Entscheidungsstichwort (Thema)
AGB-Kontrolle. Privatnutzung eines Firmenwagens. Widerruf
Orientierungssatz
- Die Vereinbarung in einem Formularvertrag, nach welcher der Arbeitgeber berechtigt ist, jederzeit die Überlassung eines auch zur Privatnutzung zur Verfügung gestellten Firmenwagens zu widerrufen, ist zu weit gefasst.
- Eine solche Widerrufsklausel hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 iVm. § 308 Nr. 4 BGB nicht stand. Sie benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen, weil hier das Widerrufsrecht an keinen Sachgrund gebunden ist.
- Die Widerrufsklausel ist auch nicht im Wege der geltungserhaltenden Reduktion oder der ergänzenden Vertragsauslegung auf die Fälle zu beschränken, in denen der Arbeitgeber zum Widerruf berechtigt ist, wie zB im Falle einer berechtigten Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht.
- Dem Arbeitnehmer steht für die widerrechtlich entzogene Möglichkeit der Privatnutzung des Firmenfahrzeuges eine Nutzungsausfallentschädigung als Schadensersatz zu.
- Gegen die Berechnung der Nutzungsausfallentschädigung mit monatlich 1 % des Listenpreises des Firmenwagens bestehen keine Bedenken.
Normenkette
BGB §§ 242, 275, 280, 283, 305-308, 310, 315, 611; EGBGB Art. 229 § 5
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 17. Januar 2006 – 13 Sa 1176/05 – in der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben als es die Klage abgewiesen hat.
Auch insoweit wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 19. Mai 2005 – 4 Ca 441/04 – zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz über einen Anspruch des Klägers wegen der entgangenen Nutzungsmöglichkeit eines ihm zur Privatnutzung zur Verfügung gestellten Dienstfahrzeuges.
Der Kläger war bei der Beklagten seit 1. Mai 1995 als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Der schriftliche Dienstvertrag vom 29. März/2. April 1995 enthält unter der Ziff. “II. Bezüge” ua. folgende Regelung: “Ab dem 01.05.1995 – Stellung eines Firmenwagens”.
Am 14. August 2001 schlossen die Parteien einen sog. Dienstwagenvertrag. In diesem heißt es ua.:
“1. Überlassung
Für seine Außendiensttätigkeit überläßt A… GmbH & Co. Herrn K… – im folgenden Mitarbeiter genannt – ein Fahrzeug.
…
5. Umfang der Benutzung
Für berufliche Fahrten steht der Wagen dem Mitarbeiter uneingeschränkt zur Verfügung. Privatfahrten sind dem Mitarbeiter bis auf Widerruf gestattet.
Für die Privatnutzung ist als Sachbezug monatlich zu versteuern:
1 % vom Listenpreis des PKW einschließlich MwSt.
Das Fahrzeug darf der Mitarbeiter im Notfall Verwandten 1. Grades überlassen.
Auf berufliche Fahrten darf der Mitarbeiter nur Kunden und Firmenangehörige mitnehmen.
…
9. Widerruf der Überlassung
A… GmbH & Co. kann jederzeit die Überlassung des Fahrzeugs an den Mitarbeiter widerrufen. A… GmbH & Co. ist auch berechtigt, dem Mitarbeiter ein anderes Fahrzeug zuzuweisen. In allen diesen Fällen hat er, wenn er von der Firma hierzu aufgefordert wird, das Fahrzeug sofort zurückzugeben. Ein Zurückbehaltungsrecht an dem Fahrzeug kann er, gleichgültig aus welchen Gründen, nicht geltend machen.
10. Sonstiges
Dieser Vertrag endet spätestens mit Ablauf des zwischen den Parteien abgeschlossenen Dienstvertrages.”
Bis einschließlich September 2004 berücksichtigte die Beklagte bei der monatlichen Vergütungsabrechnung für den Kläger einen Betrag von 422,84 Euro als geldwerten steuerpflichtigen Vorteil für die Benutzung des Dienstwagens.
