Kommentar
Bei gesetzlicher Erbfolge und der Erbfolge aufgrund eines privatschriftlichen Testaments ist der Erbschein gegenüber Banken, Grundbuchämtern und dergleichen der amtliche Nachweis des Erbrechts und der Höhe des Erbanteils ( § 2365 BGB ). Bei einem vor einem Notar errichteten sogenannten öffentlichen Testament ist ein Erbschein i. d. R. nicht erforderlich ( Erbe/Erbfall ).
Im Urteilsfall hat ein Erblasser in einem privatschriftlichen Testament über sein ganzes Vermögen in der Weise verfügt, daß den namentlich genannten Personen jeweils im einzelnen genau bezeichnete Gegenstände zugeordnet wurden. Es wurde ein Erbschein beantragt, der diese Personen als Miterben zu unterschiedlichen Erbquoten ausweisen sollte. Die einzelnen Erbquoten wurden unter Ansatz der Verkehrswerte der zugewiesenen Vermögensgegenstände ermittelt. Auf dieser Grundlage wurde der Erbschein erteilt und die Erbschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt. Eine Betriebsprüfung führte zu einer wesentlich höheren Bewertung des Betriebsvermögens und einer Änderung der Steuerbescheide. Dabei ließ das Finanzamt die einzelnen Erbquoten unverändert. Dagegen wandte sich ein Miterbe mit dem Antrag, die Erbquoten aufgrund der Werterhöhung des Nachlasses neu zu bestimmen.
Nach Auffassung des BFH ist der Inhalt des Erbscheins für die Finanzämter und Finanzgerichte maßgebend. Er ist jedoch zivilrechtlich und erbschaftsteuerlich kein ausschließliches Beweismittel. Sind gewichtige Gründe erkennbar, die gegen die Richtigkeit des Erbscheins sprechen, haben die Finanzämter und Finanzgerichte die Erbfolge und bei Miterben die Erbanteile selbst zu ermitteln. Eine Aufhebung oder Änderung des Erbscheins ist nicht notwendig.
Führt eine Höherbewertung eines Teils des Vermögens zu einer Erhöhung des Gesamtwerts des Nachlasses bei gleichbleibendem Wert der den anderen Miterben zugeordneten Nachlaßgegenstände, sind die Erbquoten unter Ansatz der Verkehrswerte aller Vermögensteile neu zu bestimmen ( Erbschaftsteuer ).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.11.1995, II R 89/93
Anmerkung: Hat der Erblasser bei mehreren Erben die Höhe der einzelnen Erbanteile festgelegt , führt eine Höherbewertung von Nachlaßgegenständen nicht zu einer Verschiebung der Erbquoten. Der steuerliche Wert des gesamten Reinnachlasses ist immer nach den Erbquoten auf die Miterben aufzuteilen. Dies gilt auch für Teilungsanordnungen des Erblassers, es sei denn, ein Nachlaßgegenstand wurde einem Miterben zusätzlich und ohne Anrechnung auf seinen Erbanteil zugewiesen.