Zeitraum vom 1. Januar 1989 bis zum 31. Juli 1991 zur Gerichtsakte gereicht. Der Kläger hat ferner seine monatlichen Abrechnungen vorgelegt, aus denen sich ergibt, daß der beklagte Verein teilweise Überstunden vergütete und teilweise tarifliche Überstundenzuschläge ohne Grundvergütung für diese Stunden zahlte.
Nachdem die Parteien das Arbeitsverhältnis mit Aufhebungsvertrag vom 15. August 1991 zum 30. September 1991 beendet hatten, machte der Kläger mit Schreiben vom 26. September 1991 die Vergütung von insgesamt 1565,26 Überstunden für die Zeit von 1985 bis zum 30. Juni 1991 geltend. Der beklagte Verein lehnte die Zahlung der Vergütung ab.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es komme nicht darauf an, ob der beklagte Verein die Überstunden im Einzelfalle angeordnet habe. Der beklagte Verein habe Arbeit zugewiesen, die nur unter Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit zu leisten sei. Demgemäß seien in dem Stellenplan des beklagten Vereins für Altenheime der Größe, wie er es leite, 1,38 Heimleiterstellen vorgesehen. Da der beklagte Verein die von ihm – dem Kläger – eingereichten Monatsmeldungen bzw. Arbeitszeitübersichten zur Grundlage der Berechnung der Zeitzuschläge gemacht habe, könne er die angefallenen Überstunden nicht bestreiten.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 44.831,21 DM brutto zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, in der Abrechnung der Überstunden liege kein Anerkenntnis der behaupteten Überstunden. Die Zuschläge seien für Überstunden gezahlt worden, die durch Freizeit ausgeglichen seien. Zur Leistung sonstiger Überstunden habe keine Anordnung bestanden; vielmehr sei der Kläger von Beginn des Arbeitsverhältnisses an immer wieder mündlich und schriftlich ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß die Ableistung von Überstunden in jedem Fall der vorherigen Einholung seiner Zustimmung bedurft habe. Der Kläger sei wegen der ihm eingeräumten flexiblen Arbeitszeit grundsätzlich auch in der Lage gewesen, Überstunden zu vermeiden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger die Vergütung von Überstunden für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis 30. September 1991 in von ihm errechneter Höhe von 33.647,34 DM brutto weiter. Wegen der Differenz gegenüber seinem ursprünglichen Antrag hat der Kläger die Revision zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis die Klage zutreffend abgewiesen.
I. Die Zahlungsklage ist zulässig.
Der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung klargestellt, daß sich der mit der Revision noch geforderte Betrag von 33.647,34 DM brutto auf in der Zeit vom 1. Januar 1989 bis zum 30. September 1991 geleistete Überstunden bezieht. Damit ist der Streitgegenstand hinreichend bestimmt i. S. des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Überstundenvergütung für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis 30. September 1991 in der von ihm errechneten Höhe von 33.647,34 DM brutto gegen den beklagten Verein.
1. Da der Kläger nicht tarifgebunden ist, scheidet ein tariflicher Anspruch auf Überstundenvergütung nach § 13 Abs. 5 Satz 4 in Verb. mit § 16 Abs. 3 BMT-AW II aus.
2. Der Kläger hat auch keinen entsprechenden Anspruch aufgrund der einzelvertraglichen Vereinbarung des BMT-AW II in § 2 des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien.
a) Nach § 13 Abs. 5 Satz 4 BMT-AW II wird für Überstunden Überstundenvergütung nach Maßgabe des § 16 Abs. 3 BMT-AW II gezahlt, die nicht durch Freizeit ausgeglichen worden sind.
Überstunden i. S. des BMT-AW II sind diejenigen Arbeitsstunden, die über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus geleistet werden (§ 13 Abs. 1 BMT-AW II). Die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers betrug nach dem Arbeitsvertrag 40 Stunden. Gem. § 1 des Zusatztarifvertrages zum BMT-AW II vom 1. November 1978 i. d. Fassung des Änderungstarifvertrages vom 5. Juli 1988 betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit in den Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt ab 1. April 1989 39 Stunden, ab 1. April 1990 38,5 Stunden.
