Leitsatz

Die kontoführende Bank haftet mangels Vereinnahmung nicht nach § 13c UStG, solange die Kreditlinie des Kontokorrentkontos des Steuerschuldners eingehalten wird.

 

Normenkette

§ 13c, § 13 Abs. 1 UStG, Art. 205, Art. 205 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Bank, bei der die A-GmbH ihr Geschäftskonto eingerichtet hatte. Die Klägerin hatte der A-GmbH auf dem Kontokorrentkonto eine Kreditlinie i.H.v. X EUR eingeräumt. Die A-GmbH trat zur Sicherung der Ansprüche der Klägerin ihre Forderungen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen gegen sämtliche Drittschuldner an die Klägerin ab.

Die Klägerin kündigte zum 31.8.2011 wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten der A-GmbH den Kreditvertrag. Das Kontokorrentkonto der A-GmbH hatte sich zuvor im Soll befunden, die vereinbarte Kreditlinie wurde aber nicht überschritten. Für die Zeit nach der Kündigung des Kreditvertrags richtete die Klägerin ein Abwicklungskonto ein. Auf dem ursprünglichen Geschäftskonto der A-GmbH gingen keine Beträge mehr ein.

Später im Jahr 2011 wurden das vorläufige Insolvenzverfahren und das Insolvenzverfahren über das ­Vermögen der A-GmbH angeordnet. Die Zahlungseingänge auf dem bei der Klägerin geführten Geschäftskonto der A-GmbH vor dem 31.8.2011 hat der Insolvenzverwalter aufgrund der Globalzession nicht angefochten.

2012 reichte der Insolvenzverwalter für den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vom 1.1. bis 30.11.2011) die USt-Jahreserklärung ein. Die darin errechnete, nicht abgeführte USt meldete das FA zur Insolvenztabelle an.

2021 wurde die in Z-GmbH umbenannte A-GmbH wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.

Bei einer Außenprüfung stellte das FA fest, dass vom 1.6. bis zum 31.8.2011 in erheblichem Umfang auf dem Geschäftskonto der A-GmbH (Brutto-)Zahlungen eingegangen sind, mit denen Forderungen der A-GmbH aus Lieferungen und sonstigen Leistungen beglichen worden sind. Die Klägerin als Abtretungsempfängerin habe über die eingegangenen Geldbeträge und die darin enthaltene USt aufgrund der Globalzession verfügen können. Die USt für Juli und August 2011 seien nicht mehr entrichtet worden. Das FA erließ daraufhin einen Haftungsbescheid, mit dem es die Klägerin gemäß § 13c UStG für die USt der A-GmbH für Juli und August 2011 in Haftung nahm.

Einspruch und Klage hatten, soweit sich die Klägerin gegen ihre Haftung dem Grunde nach wandte, keinen Erfolg. Das FG (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 8.7.2021, Haufe-Index 15137286, 2 K 483/14) vertrat die Auffassung, dass der angefochtene Haftungsbescheid rechtmäßig sei. Eine fortlaufende Verrechnung von Zahlungseingängen auf einem durchgehend im Debet befindlichen Kontokorrentkonto reiche für eine Vereinnahmung aus, obwohl die Bank weitere Verfügungen auf dem debitorischen Konto im Rahmen einer vereinbarten oder auch nur geduldeten Überziehung zugelassen habe. Die Bank gewähre wegen der fortlaufenden Verrechnung mit jeder Verfügung des Kunden einen neuen Kredit, dem eine Vereinnahmung zuvor eingegangener Zahlungen durch die Bank vorausgehe.

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies den Rechtsstreit an das FG zurück.

 

Hinweis

Mit § 13c UStG hat der Gesetzgeber eine Haftung des Abtretungsempfängers (Zessionars) für die von ihm vereinnahmte USt vorgesehen, um zu verhindern, dass die vom Kunden an den abtretenden Unternehmer (Zedenten) gezahlte USt z.B. bei Eintritt des Sicherungsfalls oder bei Insolvenz nicht dem Fiskus, sondern dem Zessionar zugutekommt.

1. Das Besprechungsurteil stellt klar, dass allein der Umstand, dass sich ein Bankkonto "im Minus" befindet, nicht dazu führt, dass die kreditgewährende Bank mit jeder Gutschrift auf dem Bankkonto eine ggf. in dem gutgeschriebenen Betrag enthaltene USt vereinnahmt. Hat die Bank z.B. einen Dispositionskredit gewährt, diesen noch nicht gekündigt und führt sie die Überweisungen des Bankkunden aus, liegt noch keine Vereinnahmung der Bank vor. Der gutgeschriebene Betrag wird (zunächst) nur vom Bankkunden und nicht (auch) von der Bank vereinnahmt. Der Auffassung des FA und des FG, die das anders beurteilt hatten, ist der BFH nicht gefolgt.

2. Die Situation ändert sich jedoch, wenn die Bank den Kredit kündigt (z.B. das Konto "sperrt" und keine Überweisungen des Bankkunden mehr vornimmt). Mit der Kündigung des Kredits vereinnahmt die Bank die bisher noch nicht vereinnahmten Beträge, wenn sie sie nicht an den Kunden zurückgezahlt (oder weisungsgemäß an einen Dritten gezahlt) hat.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 29.11.2022 – XI R 2/22

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