Leitsatz
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Regelungen zur Bauabzugsteuer in den §§ 48ff. EStG mit der Dienstleistungsfreiheit nach dem EG-Vertrag vereinbar sind.
Sachverhalt
Ein Unternehmen beantragt die Aussetzung der Vollziehung eines Haftungsbescheids, der wegen Nichteinbehaltung von Bauabzugsteuer ergangen ist. Das Finanzamt stützt den Bescheid darauf, für zwei Perioden habe keine, für eine dritte Periode eine gefälschte Freistellungsbescheinigung vorgelegen. Der AdV-Antrag wird damit begründet, dass die gefälschte Freistellungsbescheinigung nicht als solche zu erkennen gewesen sei und die Regelungen zur Bauabzugsteuer in den §§ 48ff. EStG gegen EU-Recht verstoßen. Während des Verfahrens gewährte das Finanzamt AdV für den Haftungsbetrag für die Periode, für die eine gefälschte Bescheinigung vorlag.
Entscheidung
Das FG gab dem Antrag statt, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen. Hierfür genügt es, dass der Antrag nicht von vornherein ohne Aussicht auf Erfolg ist. Nach Auffassung des FG ist es nicht erforderlich, dass die Wahrscheinlichkeit des Obsiegens und die des Unterliegens des Antragstellers gleich groß sein müssen. Die Aussetzung der Vollziehung wird ohne Sicherheitsleistung gewährt, da das Finanzamt ebenso verfahren ist. Nach Ansicht des FG besteht eine ausreichende Wahrscheinlichkeit, dass die §§ 48ff. EStG eine nach Art. 49 und Art. 50 EG-Vertrag verbotene Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen, da sie Auftraggeber davon abhalten könnten, in anderen EU-Staaten ansässige Dienstleister in Anspruch zu nehmen. Dabei folgt der Senat der Rechtsprechung des BFH zum insoweit vergleichbaren § 50a EStG, hegt aber größere Bedenken hinsichtlich der Konformität mit dem EU-Recht als der BFH, weil die Effizienz der europäischen Beitreibungsregelungen unverändert mangelhaft ist und deshalb nicht mehr zu Gunsten der Mitgliedstaaten wirken kann.
Hinweis
Da die Bauabzugsteuer unabhängig davon einzubehalten ist, ob der Dienstleister im In- oder Ausland ansässig ist, erscheint es fraglich, ob die §§ 48ff. EStG tatsächlich gegen EU-Recht verstoßen. Damit ist der Fall anders gelagert als bei der belgischen Bauabzugsteuer, die nur im Verhältnis zu nicht in Belgien nicht registrierten Dienstleistern einzubehalten und daher EU-rechtswidrig ist (vgl. EuGH, Urteil v. 9.12.2006, C-433/04). Vor diesem Hintergrund ist Auftraggebern zu empfehlen, bei der Vergabe von "Bauaufträgen" auf der Vorlage einer Freistellungsbescheinigung zu bestehen. Dabei sollten sie die Bescheinigung insbesondere darauf prüfen, ob sie mit einem Dienstsiegel versehen ist und eine Sicherheitsnummer trägt.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.07.2008, 13 V 9389/07