Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Das Umsatzsteuerrecht kennt als Grundtatbestände der Leistung nur die Lieferung und die sonstige Leistung. Enthält ein einheitlicher Vorgang sowohl Elemente der Lieferung als auch der sonstigen Leistung, muss abgegrenzt werden, ob der Vorgang als Werklieferung oder als Werkleistung einzuordnen ist. Entgegen der (historischen) Definition der Werklieferung hatte der BFH schon 2013 festgestellt, dass für eine Werklieferung immer erforderlich ist, einen Gegenstand eines Dritten zu be- oder verarbeiten.
Die rechtliche Problematik
Werden Leistungen ausgeführt, muss grundsätzlich unterschieden werden, ob es sich um eine Lieferung oder um eine sonstige Leistung handelt. Diese Unterscheidung kann sowohl für die Bestimmung des Orts der Leistung, für die Steuerpflicht, aber auch für die zutreffende Ermittlung des Steuerschuldners von Bedeutung sein.
Bei einer einheitlichen Leistung, die umsatzsteuerrechtlich nicht in einzelne Komponenten zerlegt werden kann, bei der aber sowohl Elemente der Lieferung als auch Elemente der sonstigen Leistung enthalten sind, muss entschieden werden, ob eine Werklieferung oder eine Werkleistung vorliegt.
Eine Werklieferung liegt nach § 3 Abs. 4 UStG vor, wenn der Unternehmer die Be- oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen hat und er bei seiner Leistung auch Stoffe verwendet, die er selbst beschafft hat. Dabei darf es sich bei diesen Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handeln, es muss ein sog. "Hauptstoff" verwendet werden. Eine Werkleistung liegt im Umkehrschluss dann vor, wenn keine selbst beschafften Stoffe oder nur Nebensachen oder Zutaten verwendet werden.
Früher war davon ausgegangen worden, dass es für eine Werklieferung ausreichend sei, dass aus Hauptstoffen des leistenden Unternehmers individuell für einen Leistungsempfänger ein Gegenstand gefertigt wird. Der BFH hatte dann aber festgestellt, dass nur von einer Werklieferung ausgegangen werden könne, wenn zusätzlich zur Verschaffung der Verfügungsmacht ein fremder Gegenstand be- oder verarbeitet werden müsse.
In dem Verfahren ging es 2013 um die Abgrenzung Lieferung oder Werklieferung von Grundstücken durch Bauträger. Die Entscheidung hatte damals die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung der Übertragung der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen auf einen solche Leistungen empfangenden Bauträger gekippt, da § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG nur Werklieferungen oder sonstige Leistungen erfasst, die an Unternehmer ausgeführt werden, die selbst solche Leistungen erbringen. Während die Finanzverwaltung davon ausgegangen war, dass Bauträger gegenüber den Erwerbern Werklieferungen ausführen, stellte der BFH fest, dass Bauträger die Grundstücke oder Grundstücksteile (z. B. selbst errichtete Eigentumswohnungen) im Rahmen von Lieferungen verkaufen, da sie keine Dritten gehörenden Gegenstände be- oder verarbeiten. Deshalb konnte die Ausführung von Bauleistungen gegenüber Bauträgern nicht zur Übertragung der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG führen.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Die Finanzverwaltung hat jetzt die Vorgaben aus der Rechtsprechung des BFH übernommen und in Abschn. 3.8 Abs. 1 Satz 1 UStAE unter Verweis auf die Entscheidung des BFH mit aufgenommen, dass für eine Werklieferung notwendige Voraussetzung ist, dass ein fremder Gegenstand be- oder verarbeitet wird.
In den für die Praxis relevanten Fällen – insbesondere bei der Ausführung von Bauarbeiten ausländischer Unternehmer auf inländischen Grundstücken – ändert sich nichts. In diesem Fall bleibt es bei der Annahme einer Werklieferung i. S. d. § 3 Abs. 4 UStG, da der Handwerker bei der Ausführung seiner Bauleistung das fremde Grundstück oder Gebäude "be- oder verarbeitet". In diesen Fällen bleibt es bei der Übertragung der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 UStG.
Konsequenzen für die Praxis
Neben der theoretischen Änderung, die aber regelmäßig für die praktischen Auswirkungen nicht so relevant ist, kann es in bestimmten Fällen bei der Abgrenzung von Lieferung und Werklieferung zu Änderungen kommen. Dies kann bestimmte (Sonder-)Fälle bei der Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens betreffen.
Der französische Unternehmer F hat den Auftrag übernommen, bei einem deutschen Auftraggeber (Unternehmer) eine individuell produzierte Maschine aufzustellen, die nicht fest mit einem Gebäude verbunden ist, sondern dort nur aufgestellt wird. Die Maschine wird von der technischen Planungsabteilung in Frankreich konzipiert. Ebenfalls in Frankreich wird etwa die Hälfte der notwendigen Bauteile für diese Maschine produziert. Die restlichen Bauteile kommen aus der belgischen Produktionsstätte des französischen Unternehmers direkt zu dem deutschen Unternehmer, wo die Maschine erstmals zusammengebaut wird und nach einem Probelauf von dem deutschen Unternehmer abgenommen wird.
Nach der früher vorherrschenden...