Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Den Leistungen im Baugewerbe liegen in aller Regel Werkverträge nach § 631 BGB und Werklieferungsverträge nach § 650 BGB vor, ergänzend dazu sind die Vorschriften über Bauverträge nach § 650a ff. BGB zu beachten. Umsatzsteuerlich kann der Bauunternehmer im Rahmen seines Unternehmens eine
- Werklieferung oder
- Werkleistung
ausführen. Die Unterscheidung ist insbesondere für die Prüfung des Orts der Leistung von Bedeutung. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob der leistende Unternehmer bei der Ausführung der Leistung nur Nebensachen oder Zutaten verwendet oder ob er auch Hauptstoffe mit verwendet. Darüber hinaus ist zu beachten, dass sich Besonderheiten ergeben, wenn die Bauleistung im Ausland erbracht wird.
Eine Abgrenzung zwischen Werklieferung und Werkleistung ist nur dann erforderlich, wenn es sich bei der vom Unternehmer geschuldeten Leistung um eine einheitliche Leistung handelt. Dies wird im Baugewerbe im Regelfall gegeben sein. Sollte es sich aber in Ausnahmefällen um 2 getrennte Leistungen handeln, müssen diese Leistungen gesondert beurteilt werden. Eine Abrechnung in einer Rechnung macht aus 2 Leistungen noch keine einheitliche Leistung.
Gesonderte Leistungen
Der Fliesenfachmarkt F, der auch die Übernahme kompletter Fliesenarbeiten anbietet, verkauft an den Abnehmer A im Januar Fliesen und liefert ihm diese Fliesen sowie das weitere Material frei Haus. A, der die Fliesen ursprünglich selbst verlegen wollte, kommt aber wegen eines Bandscheibenvorfalls nicht dazu und beauftragt deshalb im Februar F, die Fliesen auch zu verlegen. Es handelt sich um 2 getrennt zu beurteilende Leistungen. Zum einen handelt es sich im Januar um eine Lieferung von Fliesen, zum anderen liegt im Februar eine sonstige Leistung (Werkleistung) durch das Verlegen der Fliesen vor; beim Verlegen der Fliesen verwendet F neben den von seinem Auftraggeber gestellten Fliesen nur noch Nebensachen oder Zutaten (z. B. Klebemörtel oder Fugenmasse).
Unterscheidung bei Leistungen ausländischer Unternehmer wichtig
Die Unterscheidung, ob eine Lieferung oder eine Werklieferung bzw. Werkleistung vorliegt, ist für die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens von Bedeutung. Wird "nur" eine Lieferung ausgeführt, kann bei Leistung durch einen ausländischen Unternehmer die Steuerschuld nicht auf den Leistungsempfänger übergehen. Nur bei einer Werklieferung oder sonstiger Leistung kann es zur Anwendung des § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG kommen. Dabei ist für eine Werklieferung immer Voraussetzung, dass von dem Unterneher (auch) ein fremder Gegenstand be- oder verarbeitet wird.
1.1 Werklieferungen
1.1.1 Definition der Werklieferung
Im Baugewerbe überwiegen Werklieferungen, da im Regelfall der leistende Unternehmer den von ihm benötigten Hauptstoff selbst beschafft und diesen dann mit dem Grundstück oder anderen Gebäudeteilen verbindet. Dabei ist es ausreichend, wenn der leistende Unternehmer von mehreren Hauptstoffen nur einen Hauptstoff oder auch nur einen Teil eines Hauptstoffs bei der Ausführung der Leistung selbst beschafft. Eine Werklieferung liegt nur dann nicht vor, wenn der leistende Unternehmer bei der Ausführung seiner Leistung nur Nebensachen oder Zutaten oder vom Leistungsempfänger gestelltes Material verwendet.
Werklieferung
Fliesenleger F hat den Auftrag übernommen, in einem Einfamilienhaus die Küche neu zu fliesen. Der Auftraggeber hat noch Bodenfliesen, die bei der Ausführung der Arbeiten verwendet werden; die Wandfliesen besorgt F. Es handelt sich bei der Leistung des F um eine Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG, da F auch an der Beschaffung des Hauptstoffs mit beteiligt ist.
Grundsätzlich ist nach der Rechtsprechung des BFH darauf abzustellen, ob aus der Sicht eines Durchschnittsbetrachters die Leistung eher als Lieferung oder eher als eine sonstige Leistung anzusehen ist.
Qualitative Abgrenzung
Die Abgrenzung, ob eine Werklieferung oder eine Werkleistung vorliegt, hat dabei nicht quantitativ (wurde für das Material oder für die Arbeitsleistung mehr berechnet), sondern qualitativ (was gibt der Leistung das Gepräge) zu erfolgen.
Werden von einem Unternehmer Reparaturarbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen (z. B. Reparaturen an nicht fest in einem Gebäude eingebauten Geräten) ausgeführt und entfällt vom Gesamtentgelt mehr als 50 % auf das bei der Ausführung der Leistung verwendete Material, kann aus Vereinfachungsgründen von einer Werklieferung ausgegangen werden.
1.1.2 Ort der Leistung bei einer Werklieferung
Der Ort einer Werklieferung bestimmt sich grds. nach den Vorschriften, die für die Bestimmung eines Orts der Lieferung anzuwenden sind. Im ...