Überstunden i. S. des § 13 Abs. 1 BMT-AW II sind gem. § 13 Abs. 5 BMT-AW II folgendermaßen auszugleichen:
Überstunden sind grundsätzlich bis zum Ende des nächsten Kalendermonats durch entsprechende Arbeitsbefreiung auszugleichen. Für die Zeit, in der Überstunden ausgeglichen werden, werden die Vergütungen/wird der Lohn (§§ 23, 28) und die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen fortgezahlt.
Im übrigen wird für die ausgeglichenen Überstunden nach Ablauf des Ausgleichszeitraums lediglich der Zeitzuschlag für Überstunden (§ 16 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a) gezahlt. Für jede nicht ausgeglichene Überstunde wird die Überstundenvergütung (§ 16 Abs. 3 Unterabs. 2) gezahlt.
b) Der Arbeitnehmer, der im Prozeß von seinem Arbeitgeber die Bezahlung von Überstunden fordert, muß, zumal wenn zwischen der Geltendmachung und der behaupteten Leistung ein längerer Zwischenraum liegt, beim Bestreiten der Überstunden im einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus tätig geworden ist. Er muß ferner vortragen, ob die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeit notwendig oder vom Arbeitgeber gebilligt oder geduldet worden sind (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, Urteil vom 15. Juli 1961 – 2 AZR 436/60 – AP Nr. 7 zu § 253 ZPO, Urteil vom 25. November 1993 – 2 AZR 517/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der beklagte Verein die vom Kläger geltend gemachten Überstunden nicht ausdrücklich angeordnet hat. Die Anordnung von Überstunden braucht nicht ausdrücklich zu erfolgen – § 13 BMT-AW II schreibt eine schriftliche Anordnung nicht vor –, wohl aber zumindest stillschweigend. Es kann daher auch genügen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Arbeit zuweist, die in der regelmäßigen Arbeitszeit nicht erledigt werden kann oder wenn der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer geleistete Überstundenarbeit kennt und mit ihr einverstanden ist oder ihre Leistung duldet (BAG Urteil vom 20. Juli 1989 – 6 AZR 774/87 – ZTR 1990, 155, zu II 1 der Gründe). So hat es der Senat in seiner Entscheidung vom 28. November 1973 (BAGE 25, 419, 421 f. = AP Nr. 2 zu § 17 BAT, zu 1 der Gründe) für ausreichend angesehen, wenn sich die Überstundenanordnung mittelbar aus der Übertragung bestimmter Arbeiten ergibt; in einem Arbeitsauftrag, der mit der sich ggf. auch nur aus den Umständen ergebenden Weisung verbunden ist, diesen innerhalb einer bestimmten Zeit ohne Rücksicht auf die regelmäßige Arbeitszeit auszuführen, kann eine Überstundenanordnung im tariflichen Sinne liegen.
c) Wenn man den vorstehenden Sachvortrag des Klägers als schlüssig unterstellt, hat der Kläger aber deshalb keinen Anspruch auf Zahlung von Überstundenvergütung, weil die Parteien eine von der tarifvertraglichen Regelung abweichende Vereinbarung getroffen haben mit der Folge, daß der danach vorgesehene Freizeitausgleich ebensowenig gegeben ist wie der Zahungsanspruch für etwa nicht so ausgeglichene Überstunden.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der Ersatzanspruch auf Zahlung der Überstundenvergütung sei ausgeschlossen, weil es dem Kläger vereinbarungsgemäß selbst oblegen habe, Freizeitausgleich zu nehmen. Dieser Verpflichtung sei der Kläger nicht nachgekommen, obwohl er nach dem Gesamtumfang seiner Arbeitsaufgaben nicht daran gehindert gewesen sei. Gem. § 13 Abs. 5 BMT-AW II seien Überstunden durch Arbeitsbefreiung auszugleichen, die Verpflichtung zum Ausgleich der geleisteten Arbeitsstunden durch Zahlung von Überstundenvergütung entstehe nur, wenn ein Ausgleich nicht erfolge. Dies setze zwar grundsätzlich eine Arbeitsbefreiung durch den Arbeitgeber voraus. Im vorliegenden Fall habe es aber keines dem Kläger gegenüber zu erklärenden Verzichts auf die Erbringung der Arbeitsleistung bedurft, weil die Parteien vereinbart hätten, daß der Kläger seine Arbeitszeit so einzurichten habe, daß er etwaige Überstunden durch Freizeit selbst ausgleiche.
