Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung einer tariflichen Einmalzahlung. übertarifliche Zulage. Tariflohnerhöhung. tarifliche Einmalzahlung. Anrechnung. rückwirkende Verrechnung. AGB-Kontrolle. Transparenzgebot
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber kann eine übertarifliche Zulage mangels anderweitiger Abrede bei Tariflohnerhöhungen – auch rückwirkend – verrechnen. Der damit verbundene Vorbehalt einer nachträglichen Tilgungsbestimmung verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Orientierungssatz
1. Der Einmalbetrag gem. § 2 Nr. 2 und § 3 Nr. 2 LA stellt eine pauschale Tariflohnerhöhung für eine bestimmte Zeit und keine tarifliche Sonderzahlung dar.
2. Der Arbeitgeber durfte individualrechtlich diesen Einmalbetrag rückwirkend auf freiwillige übertarifliche Zulagen anrechnen, die er in den Monaten März bis Mai 2006 geleistet hatte.
3. Daran ändert § 6 Nr. 1 LA nichts, der den Betriebspartnern abweichende Vereinbarungen hinsichtlich des Einmalbetrags gestattet.
4. Die Auslegung einer übertariflichen Zulage als bei Tariflohnerhöhungen anrechenbarer Lohnbestandteil unterliegt keinen Zweifeln iSv. § 305c Abs. 2 BGB.
5. Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangt nicht, dass die übertarifliche Zulage ausdrücklich als im Falle von Tariflohnerhöhungen anrechenbarer Lohnbestandteil bezeichnet wird. Vielmehr ergibt sich diese Rechtsfolge hinreichend deutlich aus der Vereinbarung einer “übertariflichen Zulage”.
Normenkette
BGB §§ 305c, 307, 310 Abs. 4 S. 2, §§ 315, 362, 366, 611; TVG § 4 Abs. 3; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 23. August 2007 – 11 Sa 334/07 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anrechnung einer tariflichen Einmalzahlung.
Der Kläger ist seit 1985 als Vorarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Aufgrund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit finden auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen Anwendung. Am 22. April 2006 schlossen der Verband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen e.V. und die IG Metall Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen ein Abkommen über die Tariflöhne in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (LA) in dem ua. Folgendes geregelt ist:
Ҥ 2
Monatsgrundlohn – Summarische Arbeitsbewertung
1. Für die Monate März bis Mai 2006 gelten die bisherigen Lohntabellen, gültig ab 1. März 2005, weiter.
2. Die gewerblichen Arbeitnehmer erhalten nach Maßgabe des § 6 für diese drei Monate mit der Abrechnung für Mai 2006 einen Einmalbetrag, der für Vollzeitbeschäftigte 310 Euro beträgt.
3. Mit Wirkung ab 1. Juni 2006 wird der gemeinsame Ecklohn der Monatsgrundlohntabelle von 1.860,67 Euro um 3 % auf 1.916,49 Euro erhöht.
…
§ 3
Monatsgrundlohn – Analytische Arbeitsbewertung
1. Für die Monate März bis Mai 2006 gelten die bisherigen Lohntabellen, gültig ab 1. März 2005, weiter.
2. Die gewerblichen Arbeitnehmer erhalten nach Maßgabe des § 6 für diese drei Monate mit der Abrechnung für Mai 2006 einen Einmalbetrag, der für Vollzeitbeschäftigte 310 Euro beträgt.
3. Mit Wirkung ab 1. Juni 2006 wird der Steigerungsbetrag 1 der tariflichen analytischen Arbeitsbewertung von 25,1911 Euro um 3 % auf 25,9468 Euro erhöht. …
§ 6
Einmalbetrag
1. Die Betriebsparteien können den Einmalbetrag gem. §§ 2 Nr. 2, 3 Nr. 2 bei unterdurchschnittlicher, schlechter Ertragslage zeitlich innerhalb der Laufzeit des Tarifvertrages verschieben oder bis auf Null reduzieren oder bei überdurchschnittlicher, guter Ertragslage bis auf das Doppelte durch freiwillige Betriebsvereinbarung erhöhen.
