Die Krisensituation von nationaler oder – bezogen auf den Aufenthaltsort der antragstellenden Person – von regionaler Tragweite muss einer Untersuchung der antragstellenden Person in ihrem Wohnbereich tatsächlich entgegenstehen, das heißt Alternativen – beispielsweise durch das Nutzen anderer Verkehrsrouten oder das Ergreifen entsprechender Schutzmaßnahmen – stehen nicht zur Verfügung oder stellen einen unverhältnismäßig hohen Aufwand dar. So kann es im Fall einer Pandemie geboten sein, dass zur Verhinderung des Risikos einer Ansteckung der versicherten Personen oder der Gutachterinnen und Gutachter eine Begutachtung ohne Untersuchung im Wohnbereich der antragstellenden Person zwingend erforderlich ist. Dies ist aber nicht der Fall, wenn beispielsweise hinreichende Schutzmaßnahmen zur Verringerung oder Vermeidung der Ansteckungsgefahr während eines Hausbesuchs ergriffen werden können oder ein nur geringer Inzidenzwert vorliegt. Insoweit wurden im Hinblick auf das Coronavirus SARS-CoV-2 in der Vergangenheit bundeseinheitliche Maßgaben entwickelt, die darlegen, unter welchen Schutz- und Hygieneanforderungen eine Begutachtung durch eine Untersuchung der versicherten Personen in ihrem Wohnbereich stattfindet und in welchen Fällen, insbesondere bei welchen Personengruppen, eine Begutachtung ohne Untersuchung der versicherten Personen in ihrem Wohnbereich zwingend erforderlich ist. Die Kriterien in den Maßgaben sind bei künftigen festgestellten epidemischen Lagen ebenfalls zu beachten.
Eine Begutachtung ohne Untersuchung der antragstellenden Person in ihrem Wohnbereich bedingt darüber hinaus, dass entweder der Antrag auf Pflegeleistungen während der Krisensituation gestellt wird und absehbar ist, dass die Begutachtung noch vor dem Ende dieser Krisensituation erfolgen soll, oder dass ein Untersuchungstermin, der bereits vereinbart war, in den Zeitraum einer Krisensituation von nationaler oder regionaler Tragweite fällt.
Bei Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen können Pflegegutachten aufgrund der den Gutachterinnen und Gutachtern zur Verfügung stehenden Unterlagen sowie durch – gegebenenfalls telefonische oder digitale – strukturierte Befragungen der antragstellenden Person, deren Bevollmächtigten und rechtlichen Betreuerinnen und Betreuern sowie Angehörigen und sonstigen zur Auskunft fähigen Personen (wie beispielsweise Ärztinnen und Ärzte der antragstellenden Person, Mitarbeitende des an der Versorgung beteiligten Pflegedienstes) erstellt werden. Der Wunsch der antragstellenden Person, in ihrem Wohnumfeld begutachtet zu werden, ist zu berücksichtigen (vergleiche § 18a Absatz 2 Satz 6 SGB XI). Telefonische oder digitale Befragungen der antragstellenden Person sind in Anwesenheit einer Unterstützungsperson durchzuführen, sofern dies im konkreten Einzelfall aus fachlicher Sicht erforderlich (vergleiche Ausführungen zu Kapitel 6.1.2) und unter Berücksichtigung der jeweiligen Krisensituation tatsächlich möglich ist.
Anhand der eingeholten Unterlagen und Informationen entscheiden die Gutachterinnen und Gutachter über das Vorliegen einer Pflegebedürftigkeit und empfehlen die Zuordnung zu einem Pflegegrad.