bb) Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
aaa) Überstunden sind nach § 13 Abs. 5 Satz 1 BMT-AW II “grundsätzlich” durch Arbeitsbefreiung auszugleichen. Diese Vorschrift schließt den Arbeitnehmer mit dem Anspruch auf Überstundenvergütung nicht aus, wenn er Freizeitausgleich nicht erhalten hat. Mit der Regelung haben die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber die Möglichkeit eingeräumt, zwischen Vergütung und Freizeitausgleich zu wählen. Dem Arbeitnehmer steht dabei weder ein Rechtsanspruch auf Freizeitausgleich noch ein solcher auf Vergütung zu. Es ist vielmehr ausschließlich Sache des Arbeitgebers, sein Wahlrecht in der einen oder anderen Richtung auszuüben. Hat der Arbeitgeber keine Arbeitsbefreiung gewährt, ist Vergütung für die Überstunden zu zahlen (vgl. BAG Urteil vom 20. Juli 1989 – 6 AZR 774/87 –, aaO; BAG Urteil vom 16. Februar 1989 – 6 AZR 325/87 – ZTR 1989, 320). Die in § 13 Abs. 5 BMT-AW II geregelte Arbeitsbefreiung bedeutet Freistellung des Angestellten von einer an sich bestehenden Arbeitspflicht. Die Freistellung erfolgt grundsätzlich durch entsprechende Erklärung des Arbeitgebers gegenüber dem Angestellten, durch die der Arbeitgeber auf sein vertragliches Recht auf Leistung der geschuldeten Dienste in bestimmtem Umfang verzichtet und so die entsprechende Dienstleistungspflicht des Angestellten zum Erlöschen bringt. Eine Selbstbefreiung des Angestellten ist damit einerseits ausgeschlossen. Der Angestellte ist andererseits auch nicht verpflichtet, sich innerhalb des Ausgleichszeitraums (bis zum Ende des Folgemonats) um Freizeitausgleich zu bemühen (vgl. zur entsprechenden Rechtslage nach § 17 Abs. 5 Satz 1 BAT: BAGE 49, 273, 277 = AP Nr. 13 zu § 17 BAT, zu III 1 der Gründe; BAG Urteil vom 20. Juli 1989 – 6 AZR 774/87 –, aaO).
bbb) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die Parteien hätten abweichend von der tariflichen Bestimmung vereinbart, dem Kläger selbst habe der Ausgleich von Überstunden durch Gewährung von Freizeit oblegen. Der Kläger sei als Heimleiter nicht an feste Arbeitszeiten gebunden gewesen, sondern habe seine Arbeitszeit entsprechend den konkreten Erfordernissen selbst eingeteilt. Dies habe auch in dem speziellen Fall des Freizeitausgleichs für geleistete Überstunden gegolten. Mit Schreiben vom 16. März 1987 sei der Kläger ausdrücklich auf die flexible Arbeitszeit und die daraus resultierende eigene Freistellungsmöglichkeit verwiesen worden. Tatsächlich sei dieses Verfahren auch vom Kläger praktiziert und damit Bestandteil einer arbeitsvertraglichen Regelung geworden.
