Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Theater und ähnliche kulturelle Einrichtungen können unter den Bedingungen des § 4 Nr. 20 UStG steuerfreie Leistungen ausführen oder – soweit die Steuerbefreiung nicht einschlägig ist – für ihre Leistungen den ermäßigten Steuersatz anwenden. Die Finanzverwaltung stellt dazu klar, dass die Begünstigungen nicht davon abhängen, dass ein bestimmtes Niveau erreicht wird.
Weiterhin konkretisiert die Finanzverwaltung, dass Theatervorführungen nicht nur Aufführungen von Theatern, Opern oder Operetten sind, sondern auch Darbietungen der Pantomime und Tanzkunst, der Kleinkunst, der Eisrevuen und des Varietés (u. a. auch Zauberei, Artistik und Bauchrednerei) bis zu den Puppenspielen.
Umsätze eines Theaters können aber nur vorliegen, wenn Personen in irgendeiner Weise auf einer Bühne vor einem Publikum ein Stück zur Aufführung bringen oder eine für Zuschauer bestimmte Aufführung durch eine Person erfolgt.
Nach der Rechtsprechung des BFH kann auch ein Hochzeits- und Trauerredner ausübender Künstler sein. Die Finanzverwaltung stellt dazu klar, dass die Tätigkeit eines Hochzeits- und Trauerredners grundsätzlich keine künstlerische Tätigkeit darstellt. Wenn aber die künstlerische Leistung von einer eigenschöpferischen Leistung des Künstlers geprägt wird, in der seine besondere Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt, kann die Leistung der eines ausübenden Künstlers gleichgestellt sein und dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
Gegen eine künstlerische Tätigkeit spricht bei einer Rednertätigkeit die Beschränkung auf eine schablonenartige Wiederholung anhand eines Redegerüsts.
Konsequenzen für die Praxis
Die Frage, ob eine steuerfreie oder wenigstens mit dem ermäßigten Steuersatz begünstigte Leistung vorliegt, ist oft Gegenstand des Streits zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen.
Die Steuerbefreiung von Theatern hängt – soweit es keine "staatlichen" Theater o. ä. sind – davon ab, dass die zuständigen Behörden bescheinigen, dass eine vergleichbare kulturelle Aufgabe erfüllt wird. Diese Bescheinigung kann nicht nur von dem Steuerpflichtigen, sondern auch von der Finanzverwaltung beantragt werden. Wenn dies passiert, führen die Unternehmer zwar steuerfreie Leistungen aus, verlieren aber den Vorsteuerabzug. Dies ist bei einem Vorsteuerüberhang problematisch.
Die Finanzverwaltung präzisiert die unter die Begünstigungsregelungen fallenden Unternehmer und nimmt erstmalig auch die Rechtsprechung des BFH zu den Hochzeits- und Trauerrednern mit auf – diese werden aber in aller Regel keine begünstigten Leistungen ausführen.
Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber nicht, wenn die Vertragsparteien diese Leistungen – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs – für Umsätze, die vor dem 1.1.2021 bewirkt wurden, steuerpflichtig bzw. mit dem Regelsteuersatz erfassen.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 12.11.2020, III C 3 – S 7177/17/10001, BStBl 2020 I S. 1265.