Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Recht auf Einsicht eines Gesellschaftsgläubigers in die Akte eines abgeschlossenen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters (§ 299 Abs. 2 ZPO, § 4 InsO)
2. Die Ermächtigung des Insolvenzverwalters zur Einziehung gemäß § 171 Abs. 2 HGB und die damit verbundene Sperrwirkung für den Gläubiger endet mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens.
Normenkette
AGGVG Art. 12 Nr. 3; EGGVG §§ 23, 25 Abs. 2, § 26 Abs. 1; HGB § 128 S. 1, § 161 Abs. 2, § 171 Abs. 2, § 172 Abs. 4; InsO §§ 4, 38, 60; ZPO § 299 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
I. Der Bescheid des Amtsgerichts München vom 10. September 2019 wird aufgehoben. Der Antragsgegner wird angewiesen, den Antrag der Antragstellerin vom 14. Februar 2019 auf Bewilligung von Akteneinsicht im Verfahren 1506 IN 2329/05 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.
II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Das mit Beschluss vom 8. Mai 2006 eröffnete streitgegenständliche Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, einer Beteiligungsgesellschaft, die sowohl Kommanditistin der Objektgesellschaft S. als auch der Objektgesellschaft P. war, ist mit Beschluss vom 11. Dezember 2018 nach Abhalten des Schlusstermins aufgehoben worden.
Über das Vermögen der Objektgesellschaft S. ist durch Beschluss vom 1. Februar 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Dieses ist durch Beschluss vom 17. Februar 2014 nach Schlussverteilung aufgehoben worden.
Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2019 hat die Antragstellerin gemäß § 4 InsO i. V. m. § 299 Abs. 2 ZPO beantragt, ihr Einsicht in die Akten des aufgehobenen Insolvenzverfahrens der Schuldnerin zu gewähren. Zur Begründung hat sie zunächst ausgeführt, ihre Rechtsvorgängerin sei Gläubigerin der Objektgesellschaft S., über deren Vermögen ebenfalls ein Insolvenzverfahren durchgeführt worden sei. Der Insolvenzverwalter der Objektgesellschaft S., der auch Insolvenzverwalter der Schuldnerin gewesen sei, habe Haftungsansprüche der Gesellschaftsgläubiger dieser Objektgesellschaft, namentlich auch ihrer Rechtsvorgängerin, nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB gegenüber der Schuldnerin geltend gemacht. Nach § 171 Abs. 2 HGB übe während der Dauer des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter das den Gesellschaftsgläubigern nach § 171 Abs. 1 HGB zustehende Recht aus. Ihre Rechtsvorgängerin sei damit zwar nicht direkt Gläubigerin der Schuldnerin, aber wirtschaftlich Begünstigte, da die Schuldnerin als Kommanditistin der Objektgesellschaft S. den zur Befriedigung der Gläubiger benötigten Betrag zur Masse der Objektgesellschaft S. schulde. Sie bzw. ihre Rechtsvorgängerin sei zwar keine Partei des gegenständlichen Insolvenzverfahrens gewesen, sie habe aber ein rechtliches Interesse an der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Insolvenzverwalter der Schuldnerin Haftungsansprüche der Objektgesellschaft P. zu Unrecht (doppelt) anerkannt und befriedigt habe und dadurch ein Quotenschaden der Gläubiger der Schuldnerin entstanden sei. Die - nach dem Kenntnisstand der Antragstellerin nicht insolvente - Objektgesellschaft P. habe nämlich ebenfalls Haftungsansprüche der Gesellschaftsgläubiger gemäß §§ 171, 172 Abs. 4 HGB gegen die Schuldnerin geltend gemacht.
Der - frühere - Insolvenzverwalter ist dem Akteneinsichtsgesuch entgegengetreten und hat insbesondere ausgeführt, die Objektgesellschaft P. habe keine Ansprüche gegen die Schuldnerin geltend gemacht. Welche Ansprüche zu Unrecht anerkannt und im Rahmen einer Quote befriedigt worden sein sollten, sei nicht nachvollziehbar.
Auf den Hinweis des Amtsgerichts, ein rechtliches Interesse im Sinne von § 299 Abs. 2 ZPO sei weder substantiiert dargelegt noch glaubhaft gemacht, hat die Antragstellerin ergänzend ausgeführt, aus einem Schriftwechsel aus den Jahren 2008/2009 ergebe sich, dass aus Sicht des Insolvenzverwalters die Forderungen der Objektgesellschaft P. "gegenüber der Gesellschafterin (gemeint: hiesige Schuldnerin) auf Einzahlung der Stammeinlage sowie der Haftungsanspruch der Gläubigerin parallel" bestünden. Diese Auffassung stehe im Widerspruch zu der Einlassung des Insolvenzverwalters in seiner Stellungnahme vom 28. Februar 2019, die Objektgesellschaft P. habe keine Ansprüche angemeldet. Das Interesse der Antragstellerin sei allein darauf gerichtet zu erfahren, was mit diesen Ansprüchen passiert sei, insbesondere, ob sie vom Insolvenzverwalter anerkannt und ob darauf Zahlungen geleistet worden seien. Die Akteneinsicht könne auf einen bestimmten Aktenteil beschränkt werden, z. B. auf die Einsicht in das Schlussverzeichnis und die Schlussverteilung.
Der Antragstellerin hat zusammen mit dem Schreiben des Insolvenzverwalters vom 10. Mai 2019 jeweils eine - überwiegend ge...