Diese Feststellungen sind als Teil der Tatsachenfeststellung des angefochtenen Urteils für den Senat bindend (§ 561 Abs. 2 ZPO), auch soweit sie die Ermittlung zum Erklärungswert von Äußerungen und Verhaltensweisen erfassen. Die Revision kann nur darauf gestützt werden, das ein Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze oder eine auf der Nichtberücksichtigung wesentlicher Umstände beruhende Verletzung gesetzlicher Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) vorliegt. Derartige Rechtsfehler sind von der Revision jedoch nicht vorgetragen worden; sie sind auch nicht ersichtlich.
ccc) Diese Vereinbarung ist rechtlich nicht zu beanstanden, weil der Tarifvertrag durch einzelvertragliche Inbezugnahme als Vertragsrecht gilt und damit in gesetzlich zulässigem Rahmen parteidispositiv ist.
Die Zulässigkeit einzelvertraglicher Regelungen findet ihre Grenze in § 138 BGB. Danach ist die Vereinbarung insbesondere dann nichtig, wenn sie nach einer Gesamtwürdigung der Einzelfallumstände ein erhebliches Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorsieht.
Dies ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn, wie hier, der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit selbst einteilen und damit für die Einhaltung des vertraglichen Gegenseitigkeitsverhältnisses sorgen kann, indem er Mehrarbeit durch Freizeit ausgleicht. Die vom Landesarbeitsgericht festgestellte vom BMT-AW II abweichende Vereinbarung bewirkt daher keine unangemessene Benachteiligung des Klägers, der es aufgrund seiner Aufgabe als Heimleiter und der damit einhergehenden Personaldispositionsbefugnisse in der Hand hat, ggf. durch organisatorische Maßnahmen Freizeit für geleistete Überstunden zu nehmen. Es kann dem Kläger auch zugemutet werden, sich im Hinblick auf Haushaltsinteressen des beklagten Vereins selbst den Überstundenausgleich durch Freizeit zu gewähren, soweit dies mit den betrieblichen Interessen vereinbar ist.
Zweifel gegen eine derartige Vertragsgestaltung bestehen nur dann, wenn der Arbeitgeber eine finanzielle Abgeltung auch für diejenigen Fälle ausschließt, in denen der Arbeitnehmer Freizeitausgleich nicht nehmen konnte aus Gründen, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen (vgl. Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, § 15 III 2e, S. 444). Davon ist auch dann auszugehen, wenn eine Vereinbarung die freie Einteilung der Arbeitszeit vorsieht, das zugewiesene Arbeitsvolumen in der vertraglich vorgesehenen Zeit indes nicht zu bewältigen ist und gleichwohl ein finanzieller Ausgleich ausgeschlossen ist.
Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, nach dem Vortrag des Klägers bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß er den Freizeitausgleich nicht habe nehmen können. Nur ein vollständiger Überblick über die Aufgaben des Klägers innerhalb des tarifvertraglichen Ausgleichszeitraums ließe Rückschlüsse darauf zu, ob im Einzelfall die Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zum Zwecke des Freizeitausgleichs möglich gewesen sei oder nicht. Der beispielhafte Hinweis auf zusätzliche Einzelaufgaben genüge nicht, um diesen Überblick zu verschaffen. Auch sei es möglich, daß sich andere Aufgaben als weniger dringlich und damit als aufschiebbar erwiesen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, daß die Heimleiterstelle für ein Heim in der von dem Kläger betreuten Größe mit 1,38 Stellen vorgesehen sei. Denn der Stellenplan gebe lediglich den vom Kostenträger als erforderlich anerkannten Arbeitsaufwand für die Heimleitung, nicht die Ausgestaltung einer konkreten Stelle wieder. Soweit der Kläger auf die Gesamtbelastung eines Heimleiters verweise, seien die Ausführungen zu abstrakt und ohne Bezug zu konkret geltend gemachten Überstunden. Die von ihm eingereichte Aufstellung zur durchschnittlichen Arbeitszeit eines Heimleiters in Wohlfahrtsverbänden gebe einen Mittelwert wieder, der sich zwischen Extremen bilde und Rückschlüsse auf die konkrete Situation des Klägers nicht ermögliche.
Diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und für den Senat bindend, § 561 Abs. 2 ZPO. Die Ausführungen verstoßen weder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze und sind insbesondere nicht unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften zustande gekommen. Es existieren weder ein Erfahrungssatz noch aufgrund der Stellenbewertung mit einem Faktor von 1,38 eine tatsächliche Vermutung dafür, daß ein Heimleiter, der seine Arbeitszeit frei einteilen kann, aufgrund der ständigen Arbeitsbelastung keinen Freizeitausgleich in entsprechendem Umfang nehmen kann.
3. Der Kläger hat auch keinen Schadenersatzanspruch i. H. der geltend gemachten Überstundenvergütung aus § 280 BGB.
Denn der beklagte Verein hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu vertreten, daß der Kläger seine Überstunden nicht mit Freizeit ausgleichen kann.
Dies ergibt sich bereits daraus, daß die Parteien ihr Arbeitsverhältnis in der Weise gestaltet haben, daß es dem Kläger selbst oblag, Überstunden durch Freizeit auszugleichen. Er hätte damit die Schadenentstehung vermeiden können. Den beklagten Verein trifft auch kein Organisationsverschulden. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, aus dem Vortrag des Klägers ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger Freizeitausgleich nicht habe nehmen können.
4. Wegen fehlenden Verschuldens scheitert auch ein Schadenersatzanspruch des Klägers i. H. der geltend gemachten Überstundenvergütung aus dem Arbeitsvertrag i. V. mit der Verletzung der allgemeinen Fürsorgepflicht (positive Vertragsverletzung).
Die Revision meint, der beklagte Verein habe die ihm obliegende Fürsorgepflicht, die sich auf die körperliche Integrität des Arbeitnehmers, sein Persönlichkeitsrecht und seine Vermögensinteressen erstrecke, schuldhaft verletzt, indem er die Leistung von Mehrarbeit in erheblichem Umfang über Jahre hinweg billigend in Kauf genommen habe, ohne für Abhilfe zu sorgen. Es sei Sache des beklagten Vereins gewesen, z. B. durch Einrichtung einer stellvertretenden Heimleiterstelle für ausreichend Personal zu sorgen, um zu verhindern, daß die Arbeitslast allein vom Kläger habe bewältigt werden müssen.
Eine derartige Pflichtverletzung wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn der Kläger aus betrieblichen Gründen tatsächlich nicht die Möglichkeit gehabt hätte, seine Überstunden durch Freizeit zu kompensieren. Für die Annahme derartiger betrieblicher Notwendigkeiten bestehen aufgrund der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts indes keine Anhaltspunkte.
5. Schließlich hat der Kläger entgegen der Auffassung der Revision auch keinen Anspruch auf Vergütung der nicht durch Freizeit ausgeglichenen Überstunden gem. § 612 Abs. 1 BGB.
Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß jede Mehrarbeitszeit oder jede “dienstliche” Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zusätzlich zu vergüten ist. Gem. § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung nur dann als stillschweigend vereinbart, wenn die Umstände der Dienstleistungen im Einzelfall für eine Erwartung zusätzlicher Vergütung sprechen (LAG Köln, Urteil vom 7. September 1989 – 10 Sa 488/89 – LAGE § 15 AZO Nr. 1 = NZA 1990, 349 f.). Diese Erwartung wird zumeist gegeben sein (vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 69 III 2). Hier konnte der Kläger wegen der einzelvertraglichen Vereinbarung, daß er seine Arbeitszeit so einzurichten habe, daß er etwaige Überstunden durch Freizeit selbst ausgleiche, schlechterdings nicht erwarten, daß er eine Überstundenvergütung für solche Überstunden erhält, die er durch Freizeit hätte ausgleichen können.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, hinsichtlich der Teilrücknahme der Revision aus §§ 566, 515 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
Unterschriften
Schaub, Schneider, Dr. Friedrich, Wehner, Gotsche
Fundstellen
Haufe-Index 856717 |
BB 1994, 1644 |
BB 1994, 2203 |
NZA 1994, 1035 |