Vereinbaren die Betriebsparteien keine Abweichung, ist der Einmalbetrag in der tariflich vorgeschriebenen Höhe nach §§ 2 Nr. 2, 3 Nr. 2 auszuzahlen.
Eine Erhöhung des Einmalbetrags kann der Arbeitgeber ausschließen, wenn es im Betrieb eine übertarifliche Regelung über eine Jahresabschlussvergütung, Gratifikationen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen, Weihnachtsgeld oder ähnliche Leistungen gibt.
2. Den Einmalbetrag erhalten gewerbliche Arbeitnehmer in voller Höhe, wenn sie im März, April und Mai 2006 Vollzeitbeschäftigte waren und einen vollen Anspruch auf Lohn, auf Weiterzahlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts oder auf Kurzarbeitergeld hatten.
3. Teilzeitbeschäftigte erhalten den Einmalbetrag nach Maßgabe ihrer für die Monate März, April und Mai 2006 einzelvertraglich vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im Verhältnis zur regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden.
Diese Regelung gilt entsprechend für gewerbliche Arbeitnehmer, deren regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nach dem Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung auf eine Dauer zwischen 30 und unter 35 Stunden festgelegt ist.
4. Soweit für teilzeit- und vollzeitbeschäftigte gewerbliche Arbeitnehmer kein voller Anspruch auf Zahlung des Lohns, auf Weiterzahlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts oder auf Kurzarbeitergeld für die Monate März, April und/oder Mai 2006 bestand, ist der Einmalbetrag zeitanteilig zu kürzen.
5. Gewerbliche Arbeitnehmer, die während der Monate März, April oder Mai 2006 eingetreten bzw. ausgeschieden sind, erhalten den Betrag anteilig entsprechend der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses in diesen Monaten.
6. Mit dem Einmalbetrag sind alle Ansprüche abgegolten, die sich aus der Erhöhung des Tariflohns gemäß § 2 und § 3 für die Monate März bis Mai 2006 ergeben.
7. Sofern die Monate März bis Mai 2006 ab Juni 2006 Referenzzeitraum für Durchschnittsberechnungen aller Art sind, ist statt des Einmalbetrags eine prozentuale Erhöhung von 3,0 % zugrunde zu legen.
…
§ 8
Schlussbestimmungen
1. Dieses Abkommen tritt am 1. März 2006 in Kraft und kann mit einmonatiger Frist zum Monatsende, erstmalig zum 31. März 2007, gekündigt werden.”
Das tarifliche Grundentgelt des Klägers betrug bis einschl. Mai 2006 2.195,59 Euro brutto monatlich. Außerdem rechnete die Beklagte bis einschl. Mai 2006 neben weiteren Zulagen eine freiwillige übertarifliche Zulage iHv. 65,39 Euro brutto monatlich ab. Mit der Entgeltabrechnung für Mai 2006 leistete die Beklagte darüber hinaus eine “tarifliche Pauschale” iHv. 113,83 Euro brutto, nämlich 310,00 Euro – 3 × 65,39 Euro. Sie fügte der Abrechnung ein Schreiben bei, in dem über die Tariflohnerhöhungen informiert wird. Weiter heißt es, “aus wirtschaftlichen Gründen rechnen wir die vorgenannten Tariferhöhungen auf Ihre übertariflichen Verdienstbestandteile vollständig an”. Eine Vereinbarung der Betriebsparteien über den Einmalbetrag gem. § 6 Nr. 1 LA ist nicht zustande gekommen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse die übertarifliche Zulage für die Monate März bis Mai 2006 zusätzlich zu der tariflichen Einmalzahlung leisten. Die Anrechnung sei schon mangels einer entsprechenden Abrede nicht zulässig gewesen. Die Einmalzahlung stelle auch keine pauschalierte Lohnerhöhung dar, sondern habe, wie sich aus den für die Betriebsparteien eröffneten Möglichkeiten ergebe, einen ganz neuen, eigenständigen Charakter.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 196,17 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. Juni 2006 zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Verrechnung mit der freiwilligen übertariflichen Zulage sei zulässig gewesen, weil es sich bei der Einmalzahlung um eine pauschalierte Lohnerhöhung für die Monate März bis Mai 2006 gehandelt habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Senat folgt dem Urteil des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis und im Wesentlichen auch in der Begründung.