Mit Schreiben vom 28. September 2004 kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2004. Am 1. Oktober 2004 forderte die Beklagte den Kläger schriftlich zur Herausgabe des Dienstwagens bis spätestens 4. Oktober 2004, 12.00 Uhr auf und stellte ihn gleichzeitig bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung frei. In dem Schreiben vom 1. Oktober 2004 heißt es weiter:
“Hinsichtlich Ihres Dienstfahrzeuges verweisen wir auf Ziffer 5 des Dienstwagenvertrages vom 14.08.2001. Danach steht Ihnen das Fahrzeug grundsätzlich nur für berufliche Fahrten zur Verfügung. Aufgrund der ausgesprochenen Freistellung von der Arbeitsleistung entfallen berufliche Fahrten. Privatfahrten sind Ihnen danach nur bis auf Widerruf gestattet.
Wir widerrufen hiermit die Nutzung des Firmenfahrzeuges für private Zwecke.”
Der Kläger kam der Aufforderung zur Herausgabe des Dienstfahrzeuges nach.
Er ist der Ansicht, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, ihm das Recht zur privaten Nutzung des Firmenwagens während der Freistellung von der Arbeitsleistung zu entziehen. Ihm stehe daher ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung in Höhe des zu versteuernden geldwerten Vorteils von insgesamt 1.268,52 Euro (3 Monate × 422,84 Euro/Monat) zu.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.268,52 Euro brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus jeweils 422,82 Euro brutto ab dem 1. November 2004, 1. Dezember 2004 sowie 1. Januar 2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie meint, auf Grund der Freistellung des Klägers von der Arbeitspflicht während der Kündigungsfrist sei sie entsprechend den Vereinbarungen im “Dienstwagenvertrag” zum Widerruf der privaten Nutzungsbefugnis des Dienstfahrzeuges berechtigt gewesen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Er hat Anspruch auf die geltend gemachte Nutzungsausfallentschädigung.
I. Das Landesarbeitsgericht hat einen Anspruch des Klägers verneint und dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Bei dem Dienstwagenvertrag handele es sich um einen Vertrag mit vorformulierten Bedingungen, den die Beklagte für mehrere Fälle der Dienstwagengestellung zugrunde gelegt habe. Die in diesem Vertrag enthaltene Klausel, welche die Beklagte zum jederzeitigen Widerruf der Privatnutzung des Firmenwagens berechtigt, sei nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, weil keine Widerrufsgründe im vorformulierten Vertrag enthalten seien. Eine ergänzende Vertragsauslegung führe jedoch dazu, dass die Widerrufsklausel einzuschränken und die Widerrufsmöglichkeit an sachliche Gründe zu binden sei, die für den Kläger zumutbar seien und die er redlicherweise hinzunehmen habe. Da die Beklagte den Kläger nach dessen Eigenkündigung wirksam von der Arbeit freigestellt habe, sei sie berechtigt gewesen, wegen des Wegfalls der dienstlichen Nutzung des Firmenfahrzeuges auch dessen Privatnutzung zu widerrufen.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
II. Die Beklagte war nicht berechtigt, dem Kläger während der Dauer seiner Freistellung die Möglichkeit zu entziehen, das ihm zur Verfügung gestellte Firmenfahrzeug für Privatfahrten zu nutzen. Deshalb steht ihm ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung in der geltend gemachten Höhe von 1.268,52 Euro nebst Zinsen zu.
1. Die Überlassung eines Firmenwagens auch zur privaten Nutzung durch den Arbeitnehmer stellt einen geldwerten Vorteil und einen Sachbezug dar. Sie ist steuer- und abgabenpflichtiger Teil des nach § 611 Abs. 1 letzter Halbsatz BGB geschuldeten Arbeitsentgeltes und damit eine Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers (st. Rspr. vgl. BAG 5. September 2002 – 8 AZR 702/01 – AP BGB § 280 nF Nr. 1 = EzA BGB § 615 Nr. 109 mwN).
Das haben die Parteien auch so gesehen. Folgerichtig haben sie im Dienstvertrag vom 29. März/2. April 1995 die “Stellung eines Firmenwagens” ab dem 1. Mai 1995 unter der Ziff. “II. Bezüge” vereinbart.
