Prof. Dr. rer. pol. Claudia Rademacher-Gottwald
Leitsatz
Die für Sachbezüge geltende Steuerbefreiung des § 8 Abs. 2 EStG kann auch für Barleistungen des Arbeitgebers in Anspruch genommen werden, wenn die Barleistungen unmittelbar mit dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen zusammenhängen und die Arbeitnehmer nicht selbst über die Geldbeträge verfügen können, sondern nur verbilligte Waren oder Dienstleistungen erhalten (mittelbare Zuwendung von verbilligten Sachleistungen). Dass die Sachleistungen nicht durch den Arbeitgeber, sondern durch eine dritte Person erbracht werden, hat für die Gewährung der Steuerbefreiung keine Bedeutung.
Sachverhalt
Zu entscheiden war die Frage, ob Barleistungen der Klägerin an Sport- oder Fitnessclubs zur Minderung der Vereinsbeiträge ihrer Arbeitnehmer in Höhe von maximal 50 DM pro Monat und Person als steuerfreie Sachbezüge anzuerkennen sind. Die Klägerin gewährte ihren Arbeitnehmern die Barzuschüsse zu den Vereinsbeiträgen unter der Voraussetzung, dass sich mindestens drei Mitarbeiter in einem Verein oder Club gemeinsam anmeldeten. Die gemeinsame Ausübung des Sports war jedoch nicht erforderlich. Die Klägerin behandelte die monatlichen Barzuschüsse als steuerfreie Sachbezüge. Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung wurde die Steuerbefreiung vom Lohnsteueraußenprüfer jedoch nicht anerkannt. Das Finanzamt behandelte die Barzuschüsse als steuerpflichtigen Arbeitslohn und setzte die darauf entfallenden Steuern mit Nachforderungsbescheid fest. Das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren hatte für die Klägerin keinen Erfolg, so dass sie gegen die Einspruchsentscheidung Klage erhob.
Entscheidung
Das FG gab der Klage statt und erkannte die Barleistungen der Klägerin als steuerfreie Sachbezüge der Arbeitnehmer an. Mit dieser Entscheidung weicht das FG von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ab, wonach Barzahlungen an Arbeitnehmer weder Aufmerksamkeiten noch steuerfreie Sachbezüge sind, sondern stets steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen. Zur Begründung seiner Entscheidung verweist das FG auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur schenkungsteuerlichen Bewertung von Geldschenkungen, bei denen die ?eschenkten verpflichtet sind, bestimmte Grundstücke zu erwerben (mittelbare Grundstücksschenkung). Die zum Schenkungsteuerrecht ergangenen Entscheidungen werden analog auf den Streitfall angewendet. Nach Auffassung des FG ist die Zahlung der Zuschüsse der Klägerin zu den Vereinsbeiträgen der Arbeitnehmer als mittelbare Zuwendung einer verbilligten Dienstleistung zu qualifizieren, so dass die Steuerbefreiung für Sachbezüge zu gewähren ist.
Hinweis
Das Finanzamt hat gegen die Entscheidung des FG Revision eingelegt (BFH VI R 51/03). Fraglich ist, ob der BFH die Entscheidung bestätigt, denn die Anwendung öffnet der Praxis einen großen Gestaltungsspielraum, der dazu führen kann, dass fast alle Arbeitnehmer in den Genuss von mittelbaren Zuwendungen von verbilligten Waren und Dienstleistungen kommen und damit die Steuerbefreiung des § 8 Abs. 2 EStG beanspruchen können. Dieses führt im Ergebnis dazu, dass sich der Fiskus an den privaten Lebenshaltungskosten der Arbeitnehmer beteiligt. Schließlich steht die Entscheidung des FG im Widerspruch zu dem erst kürzlich veröffentlichen Erlass des FinMin NRW zur lohnsteuerlichen Behandlung von Warengutscheinen (FinMin Nordrhein-Westfalen, Erlass v. 20.12.2002, S 2334-13-V B 3).
Link zur Entscheidung
FG Hamburg, Urteil vom 11.07.2003, II 90/02