I. Der Anspruch auf Zahlung eines Einmalbetrags von 310,00 Euro für die Monate März bis Mai 2006 ist nach § 2 Nr. 2 bzw. § 3 Nr. 2 LA entstanden. Die Vorschriften des LA sind als Inhaltsnormen gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG auf das Arbeitsverhältnis anwendbar, da beide Parteien gem. § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden sind. Gem. § 6 Nr. 2 LA erhalten Beschäftigte die Einmalzahlung in voller Höhe, wenn sie im März, April und Mai 2006 Vollzeitbeschäftigte waren und einen vollen Anspruch auf Entgelt, auf Weiterzahlung des Entgelts oder auf Kurzarbeitergeld hatten. Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen. Eine Betriebsvereinbarung gem. § 6 Nr. 1 Satz 1 LA, nach der die Betriebspartner den Einmalbetrag reduziert oder verschoben haben, besteht nicht.
II. Die Beklagte hat den Anspruch durch Zahlung von 113,83 Euro und im Übrigen durch Verrechnung mit den in den Monaten März bis Mai 2006 geleisteten übertariflichen Zulagen von jeweils 65,39 Euro gem. § 362 Abs. 1 BGB erfüllt. Die Verrechnung war zulässig, weil die übertariflichen Zulagen keine Vergütungsbestandteile darstellen, die die Beklagte in jedem Falle neben dem jeweiligen Tariflohn zahlen muss.
1. Die Verrechnung war einzelvertraglich zulässig.
a) Ob eine Tariflohnerhöhung individualrechtlich auf eine übertarifliche Vergütung angerechnet werden kann, hängt von der zugrunde liegenden Vergütungsabrede ab. Haben die Arbeitsvertragsparteien dazu eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, gilt diese. Anderenfalls ist aus den Umständen zu ermitteln, ob eine Befugnis zur Anrechnung besteht. Die Anrechnung ist grundsätzlich möglich, sofern dem Arbeitnehmer nicht vertraglich ein selbständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist (Senat 1. März 2006 – 5 AZR 540/05 – AP TVG § 4 Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 40 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 47 mwN; BAG 30. Mai 2006 – 1 AZR 111/05 – BAGE 118, 211, 214 f.). Allein in der tatsächlichen Zahlung liegt keine vertragliche Abrede, die Zulage solle auch nach einer Tariflohnerhöhung als selbständiger Lohnbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn gezahlt werden. Das gilt auch, wenn die Zulage über einen längeren Zeitraum vorbehaltlos gezahlt und nicht mit der Tariflohnerhöhung verrechnet worden ist (BAG 31. Oktober 1995 – 1 AZR 276/95 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 80 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 54, zu II 1 der Gründe), denn die Zulage wird gewährt, weil den Arbeitsvertragsparteien der Tariflohn nicht ausreichend erscheint. Eine neben dem Tarifentgelt gewährte übertarifliche Zulage greift in diesem Sinne künftigen Tariflohnerhöhungen vor. Für den Arbeitgeber ist regelmäßig nicht absehbar, ob er bei künftigen Tariflohnerhöhungen weiter in der Lage sein wird, eine bisher gewährte Zulage in unveränderter Höhe fortzuzahlen. Dies ist für den Arbeitnehmer erkennbar und Grundlage einer sog. freiwilligen übertariflichen Zulage. Erhöht sich die tarifliche Vergütung, entspricht die Zulässigkeit der Anrechnung regelmäßig dem Parteiwillen, weil sich die Gesamtvergütung nicht verringert (BAG 21. Januar 2003 – 1 AZR 125/02 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 118 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 41; 14. August 2001 – 1 AZR 744/00 – AP BetrVG 1972 § 77 Regelungsabrede Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 88 Nr. 1, zu I 1 der Gründe).
