1.1 Balanced Scorecard als Erfolgsweg

Mehrdimensionales Kennzahlen- und Steuerungssystem

Schon lange vor der Entwicklung von Balanced Scorecards (BSC) durch Kaplan und Norton sind aus der Praxis heraus Forderungen nach einer Verknüpfung von formal- und sachzielorientierten Kennzahlen in Kennzahlensystemen gestellt worden[1]. Dabei wurde auch bereits die Erweiterung solcher neuartigen Kennzahlensysteme zu Managementsystemen gezeigt.

Zwischenziele für den Weg zum Erfolg definieren

Ausgangspunkt dabei war die Erkenntnis, dass kausale Beziehungsketten zwischen Sach- und Formalzielen gefunden werden müssen, um einen "Weg zum Erfolg" für ein Unternehmen definieren zu können. Welche "Zwischenziele" wie beispielsweise Kundenzufriedenheit, Lieferzeit oder Mitarbeiterqualifikation müssen realisiert werden, um ein "Oberziel" wie eine bestimmte Eigenkapitalrendite zu erreichen? Dabei sollte man sich auf solche Zwischenziele konzentrieren, die eine herausgehobene Bedeutung für den Unternehmenserfolg haben, in diesem Sinne also "erfolgskritisch" sind.

Damit wird schon an dieser Stelle klar, dass jeder Unternehmer bzw. Manager eigentlich immer und zwangsläufig in dieser beschriebenen Richtung denken und suchen sollte. Auch ohne explizite Benutzung des formalen Instruments "Balanced Scorecard" sucht er seinen "Erfolgsweg", und wohl jeder Manager verfügt dabei über eine mehr oder weniger präzise Vorstellung von diesem Weg. Insofern sollte man annehmen, als Wissenschaftler oder Berater eine hohe Akzeptanz vorzufinden, wenn man die Balanced Scorecard als Lösung für die betriebliche Praxis vorschlägt. Dies entspräche auch dem Trend hin zu einem strategischen Controlling und dort wiederum hin zur Transformation der Strategie in konkrete Aktivitäten, wie dies Horváth[2] sieht.

Begrenzte Akzeptanz der BSC in Deutschland

Allerdings stellt man fest, dass von einem flächendeckenden Einsatz der BSC in Deutschland derzeitig nicht die Rede sein kann; Studien lassen eine Verbreitung zwischen 30 % und 50 % in den Unternehmen vermuten, wobei für den tatsächlichen Prozentsatz die im Fokus stehende Unternehmensgröße eine zentrale Rolle spielt[3]. Probleme der Anwendung hängen mit Anforderungen zusammen, die oft genug dargestellt worden und nicht leicht zu erfüllen sind[4]. Zu den schwierigsten Punkten gehört dabei, die in einem konkreten Unternehmen wirklich wichtigen "Erfolgsfaktoren" und die zugehörigen kausalen Wirkungsbeziehungen zwischen ihnen und dem Oberziel zu identifizieren. Diesem zentralen Aspekt sind die nachfolgenden Ausführungen dieses Beitrags gewidmet.

[1] S. im Einzelnen Link (1982), S. 272.
[2] Vgl. Horváth (2008).
[3] Vgl. Bach (2006), S. 298 ff.; Matlachowsky (2008), S. 45 ff.; Reinecke/Eberharter (2010), S. 444.
[4] Vgl. Horváth & Partners (2007), S. 48, 54, 57; Weber/Radtke/Schäffer (2006), S. 18, 52 ff.; Link/Weiser (2011), S. 63 f.; Matlachowsky (2008), S. 204, 213.

1.2 Erfolgsfaktorenforschung und Kontextabhängigkeit von Erfolgsfaktoren

Kontext­abhängigkeit von Entscheidungen

Die Wissenschaft – in Gestalt der Betriebswirtschaftslehre (BWL) – hat sich von Anfang an mit der Frage von "Erfolgswegen" bzw. "Erfolgsfaktoren" beschäftigt. Unzählige Veröffentlichungen sollen Erkenntnisse darüber vermitteln, wie man ein Unternehmen erfolgreich führt. Präzisen Aussagen stehen allerdings große Schwierigkeiten gegenüber[1]. Selbst bei einer exakten und kontinuierlichen Messung ökonomischer Erfolgsgrößen wie Gewinn und Rentabilität im Zeitablauf, ist es nach heutigem Stand der Wissenschaft nicht möglich, die einzelnen Zielerreichungsbeiträge bestimmter Führungssysteme, Führungspersonen und Führungshandlungen exakt zu isolieren.

Dies scheitert insbesondere daran, dass jede Entscheidung in ihrer Zielwirkung kontextabhängig ist, d. h. bei einem anderen Kontext (Kunden- und Konkurrenzverhalten, Rechtsnormen, Konjunktur usw.) zu abweichenden Zielerreichungsbeiträgen führt. Welcher Teil der Zielwirkung ist dann dem konkret gegebenen Kontext, welcher Teil der einzelnen Entscheidung zuzurechnen? Es kommt hinzu, dass sich fortlaufend Änderungen zahlreicher Kontextvariablen und Führungskomplexe im Zeitablauf überlagern, sodass sowohl zwischen den Kontextvari­ablen als auch zwischen den Führungsbereichen komplexe Wechselbeziehungen zu berücksichtigen sind.

Untersuchungen zu Erfolgsfaktoren

Dennoch sind immer wieder Versuche unternommen worden, zu präzisen Aussagen über Erfolgsfaktoren zu kommen[2]: Anfang der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts führte die General Electric Co. zusammen mit der Harvard Business School ein Projekt durch, mit dem festgestellt werden sollte, auf welchen Faktoren der Erfolg von Unternehmen beruhte. Ziel war es, mit einigen wenigen Kennzahlen nicht nur die operative, sondern insbesondere die strategische Steuerung des Unternehmens zu verbessern. Um die Ergebnisse auf eine breitere Basis zu stellen, wurde das Projekt 1972 für andere Unternehmen geöffnet. Die Datenbank umfasste letztendlich mehr als 450 Unternehmen, unterteilt in über 3.000 strategische Geschäftseinheiten.

ROI als Kennzahl zur Erfolgsmessung

Die breit angelegte empirische...

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