2. Die Zurverfügungstellung des Wagens auch für Privatfahrten haben die Parteien unter einen jederzeitigen, unbeschränkten Widerrufsvorbehalt (Ziff. 5 und 9 des Dienstwagenvertrages) gestellt. Diese Bestimmung ist nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.
a) Wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, enthält der hier vorliegende Dienstwagenvertrag vorformulierte Bedingungen, welche die Beklagte mehreren Beschäftigten gestellt hat, denen sie einen Dienstwagen überlassen hat. Von daher handelt es sich bei diesen Bedingungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB.
b) Die §§ 305 ff. BGB finden seit dem 1. Januar 2003 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Die Regelungen zur “Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen” in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001 gelten auch für Arbeitsverträge; bei der Anwendung sind jedoch die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB. Nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ist auf Schuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, das bis zu diesem Zeitpunkt geltende Recht weiter anzuwenden. Dies gilt nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB für Dauerschuldverhältnisse, zu denen auch die Arbeitsverhältnisse zählen, mit der Maßgabe, dass sie vom 1. Januar 2003 an dem neuen Recht unterfallen. Damit hat Art. 229 § 5 EGBGB dem Arbeitgeber eine Schutzfrist zur Umstellung seiner vorformulierten Arbeitsverträge bis zum 31. Dezember 2002 gewährt (vgl. Senat 11. April 2006 – 9 AZR 610/05 – AP BGB § 307 Nr. 16 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 14, auch zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen mwN).
Der im Jahre 2001 geschlossene Dienstwagenvertrag ist Bestandteil der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien. Er konkretisiert die in Ziff. II des Dienstvertrages vereinbarte Stellung eines Firmenwagens und nimmt in seiner Ziff. 10 ausdrücklich auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses Bezug. Damit muss der Dienstwagenvertrag seit dem 1. Januar 2003 einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB standhalten.
c) Die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts ist eine abweichende Regelung iSd. § 307 Abs. 3 BGB. Da es sich bei der Zurverfügungstellung des Firmenwagens auch für Privatfahrten um eine Vergütung in Form einer Sachleistung handelt, wäre ohne diese Regelung die Beklagte nach § 611 Abs. 1 letzter Halbsatz BGB verpflichtet, während des gesamten Bestandes des Arbeitsverhältnisses dem Kläger die Privatnutzung des Fahrzeuges zu ermöglichen. Diese Rechtslage wird durch das vertraglich vereinbarte Widerrufsrecht geändert. Dem Arbeitnehmer soll nur für den Fall des Nichtwiderrufs die Nutzung des Dienstwagens für private Zwecke gestattet sein.
aa) Ob diese ein Widerrufsrecht einräumende Regelung wirksam ist, beurteilt sich nach ihrer Zumutbarkeit, § 308 Nr. 4 BGB. Diese Norm hat als “lex specialis” gegenüber der allgemeinen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB Vorrang. Für die Auslegung des § 308 Nr. 4 BGB sind ergänzend die allgemeinen Wertungen des § 307 BGB heranzuziehen. Ferner sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB auch die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen (BAG 11. Oktober 2006 – 5 AZR 721/05 – NJW 2007, 536; 27. Juli 2005 – 7 AZR 488/04 – AP BGB § 308 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 2; 12. Januar 2005 – 5 AZR 364/04 – BAGE 113, 140). Daraus folgt, dass das in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom Verwender sich vorbehaltene Recht, von der versprochenen Leistung abzuweichen, nur wirksam vereinbart ist, wenn der Vorbehalt nach § 308 Nr. 4 BGB unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders auch dem anderen Vertragsteil zumutbar ist (vgl. BAG 12. Januar 2005 – 5 AZR 364/04 – BAGE 113, 140, 144).
bb) Nach der vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ergangenen Rechtsprechung kann davon ausgegangen werden, dass der Widerruf einer Dienstwagengestellung grundsätzlich dann billigem Ermessen (§ 315 Abs. 3 BGB) entspricht, wenn der Arbeitnehmer berechtigterweise von der Arbeitsleistung freigestellt worden ist (vgl. BAG 17. September 1998 – 8 AZR 791/96 – AuR 1999, 111). Die Berechtigung der Beklagten zur Freistellung des Klägers ist zwischen den Parteien nicht im Streit.