Der Arbeitsvertrag des Klägers vom 9. April 1985 verhält sich über die streitgegenständliche Zulage nicht. Die Zulage ist erst nachträglich zugesagt worden. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu festgestellt, die Parteien hätten damit weder einen besonderen Leistungszweck verfolgt, noch vereinbart, die Zulage solle einer Anrechnung bei Tariflohnerhöhungen nicht zugänglich sein. An diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden (§ 559 Abs. 2 ZPO), Rechtsfehler sind nicht erkennbar. Die Revisionsbegründung räumt ausdrücklich ein, dass die übertarifliche Zulage nicht als selbständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist. Damit gilt grundsätzlich Anrechenbarkeit.
b) Die Einmalzahlung von 310,00 Euro gem. § 2 Nr. 2, § 3 Nr. 2 LA stellt eine pauschale Tariflohnerhöhung für die Monate März bis Mai 2006 dar. Das hat das Landesarbeitsgericht aus den maßgeblichen Tarifvorschriften zutreffend hergeleitet.
aa) Unter einer Tariflohnerhöhung ist die Erhöhung des regelmäßigen Entgeltbetrags zu verstehen. Bei einem Stundenlohn liegt sie in der Erhöhung des je Arbeitsstunde zu zahlenden Entgeltbetrags, bei einem Monatslohn in der Erhöhung des monatlich zu zahlenden Entgeltbetrags. Eine Tariflohnerhöhung setzt aber nicht die “tabellenwirksame” Erhöhung des Tariflohns voraus. Der Begriff “Einmalzahlung” ist sowohl als Ausdruck für eine pauschale Lohnerhöhung als auch zur Kennzeichnung einer von der konkreten Gegenleistung unabhängigen Sonderzahlung gebräuchlich. Welche Art der Vergütung vorliegt, muss durch Auslegung des Tarifvertrags ermittelt werden (Senat 1. März 2006 – 5 AZR 540/05 – Rn. 17, AP TVG § 4 Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 40 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 47 mwN; BAG 16. April 2002 – 1 AZR 363/01 – AP TVG § 4 Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 38 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 39, zu II 3 der Gründe). Die Einmalzahlung kann als Gegenleistung pauschal, eventuell nachträglich, für mehrere Lohnzahlungsperioden vorgesehen sein und wird dadurch nicht zur Sonderzahlung.
bb) § 2 Nr. 2 und § 3 Nr. 2 LA gewähren unter der Überschrift “Monatsgrundlohn” zusätzlich zum bisherigen Tariflohn einen Geldbetrag für einen Zeitraum von drei Monaten, ohne einen besonderen Zweck damit zu verbinden. Es handelt sich um die Übergangszeit bis zum Wirksamwerden der dreiprozentigen Lohnerhöhung ab dem 1. Juni 2006 gem. § 2 Nr. 3 und § 3 Nr. 3 LA. Der Pauschalbetrag tritt damit ab dem Inkrafttreten des LA (§ 8 Nr. 1) an die Stelle einer prozentualen Lohnerhöhung, § 2 Nr. 1, § 3 Nr. 1 LA. § 6 Nr. 6 LA bestimmt ausdrücklich, dass es um die Erhöhung des Tariflohns geht. § 6 Nr. 7 LA nimmt für bestimmte Fälle (Durchschnittsberechnungen) wieder Abstand von der Pauschalierung und legt stattdessen die dreiprozentige Lohnerhöhung zugrunde. Die strikt zeitanteilige Zahlung gem. § 6 Nr. 2 bis 5 LA spricht darüber hinaus für eine zusätzliche Vergütung der geleisteten Arbeit ohne besondere Zweckbindung.
