Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Umsatzsteuer für den leistenden Unternehmer
Bauunternehmer B erbringt mit der Errichtung des Rohbaus eine Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG, da davon auszugehen ist, dass er bei der Errichtung des Gebäudes auch selbstbeschaffte Materialien verwendet. Die Werklieferung ist nach § 3 Abs. 5a UStG i. V. m. § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet, annahmegemäß hier im Inland. Damit ist die Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar. Eine Steuerbefreiung nach § 4 UStG liegt nicht vor.
Grundsätzlich entsteht die Umsatzsteuer bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten nach § 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt wurde, hier also mit Abnahme des Werks im März 2018. Bei Aufträgen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, ist jedoch zu prüfen, ob evtl. Teilleistungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 und Satz 3 UStG ausgeführt worden sind.
Teilleistungen setzen danach voraus, dass es sich zum einen um eine wirtschaftlich sinnvoll teilbare Leistung sowie zum anderen um gesondert geschuldete Leistungen handelt. Beide Voraussetzungen liegen bei der Abrechnung über eine Anzahlung für eine Etage eines Rohbaus nicht vor. Somit ist mit Fertigstellung der Decke über dem Erdgeschoss keine Teilleistung ausgeführt worden.
Teilleistungen setzen Vereinbarung und wirtschaftliche Trennbarkeit voraus
Eine Teilleistung setzt zum einen voraus, dass es sich überhaupt um eine wirtschaftlich teilbare Leistung handelt. Diese Voraussetzung ist anhand von objektiven Kriterien zu prüfen, steht somit nicht in der Vertragsfreiheit der Vertragsparteien. Zum anderen ist notwendige Voraussetzung, dass – bei Vorliegen der wirtschaftlichen Teilbarkeit – die Vertragsparteien auch eine Vereinbarung über die Ausführung von Teilleistungen getroffen haben und diese Vereinbarung dann auch so umgesetzt wurde. Dies ist immer anhand der individuellen vertraglichen Vereinbarungen zu prüfen.
Liegen danach Teilleistungen vor, entsteht die Umsatzsteuer unabhängig von der Zahlung bei der Sollversteuerung mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Teilleistung ausgeführt wurde.
Allerdings berechnet und erhält B von seinem Auftraggeber eine Anzahlung. Soweit der leistende Unternehmer vor Ausführung seiner Leistung eine Anzahlung vereinnahmt, entsteht insoweit die Umsatzsteuer mit Zahlungszufluss.
Die Ausstellung der Anzahlungsrechnung im November 2017 ist allerdings für die Entstehung der Umsatzsteuer unerheblich. Da B im Dezember 2017 insgesamt 160.650 EUR ausgezahlt werden, ist aus diesem Betrag die Umsatzsteuer mit 19 % herauszurechnen. Die Bemessungsgrundlage für die Anzahlung nach § 10 Abs. 1 UStG beträgt damit 135.000 EUR und die für den Voranmeldungszeitraum Dezember 2017 anzumeldende Umsatzsteuer 25.650 EUR. Aufgrund welcher Vereinbarung dem B ein geringerer als der angeforderte Betrag ausgezahlt wird, ist bei Anzahlungen unerheblich.
Mit Abnahme der Bauleistung im März 2018 ist die Leistung des B erbracht und damit die Umsatzsteuer entstanden. Dass die Rechnung erst im April 2018 erstellt wird, hat für die Entstehung der Umsatzsteuer keine Auswirkung.
Notfalls Schätzung erforderlich
Wenn die Berechnungsgrundlagen für die Schlussrechnung bei Leistungserbringung noch nicht vorliegen, muss der leistende Unternehmer die Besteuerungsgrundlagen sachgerecht schätzen. Bei Abweichungen ergibt sich dann in anderen Voranmeldungszeiträumen eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 UStG.
Insgesamt war für die Erstellung des Rohbaus ein Nettobetrag i. H. v. 400.000 EUR vereinbart worden. Von diesem Betrag sind im Dezember 2017 schon – netto – 135.000 EUR im Rahmen der Anzahlung versteuert worden, sodass sich als Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 1 UStG ein Restbetrag i. H. v. 265.000 EUR ergibt. Die darauf entstehende Umsatzsteuer i. H. v. 19 % beträgt somit 50.350 EUR. Diese Umsatzsteuer ist aufgrund der ausgeführten Leistung für den Voranmeldungszeitraum März 2018 an das Finanzamt abzuführen.
Der vom Leistungsempfänger abgezogene Sicherheitseinbehalt stellt grundsätzlich lediglich eine Zahlungsvereinbarung dar, die für die Steuerentstehung regelmäßig unerheblich ist. Allerdings kann B den Abzug des Sicherheitseinbehalts nicht durch die Stellung einer Bankbürgschaft verhindern, da aufgrund seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten seine Hausbank nicht bereit ist, eine Bürgschaft zu stellen. Damit ist zwar die Umsatzsteuer im Monat der Ausführung der Leistung in vollem Umfang entstanden, gleichzeitig ist aber Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG eingetreten. Damit kann B schon im März 2018 eine Berichtigung der geschuldeten Umsatzsteuer nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG vornehmen. Die Bemessungsgrundlage mindert sich deshalb um 20.000 EUR und die für März 2018 geschuldete USt um 3.800 EUR. Damit hat B für März 2018 eine Steuerzahllast aufgrund der von ihm erbrachten Leistun...