d) Zum Entzug der Nutzung bedurfte es keiner Änderungskündigung; denn durch den Wegfall der privaten Nutzungsmöglichkeit des Firmenwagens ist das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Arbeitsverhältnis nicht grundlegend gestört worden. Eine solche Störung liegt dann nicht vor, wenn weniger als 25 % des regelmäßigen Verdienstes betroffen sind (vgl. BAG 11. Oktober 2006 – 5 AZR 721/05 – NJW 2007, 536; 7. Dezember 2005 – 5 AZR 535/04 – AP TzBfG § 12 Nr. 4 = EzA TzBfG § 12 Nr. 2, auch zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen; 7. August 2002 – 10 AZR 282/01 – AP BGB § 315 Nr. 81 = EzA BGB § 315 Nr. 51 mwN). Wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, stellt im Streitfall der geldwerte Vorteil der Privatnutzung des Firmenwagens nur einen Anteil von etwa 15 % der Gesamtvergütung dar.
e) Dennoch ist die von der Beklagten vorformulierte Widerrufsregelung nicht wirksam. Sie ist zu weitgehend. Ihre inhaltliche Fassung genügt daher nicht den Anforderungen des § 308 Nr. 4 iVm. § 307 BGB.
aa) Für die nach §§ 307 ff. BGB vorzunehmende Inhaltskontrolle ist unerheblich, ob objektiv eine Interessenlage der Beteiligten gegeben ist, wonach im Streitfall Widerrufsgründe in Betracht kommen, die für den Arbeitnehmer nicht unzumutbar sind. Von Bedeutung ist nur, was der Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingung im Text der Vorbehaltsbestimmung zum Ausdruck gebracht hat. Hat – wie hier – der Arbeitgeber eine Vorbehaltsbestimmung verwandt, die ihn aus jedem Anlass zum Widerruf der Privatnutzung des Dienstwagens berechtigt, ist das zu weitgehend. Es bedürfte nämlich keines Sachgrundes, das Recht zur privaten Nutzung jederzeit zu entziehen. Das ist eine den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligende Abweichung von der vereinbarten Vergütungsregelung, die auch unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders unzumutbar ist. Der Verwender könnte nämlich die Bestimmung über den Widerrufsvorbehalt auf die Fälle beschränken, in denen ein anzuerkennender Sachgrund daran besteht, die Privatnutzung einzustellen.
bb) Unter der Geltung des alten Rechts wurde bei weit gefassten Vertragsklauseln nach § 242 BGB oder § 315 Abs. 3 BGB jeweils geprüft, ob sich der Arbeitgeber im konkreten Einzelfall Treu und Glauben oder billigem Ermessen entsprechend verhalten hat. Hierfür bleibt bei der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB kein Raum. Im Gegensatz zur alten, am konkreten Einzelfall ausgerichteten Rechtsprechung beruht nunmehr die zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gehörende Inhaltskontrolle auf einer typisierenden Betrachtung einer Klausel, die ohne Rücksicht auf individuelle Besonderheiten der Vertragsparteien und des konkreten Einzelfalles vorzunehmen ist (vgl. Senat 11. April 2006 – 9 AZR 610/05 – AP BGB § 307 Nr. 16 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 14, auch zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen).
cc) Im Übrigen ist die Klausel entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht aus formalen Gründen unwirksam. Eine Widerrufsklausel ist schon aus Gründen des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB so zu fassen, dass der Arbeitnehmer weiß, in welchen Fällen er mit der Ausübung des Widerrufs rechnen muss. Diesem Gesichtspunkt kommt in der betrieblichen Praxis besonderes Gewicht zu, weil der Arbeitnehmer zum einen die Möglichkeit haben muss, sich auf einen drohenden Widerruf rechtzeitig einzustellen (zB durch den Erwerb eines eigenen Kraftfahrzeuges) und ihm zum anderen die Gelegenheit gegeben sein muss, den Eintritt der Voraussetzungen für das vorbehaltene Widerrufsrecht zu verhindern. Diesem Transparenzgebot wird hier der vom Verwender formulierte Änderungsvorbehalt gerecht; denn er hat ausdrücklich klargestellt, dass der Arbeitnehmer jederzeit und ohne bestimmten Anlass mit dem Entzug der Privatnutzung rechnen muss. Das beinhaltet jedoch eine – wie oben dargestellt – unangemessene Benachteiligung, die nach § 308 Nr. 4 BGB auch unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den Arbeitnehmer unzumutbar und daher unwirksam ist.