cc) Der Kläger wendet sich gegen das Verständnis einer pauschalen Lohnerhöhung unter Hinweis auf § 6 Nr. 1 LA. Die Zahlung habe, wie sich aus den für die Betriebsparteien eröffneten Möglichkeiten ergebe, einen ganz neuen, eigenständigen Charakter. Dieser Vortrag ist nicht schlüssig. Auch wenn Zeitpunkt und Höhe der Zahlung den Betriebsparteien überantwortet werden und diese sogar über das Ob der Zahlung entscheiden können, ändert das nichts an dem pauschalen Vergütungscharakter für den genannten Zeitraum anstelle einer prozentualen Lohnerhöhung. Die pauschale Vergütungserhöhung wird allerdings in einem bestimmten Rahmen den Betriebsparteien überantwortet. Daraus lässt sich für die Frage einer Anrechnung aber nichts herleiten. Der Pauschalbetrag bleibt bei Verschiebung und Reduzierung Tariflohn. Demgegenüber bezieht sich die Anrechnung auf eine allein im Arbeitsvertrag vorgesehene übertarifliche Zulage. Beide Regelungsebenen stehen selbständig nebeneinander. Die Festlegung von Höhe und Zeitpunkt des Einmalbetrags macht unabhängig von einer übertariflichen Vergütung Sinn, weil auf den Tariflohn § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG Anwendung finden und die normativen Regelungen unabhängig von dem jeweiligen Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge gelten. Die Anrechnung bleibt ohne Rücksicht auf Höhe und Zeitpunkt des Einmalbetrags eine sinnvolle Option im Rahmen der einzelvertraglichen Möglichkeiten des Arbeitgebers. Das LA regelt in Bezug auf eine Anrechnung nichts. Insbesondere bestätigt § 6 Nr. 1 Satz 2 LA nur den Anspruch auf die Einmalzahlung. Wenn § 6 Nr. 1 Satz 1 LA eine Erhöhung des Einmalbetrags durch freiwillige Betriebsvereinbarung erlaubt, schließt auch das die Anrechnung weder rechtlich noch faktisch aus. Dem Arbeitgeber obliegt in jedem Fall die Entscheidung über eine Anrechnung auf einzelvertraglicher Ebene.
c) Die Beklagte war nicht gehindert, die tarifliche Einmalzahlung rückwirkend auf die übertariflichen Zulagen der Monate März und April 2006 anzurechnen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitgeber regelmäßig eine nachträglich für bestimmte Monate vereinbarte Tariflohnerhöhung auf die in diesen Monaten bereits geleisteten übertariflichen Zulagen durch ausdrückliche oder konkludente Erklärung anrechnen und so die Erfüllung des noch offenen Anspruchs aus der Tariflohnerhöhung durch die bereits geleisteten Zahlungen bewirken. Die Tilgungsbestimmung nach § 366 Abs. 1 BGB kann durch eine, auch stillschweigend mögliche, Vereinbarung der Parteien offen gehalten und dem Schuldner vorbehalten werden. Hiervon ist bei dem mit einer freiwilligen übertariflichen Zulage verbundenen Anrechnungsvorbehalt jedenfalls insoweit auszugehen, wie eine Tariflohnerhöhung sich auf einen bestimmten in der Vergangenheit liegenden Zeitraum bezieht. Erfolgt die Anrechnung, tritt der erhöhte Tariflohn zum gewährten Entgelt nur so weit hinzu, wie er dieses übersteigt, dh., der übertarifliche Lohnbestandteil verringert sich um den Betrag der Tariflohnerhöhung. Bei rückwirkenden Tariflohnerhöhungen stellt sich damit erst nachträglich heraus, dass ein als übertariflich angesehener Bestandteil des Lohns in Wahrheit Tariflohn war. Hierin erschöpft sich die Bedeutung der Tariflohnerhöhung. Rechtsgrund der geleisteten Zahlungen bleibt die vertragliche Lohnvereinbarung (Senat 1. März 2006 – 5 AZR 540/05 – AP TVG § 4 Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 40 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 47 mwN; BAG 3. Juni 2003 – 1 AZR 314/02 – BuW 2004, 260 f.; 21. Januar 2003 – 1 AZR 125/02 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 118 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 41).
