Leitsatz
Ein abzweigungsberechtigtes Kind im Sinne von § 74 Abs. 1 EStG kann nach § 67 Satz 2 EStG eine Kindergeldfestsetzung zugunsten des Berechtigten beantragen und ist nicht an einen vorherigen Ablehnungsbescheid gegenüber dem Berechtigten gebunden, wenn es im ersten Festsetzungsverfahren nicht beteiligt war und der Ablehnungsbescheid ihm auch nicht bekannt gegen wurde.
Sachverhalt
Die im November 1981 geborene Klägerin befand sich vom August 2001 bis Ende Juni 2004 in Ausbildung. Der Antrag der Mutter auf Gewährung des Kindergeldes vom 26.3.2004 wurde mit Bescheid vom 27.4.2004 von der Familienkasse bestandskräftig abgelehnt, weil die Einkünfte und Bezüge der Tochter den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten. Unter Hinweis auf den Beschluss des BVerfG vom 11.1.2005 stellte die Klägerin am 29.8.2006 einen Antrag auf rückwirkende Auszahlung des Kindergeldes für die Zeit vom 1.8.2002 bis 23.6.2004, da nach Berücksichtigung der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge der Grenzbetrag des § 32 Abs 4 Satz 2 EStG unterschritten würde. Die Familienkasse lehnte die Zahlung von Kindergeld bis einschließlich April 2004 ab, weil eine Änderung des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides vom 27.4.2004 nicht mehr möglich sei. Im Klageverfahren trägt die Klägerin vor, dass der gegenüber der Mutter ergangene Ablehnungsbescheid ihr gegenüber keine materielle Bestandskraft entfalten könne und daher die rückwirkende Festsetzung des Kindergeldes möglich sei.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG ist die Klägerin nach § 67 Satz 2 EStG berechtigt, die Kindergeldfestsetzung zugunsten ihrer Mutter zu erstreiten, da sie ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat. Das berechtigte Interesse an der Leistung des Kindergeldes ergibt sich im Streitfall aus § 74 Abs. 1 Satz 3 EStG, da die kindergeldberechtigte Mutter mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist. Der Ablehnungsbescheid vom 27. 4. 2004 steht einer Kindergeldfestsetzung nicht entgegen, da die Klägerin weder im Sinne von § 78 AO in dem Kindergeldverfahren gegenüber Mutter beteiligt war, noch wurde ihr der Ablehnungsbescheid im Sinne von § 122 AO bekannt gegeben. Dieser Bescheid konnte somit weder formelle noch materielle Bestandskraft ihr gegenüber entfalten. Das gesetzliche Antragsrecht gemäß § 67 Satz 2 EStG dient unter anderem der Durchsetzung von Abzweigungsansprüchen gem. § 74 Abs. 1 EStG. Es würde in dieser Funktion leer laufen, wenn der Antragsteller an bestandskräftige Ablehnungsbescheide gegenüber dem Kindergeldberechtigten gebunden wäre.
Hinweis
In allen Fällen, in denen der Kindergeldberechtigte seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt bzw. mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist, kann das in Ausbildung befindliche volljährige Kind nach § 67 Satz 2 EStG das Kindergeld beantragen, wenn nach Berücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge der Jahresgrenzbetrag unterschritten wird. Dies gilt auch dann, wenn ein Antrag des Kindergeldberechtigten bereits bestandskräftig abgelehnt wurde. Im Falle der Ablehnung sollte unter Hinweis auf des Revisionsverfahren beim BFH unter III R 67/07 Einspruch eingelegt und auf das Ruhen des Verfahrens verwiesen werden.
Link zur Entscheidung
Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 09.07.2007, 3 K 30/07