f) Der von der Beklagten verwandte unwirksame Änderungsvorbehalt ist nicht mit dem Inhalt aufrechtzuerhalten, dass die Beklagte dann zum Widerruf berechtigt ist, wenn der Kläger auf Grund einer berechtigten Freistellung von der Arbeitspflicht während der Kündigungsfrist der Zurverfügungstellung eines Firmenwagens nicht mehr bedarf. Eine geltungserhaltende Reduktion der zu weit gefassten Widerrufsklausel scheidet aus.
Unwirksame Klauseln sind grundsätzlich nicht auf einen mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu vereinbarenden Regelungsgehalt zurückzuführen. § 306 BGB sieht eine solche Rechtsfolge nicht vor. Eine Aufrechterhaltung mit eingeschränktem Inhalt wäre auch nicht mit dem Zweck der §§ 305 ff. BGB vereinbar. Es ist Ziel des Gesetzes, auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzuwirken. Dem Vertragspartner des Verwenders soll die Möglichkeit sachgerechter Information über die ihm aus dem vorformulierten Vertrag erwachsenen Rechte und Pflichten verschafft werden. Dieses Ziel ließe sich nicht erreichen, wenn jeder Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zunächst die Grenze dessen überschreiten könnte, was er zu seinen Gunsten in gerade noch vertretbarer Weise vereinbaren durfte. Würde dies als zulässig angesehen, hätte das zur Folge, dass der Vertragspartner des Verwenders in der Vertragsabwicklungspraxis mit überzogenen Klauseln konfrontiert würde. Erst in einem Prozess könnte er dann den Umfang seiner Rechte und Pflichten zuverlässig erfahren. Wer die Möglichkeit nutzen kann, die ihm der Grundsatz der Vertragsfreiheit für die Aufstellung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen eröffnet, muss auch das vollständige Risiko der Unwirksamkeit einer Klausel tragen. Anderenfalls liefe das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB weitgehend leer (Senat 11. April 2006 – 9 AZR 610/05 – AP BGB § 307 Nr. 16 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 14, auch zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen mwN).
g) Die Widerrufsklausel entfaltet auch keine teilweise Wirksamkeit.
Eine Teilung von Vertragsklauseln in einen zulässigen und in einen unzulässigen Teil kommt nur in Betracht, wenn der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. In einem solchen Falle wird nicht im Wege der Auslegung eine zu weitgehende Klausel so neu gefasst, dass sie für den Verwender möglichst günstig, aber rechtlich gerade noch zulässig ist. Vielmehr wird eine sprachlich und inhaltlich teilbare Klausel vorausgesetzt, die ohne ihre unzulässigen Bestandteile mit ihrem zulässigen Inhalt aufrechterhalten werden kann. Gegenstand der Inhaltskontrolle sind dann für sich jeweils verschiedene, nur formal verbundene AGB-Bestimmungen. Die Zerlegung einer ihrem Wortlaut nach eindeutig einheitlichen Regelung in mehrere selbständige Regelungen ist nicht zulässig (Senat 11. April 2006 – 9 AZR 610/05 – aaO). In diesem Sinne ist die streitige Widerrufsklausel nicht teilbar. Sie enthält keine verschiedenen, nur äußerlich zusammengefassten Regelungen. Vielmehr beinhaltet sie inhaltlich und sprachlich das unbeschränkte Recht für die Beklagte, dem Kläger jederzeit und ohne Grund die Nutzung des Dienstwagens zu entziehen.
h) Gesetzliche Vorschriften, die nach § 306 Abs. 2 BGB anstelle der unwirksamen Widerrufsklausel zur Anwendung kommen und ein Widerrufsrecht der Beklagten begründen könnten, bestehen nicht.
i) Schließlich scheidet auch eine ergänzende Vertragsauslegung aus.
Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt voraus, dass der Regelungsplan der Parteien infolge der durch die Unwirksamkeit einer Vertragsklausel entstandenen Lücke einer Vervollständigung bedarf. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel keine angemessene, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung bietet. Allerdings rechtfertigt nicht jede Verschiebung der Gewichte zu Lasten des Verwenders die Annahme einer ergänzungsbedürftigen Lücke (Senat 11. April 2006 – 9 AZR 610/05 – AP BGB § 307 Nr. 16 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 14, auch zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen mwN). Während bei der geltungserhaltenden Reduktion nach der Grenze des am Maßstab der §§ 307 ff. BGB zu beurteilenden “gerade noch Zulässigen” gesucht wird, erstrebt die ergänzende Vertragsauslegung einen beiden Seiten so weit wie möglich gerecht werdenden Ausgleich. Grundsätzlich sind die Gerichte weder zu einer geltungserhaltenden Reduktion unwirksamer Klauseln berechtigt noch dazu, durch ergänzende Vertragsauslegung an die Stelle einer unzulässigen Klausel die zulässige Klauselfassung zu setzen, die der Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen voraussichtlich gewählt haben würde, wenn ihm die Unzulässigkeit der beanstandeten Klausel bekannt gewesen wäre (Senat 11. April 2006 – 9 AZR 610/05 – aaO mwN).
Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nur dann in Frage, wenn sich das Festhalten am Vertrag für den Verwender als unzumutbare Härte iSd. § 306 Abs. 3 BGB darstellen würde oder wenn eine verfassungskonforme, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende Auslegung und Anwendung der unwirksamen Vertragsklausel eine ergänzende Vertragsauslegung deshalb gebieten, weil die §§ 307 ff. BGB hinsichtlich der Anforderungen an wirksame Vertragsformulierungen für Altverträge auf eine echte Rückwirkung hinauslaufen (vgl. BAG 12. Januar 2005 – 5 AZR 364/04 – BAGE 113, 140). Diese Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung liegen nicht vor. Eine ergänzende Auslegung der unwirksamen Widerrufsklausel dahingehend, dass ein Widerruf der Gestellung eines Firmenwagens zur Privatnutzung dann zulässig ist, wenn der Kläger wegen seiner Freistellung das Fahrzeug aus dienstlichen Gründen nicht mehr benötigt, würde der Beklagten das Risiko der unzulässig zu weit gefassten Klausel vollständig nehmen und eine Vertragshilfe allein zu ihren Gunsten darstellen. Die Unwirksamkeit der verwendeten Klausel führt nicht zu einer derart krassen Störung des Gleichgewichts, dass eine ergänzende Vertragsauslegung zu Gunsten der Beklagten geboten wäre. Es hätte an ihr gelegen, sich gegen dieses Risiko durch eine wirksame, einschränkende Fassung der Widerrufsklausel abzusichern. Da in Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB allen Arbeitgebern eine einjährige Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2003 eingeräumt worden war, hätte sie diese Zeit nutzen können, nach anwaltlicher Beratung die im Dienstwagenvertrag enthaltene Widerrufsklausel auf das nach dem AGB-Recht zulässige Maß zurückzuführen.
Durch die Einräumung der Übergangsfrist hat der Gesetzgeber dem Vertrauensschutz der Beklagten in die Wirksamkeit ihrer Vertragsklauseln genügt. Der im Jahre 2001 vereinbarte Dienstwagenvertrag unterlag zunächst nicht der Inhaltskontrolle nach den erst am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Vorschriften der §§ 307 ff. BGB. Wegen der Bereichsausnahme für Verträge auf dem Gebiet des Arbeitsrechts fand auch das AGB-Gesetz auf sie keine Anwendung (§ 23 Abs. 1 AGB-Gesetz in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung).