d) Das Landesarbeitsgericht hat nicht ausdrücklich geprüft, ob der Anrechnungsvorbehalt eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB darstellt. Es hat aber im Anschluss an die Senatsrechtsprechung den Anrechnungsvorbehalt nach dem Maßstab des § 307 BGB gebilligt. Hieran ist festzuhalten.
aa) Auch eine mündliche oder durch betriebliche Übung begründete Vertragsbedingung, die der Arbeitgeber für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen verwendet, ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung.
bb) Die Auslegung einer übertariflichen Zulage als im Falle von Tariflohnerhöhungen ohne weiteres anrechenbarer Lohnbestandteil entsprechend den oben zu a) angeführten Auslegungsgesichtspunkten unterliegt keinen Zweifeln iSv. § 305c Abs. 2 BGB. Wird weder ein besonderer Leistungszweck noch ein Ausschluss der Anrechenbarkeit vereinbart, muss der durchschnittlich verständige Arbeitnehmer davon ausgehen, dass er auch nach einer Tariflohnerhöhung nur den insgesamt vereinbarten Lohn verlangen kann, sofern dieser weiterhin mindestens dem Tariflohn entspricht. Dieser Vertragsinhalt ist nicht ungewöhnlich (§ 305c Abs. 1 BGB). Vielmehr muss der Arbeitnehmer mit einer Anrechnung ohne weitere Begründung durch den Arbeitgeber rechnen.
cc) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nicht verletzt. Eine Vereinbarung über die Zahlung der übertariflichen Vergütung stellt keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB) dar, sondern regelt unmittelbar das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Eine Bruttolohnabrede ist gem. § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB nur am Maßstab des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu überprüfen (Senat 1. März 2006 – 5 AZR 363/05 – BAGE 117, 155, 161; 1. März 2006 – 5 AZR 540/05 – AP TVG § 4 Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 40 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 47, zu II 1c der Gründe).
dd) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine zur Unwirksamkeit der Klausel führende unangemessene Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) daraus ergeben, dass die Klausel nicht klar und verständlich ist. Die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen müssen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Klausel hat im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners so eindeutig und so verständlich wie möglich darzustellen. Doch darf das Transparenzgebot den Verwender nicht überfordern (Senat 31. August 2005 – 5 AZR 545/04 – BAGE 115, 372, 382 f.). Es soll zugleich der Gefahr vorbeugen, dass der Vertragspartner von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird (Senat 14. März 2007 – 5 AZR 630/06 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 18; BAG 24. Oktober 2007 – 10 AZR 825/06 – AP BGB § 307 Nr. 32 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 26).
Der Senat hat zu der Vereinbarung einer “anrechenbaren betrieblichen Ausgleichszulage” ausgeführt, es sei klar zu erkennen, die Zulage werde nicht ohne Kürzungsmöglichkeit gewährt. Für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer sei erkennbar, dass im Falle einer Erhöhung des tariflich geschuldeten Arbeitsentgelts die Zulage bis zur Höhe der Tarifsteigerung gekürzt werden könne. Anrechnungsvorbehalte seien in arbeitsvertraglichen Vergütungsabreden seit Jahrzehnten gang und gäbe. Sie stellten eine Besonderheit des Arbeitsrechts dar, die gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB angemessen zu berücksichtigen sei (Senat 1. März 2006 – 5 AZR 363/05 – BAGE 117, 155, 161).
