Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhter Steuersatz für Kampfhund (Rottweiler). erdrosselnde Wirkung der Steuer
Leitsatz (amtlich)
Ein Steuersatz für sogenannte Kampfhunde in Höhe von 2.000 Euro jährlich zielt angesichts der für die Haltung eines solchen Hundes in der Regel erforderlichen Aufwendungen nicht mehr auf die Einnahmeerzielung, sondern auf ein faktisches Verbot der Kampfhundehaltung; er entfaltet damit eine erdrosselnde Wirkung.
Leitsatz (redaktionell)
1. Die in der Rechtsprechung festgestellte Zulässigkeit erhöhter Hundesteuersätze für sogenannte Kampfhunde bedeutet nicht, dass die Gemeinde den betreffenden Steuersatz beliebig hoch ansetzen kann. Der zulässige Lenkungszweck der Hundebesteuerung schlägt ab einer gewissen Höhe der Steuerbelastung in ein (faktisches) Verbot der Haltung dieser Tiere um. Die rechtsetzende Gemeinde betreibt dann Formenmissbrauch, weil sie im Gewand einer Aufwandsteuervorschrift das Ziel verfolgt, die Erfüllung des Steuertatbestandes praktisch unmöglich zu machen, ohne dabei noch die ernste Absicht der Einnahmeerzielung zu haben.
2. Für ein sicherheitsrechtliches Verbot der Haltung bestimmter Hunderassen auf ihrem Gemeindegebiet fehlt Gemeinden die Regelungskompetenz. Diese steht nach Art. 70 Abs. 1 GG insoweit für das Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (hier) dem Freistaat Bayern zu, der davon auch mit Art. 37 LStVG in Verbindung mit der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit bereits Gebrauch gemacht hat.
3. Die Revision gegen diese Entscheidung wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen, ob bei der Beurteilung der erdrosselnden Wirkung eines Hundesteuersatzes auf den für die Haltung eines Hundes typischerweise erforderlichen Aufwand als objektiven Anhaltspunkt abgestellt werden kann; anhängig beim BVerwG Az: 9 C 8.13.
Normenkette
Hundesteuersatzung der Gemeinde Bad Kohlgrub; GG Art. 105 Abs. 2a; KAG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 70 Abs. 1
Verfahrensgang
VG München (Urteil vom 27.09.2012; Aktenzeichen M 10 K 11.6018) |
Nachgehend
Tenor
I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2012 (Az. M 10 K 11.6018) wird aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 28. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2011 wird aufgehoben, soweit darin eine Hundesteuer festgesetzt wird, die den Betrag von 75 Euro übersteigt.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger hielten seit dem 10. April 2011 im Gemeindegebiet der Beklagten eine Rottweilerhündin, für die die Beklagte am 12. April 2011 den Klägern das Negativzeugnis nach § 1 Abs. 2 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit zunächst befristet bis einschließlich Februar 2012, anschließend am 12. März 2012 unbefristet, erteilte.
Die Beklagte hat ihre am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Satzung für die Erhebung der Hundesteuer (HStS) am 7. Dezember 2010 beschlossen und bekannt gemacht. Im Mai 2011 änderte die Beklagte mit der ersten Satzung zur Änderung der HStS § 5 Abs. 2 HStS rückwirkend zum 1. Januar 2011 dahingehend, dass Hunde, die zum Zeitpunkt des Satzungserlasses bereits gehalten wurden und für die ein Negativzeugnis vorliegt, von der Kampfhundeeigenschaft ausgeschlossen seien. Besteuert wird nach der HStS das Halten eines über vier Monate alten Hundes im Gemeindegebiet. Der Steuersatz beträgt für den ersten Hund 75,– Euro, für den zweiten und jeden weiteren Hund 160,– Euro und abweichend hiervon für sogenannte Kampfhunde je 2.000,– Euro jährlich. Kampfhunde sind nach § 5 Abs. 2 HStS Hunde, bei denen aufgrund rassenspezifischer Merkmale, Zucht und Ausbildung von einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren auszugehen ist. Kampfhunde im Sinne dieser Vorschrift sind alle in § 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit vom 10. Juli 1992 in der jeweils geltenden Fassung genannten Rassen und Gruppen von Hunden. Nach § 8 Abs. 3 HStS wird für Kampfhunde keine Steuerbefreiung und/oder Steuerermäßigung gewährt.
Mit Bescheid vom 28. April 2011 setzte die Beklagte gegenüber den Klägern für das Kalenderjahr 2011 eine erhöhte Hundesteuer in Höhe von 2.000,– Euro fest. Nach erfolglosem Widerspruch hiergegen erhoben die Kläger im Dezember 2011 Klage, die das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 27. September 2012 abwies. Die Hundesteuersatzung sei formell und materiell-rechtlich rechtmäßig. Die Satzung beruhe auf der Ermächtigungsgrundlage des Art. 105 Abs. 2 a GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 KAG. Die Grenzen der hiernach zulässigen Lenkungss...