Lediglich wenn die Beklagte den Versuch unternommen hätte, die nicht mehr den Anforderungen des § 308 Nr. 4 BGB entsprechende Widerrufsklausel der neuen Gesetzeslage anzupassen und im Dienstwagenvertrag die Gründe aufzunehmen, die sie zum Widerruf des Nutzungsrechts am Firmenwagen berechtigen sollten, könnte zu ihren Gunsten eine ergänzende Vertragsauslegung in Frage kommen. Hätte sie dem Kläger ein entsprechendes Vertragsänderungsangebot unterbreitet, durch welches das bislang vereinbarte Widerrufsrecht auf rechtlich zulässige Fallgestaltungen reduziert worden wäre, hätte der Kläger dieses Angebot redlicherweise annehmen müssen (vgl. Senat 11. April 2006 – 9 AZR 610/05 – AP BGB § 307 Nr. 16 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 14, auch zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen). Wenn sich der Kläger zu einer solchen Vertragsanpassung nicht bereit erklärt hätte, wäre es eine unzumutbare Belastung für die Beklagte, wenn zu ihren Lasten von der Unwirksamkeit der Widerrufsklausel ausgegangen würde (so im Ergebnis auch: Bergwitz Anm. zu BAG 12. Januar 2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1). In einem solchen Falle müsste in Ausrichtung am hypothetischen Parteiwillen und am Maßstab der §§ 307 ff. BGB eine lückenausfüllende Ersatzregelung gefunden werden. Dabei könnte als Grundlage zur Ermittlung des Parteiwillens ein von der Beklagten unterbreitetes Angebot zur Vertragsanpassung herangezogen werden. Da aber ein solcher Versuch der Beklagten unterblieben ist, während der einjährigen Übergangsfrist des Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB den Dienstwagenvertrag der neuen Rechtslage sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht anzupassen, verdient ihr Vertrauen in den Fortbestand der im Dienstwagenvertrag vereinbarten unwirksam gewordenen Vertragsklausel keinen Schutz.
3. Der Kläger hat Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für die während der Dauer seiner Freistellung (Oktober bis Dezember 2004) entzogene Möglichkeit der Privatnutzung des Firmenwagens.
a) Der Kläger war während der Dauer der Kündigungsfrist von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung bei Fortzahlung der Vergütung freigestellt. Zur Vergütung zählt als sog. Naturalvergütung auch das Recht zur Privatnutzung des Firmenwagens (vgl. oben II 1). Die Beklagte wäre daher verpflichtet gewesen, dem Kläger nicht nur sein Gehalt weiterzuzahlen, sondern ihm auch die Nutzung des Firmenfahrzeuges zu Privatzwecken weiter zu ermöglichen.
Diese Leistung ist allerdings wegen Zeitablaufes unmöglich geworden, so dass die Beklagte insoweit nach § 275 Abs. 1 BGB von der Leistungspflicht befreit worden ist. Diese Unmöglichkeit beruht auf der Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflicht durch die Beklagte, dem Kläger das Fahrzeug zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen. Der Kläger hat deshalb nach § 280 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 283 Satz 1 BGB Anspruch auf Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens. Auf die Exkulpationsmöglichkeit nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hat sich die Beklagte nicht berufen. Deshalb kann dahinstehen, ob die Exkulpationsmöglichkeit im Streitfalle überhaupt zur Anwendung kommen könnte.
b) Die schadensersatzrechtliche Anspruchsbegründung entspricht der Rechtsprechung des Achten Senats im Urteil vom 27. Mai 1999 (– 8 AZR 415/98 – BAGE 91, 379), der Nutzungsausfallentschädigung als Schadensersatz nach § 249 Satz 1 BGB aF, § 251 Abs. 1 BGB behandelt hat. Soweit im Urteil vom 5. September 2002 (– 8 AZR 702/01 – AP BGB § 280 nF Nr. 1 = EzA BGB § 615 Nr. 109) der Achte Senat die Auffassung vertreten hat, der Anspruch auf Entschädigung für die vorenthaltene Nutzung eines Dienstwagens könne sich aus § 615 BGB ergeben, schließt sich dem der für Naturalvergütung nach B 9.1.12 Geschäftsverteilungsplan 2007 allein zuständige Fachsenat nicht an.
c) Der Höhe nach ist der geltend gemachte Anspruch nicht streitig. Seine Berechnung auf der Grundlage der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) mit monatlich 1 % des Listenpreises des Kraftfahrzeuges im Zeitpunkt der Erstzulassung ist von der Rechtsprechung als zulässige Berechnungsweise anerkannt (BAG 27. Mai 1999 – 8 AZR 415/98 – BAGE 91, 379).
d) Der geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Düwell, Krasshöfer, Böck, Ott, Brossardt
Fundstellen
Haufe-Index 1744807 |
BB 2007, 1624 |
DB 2007, 1253 |