Für den Streitfall gilt nichts anderes. Der Anrechnungsvorbehalt ist bereits mit der Vereinbarung einer übertariflichen Vergütung oder Zulage hinreichend klar ersichtlich. Das Transparenzgebot verlangt von dem Verwender nicht, alle gesetzlichen Folgen einer Vereinbarung ausdrücklich zu regeln. Ein verständiger Arbeitnehmer kann nicht annehmen, eine übertarifliche Zulage diene einem besonderen Zweck und sei von der jeweiligen Höhe des Tariflohns unabhängig. Dem durchschnittlichen Arbeitnehmer ist hinreichend klar, dass die Anrechnung gerade bei allgemeinen Tariflohnerhöhungen möglich sein soll. Das ist nicht nur Vertragsinhalt, sondern geradezu der Sinn einer allgemeinen übertariflichen Zulage. Dieser Gesichtspunkt wird nach dem Verständnis des Senats von einer im Schrifttum vertretenen abweichenden Auffassung (vgl. etwa ErfK/Preis 8. Aufl. § 611 BGB Rn. 420, §§ 305 – 310 BGB Rn. 65) nicht hinreichend berücksichtigt. Bei einer Anrechnung verschiebt sich lediglich das Verhältnis von übertariflichen zu tariflichen Entgeltbestandteilen. Ebenso ergibt sich im Falle der Vereinbarung eines festen übertariflichen (Stunden- oder Monats-)Lohns der Anspruch des Arbeitnehmers bei Tariflohnerhöhungen aus § 4 Abs. 3 TVG. Darauf muss nicht eigens hingewiesen werden. Unterschiedliche Ergebnisse in beiden Fallgruppen wären nicht gerechtfertigt und werden vom Arbeitnehmer auch nicht erwartet. Das Fehlen eines ausdrücklichen Hinweises auf den Anrechnungsvorbehalt hält den Arbeitnehmer schließlich nicht von der Wahrnehmung von Rechten ab. Der Arbeitnehmer behält vielmehr seinen Anspruch auf die bisherige Vergütung.
Die Möglichkeit der rückwirkenden Anrechnung hält ebenfalls der AGB-Kontrolle stand. Der stillschweigende Vorbehalt einer nachträglichen Tilgungsbestimmung ist nicht wegen Intransparenz unwirksam. Bei der Zahlung einer nicht zweckgebundenen Zulage zum Tariflohn ist erkennbar, dass der Arbeitgeber sich vorbehält, in erster Linie alle von ihm geschuldeten Tariflohnansprüche zu erfüllen, und zwar gerade auch dann, wenn diese rückwirkend gewährt werden müssen.
e) Die streitige Anrechnung widerspricht nicht billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB). Die vertragliche Vergütung wird unverändert gewährt, der Arbeitgeber nimmt lediglich die Tariflohnerhöhung zum Anlass, ab sofort den höheren Tariflohn zu zahlen. Der Kläger behält seinen tariflichen Anspruch ebenso wie seinen vertraglichen Anspruch. Das Lohnabkommen enthält entgegen der Auffassung der Revision keine Einschränkungen für die Ausübung des Anrechnungsermessens im Einzelfall, sondern allein Maßstäbe für die Veränderung des Einmalbetrags. Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 6. Juni 2006 rechtzeitig über die Anrechnung der Einmalzahlung auf die freiwilligen Zulagen unterrichtet.
2. Die Anrechnung der Einmalzahlung ist nicht wegen der Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats unwirksam. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG besteht bei der Anrechnung auf übertarifliche Zulagen, wenn sich durch die Anrechnung die bisherigen Verteilungsrelationen ändern und innerhalb des vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei vorgegebenen Dotierungsrahmens ein Gestaltungsspielraum verbleibt. Die Anrechnung ist mitbestimmungsfrei, wenn die Tariferhöhung im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen vollständig und gleichmäßig auf die übertarifliche Vergütung sämtlicher Arbeitnehmer angerechnet wird (BAG GS 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – BAGE 69, 134, 164 ff.). Danach war die Anrechnung durch die Beklagte mitbestimmungsfrei. Wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, hat die Beklagte die Erhöhung ohne Ausnahme vollständig und gleichmäßig auf die Zulage angerechnet. § 6 Nr. 1 LA betrifft nur die Höhe des Einmalbetrags und dessen Auszahlungszeitpunkt, nicht die Anrechnung auf übertarifliche Lohnzahlungen. Die Vorschrift begründet kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der vollständigen und gleichmäßigen Anrechnung des Einmalbetrags. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 BetrVG durch Tarifvertrag entsprechend erweitert werden könnte.
III. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Laux, Heel, Rolf Steinmann
Fundstellen
Haufe-Index 2069770 |
BAGE 2010, 319 |
DB 2008, 2766 |