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Pflegebedürftigkeit ist in der Regel kein unveränderbarer Zustand, sondern ein Prozess, der durch Maßnahmen der Pflege, der Krankenbehandlung, Einzelleistungen mit präventiver und rehabilitativer Zielsetzung oder durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation beeinflussbar ist. Hier hat die Gutachterin beziehungsweise der Gutachter unter Würdigung der Ergebnisse der Begutachtung von Pflegebedürftigkeit für den häuslichen und stationären Bereich Stellung zu nehmen, ob über die derzeitige Versorgungssituation hinaus
- Maßnahmen der Prävention,
- Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation,
- Maßnahmen zur Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung,
- Maßnahmen zur Heilmittelversorgung,
- andere therapeutische Maßnahmen,
- Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen oder gemeinsamen Wohnumfeldes,
- edukative Maßnahmen und
- eine Beratung zu Leistungen zur verhaltensbezogenen Primärprävention nach § 20 Absatz 5 des Fünften Buches.
- sonstige Empfehlungen
erforderlich und erfolgversprechend sind. Darüber hinaus sind hier Vorschläge zur Verbesserung/Veränderung der Pflegesituation zu dokumentieren und gegebenenfalls eine Pflegeberatung anzuregen.
Eine Empfehlung ist unabhängig von der Feststellung eines Pflegegrades auszusprechen.
4.12.1 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
Der Vorrang von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Teilhabe ist im SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen) festgelegt. Im SGB XI ist geregelt, dass im Falle drohender oder bestehender Pflegebedürftigkeit regelmäßig die Notwendigkeit präventiver oder rehabilitativer Leistungen, insbesondere die Notwendigkeit von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zu prüfen ist. Durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz aus dem Jahr 2008 wurde der Grundsatz "Rehabilitation vor und bei Pflege" gestärkt. Es ist in jedem Einzelfall im Rahmen der Begutachtung von Pflegebedürftigkeit zu prüfen, ob eine Indikation für diese Leistung besteht, um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, eine bestehende Pflegebedürftigkeit zu beseitigen oder zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten (§ 18b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 2b, Absatz 2 SGB XI, § 9 Absatz 1 und 3 SGB IX). Der Medizinische Dienst hat eine gesonderte Präventions- und Rehabilitationsempfehlung zu erstellen und an die Pflegekasse zu übersenden. Die Pflegekasse informiert unverzüglich die antragstellende Person und mit deren Einwilligung die behandelnde Ärztin beziehungsweise den behandelnden Arzt und leitet mit Einwilligung der antragstellenden Person die entsprechende Mitteilung dem zuständigen Reha-Träger zu (§ 31 Absatz 3 SGB XI). In diesen Fällen ist ein gesonderter Antrag der antragstellenden Person oder eine Verordnung durch die Vertragsärztin beziehungsweise den Vertragsarzt mit Muster 61 im Weiteren nicht erforderlich (§ 31 Absatz 3 SGB XI).
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden in ambulanter oder stationärer Form als komplexe, interdisziplinäre Leistung nach § 42 SGB IX erbracht.
Zuständig können entweder die gesetzliche Krankenversicherung, die gesetzliche Rentenversicherung, die gesetzliche Unfallversicherung oder andere Sozialleistungsträger sein. Bei der hier infrage kommenden Patientengruppe wird überwiegend die gesetzliche Krankenversicherung zuständig sein und Leistungen nach § 40 SGB V erbringen.
Den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der GKV stehen Einzelleistungen, zum Beispiel Heilmittel, die auch eine rehabilitative Zielsetzung haben können, gegenüber.
Das konzeptionelle und begriffliche Bezugssystem bei der Begutachtung zur Indikation und Allokation einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation ist das bio-psycho-soziale Modell der WHO, das auch der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) zugrunde liegt. Im Sinne der ICF ist Behinderung vor allem eine Beeinträchtigung der Teilhabe.
Für Personen, die einen Antrag auf Pflegeeinstufung oder Höherstufung gestellt haben, ist in einem hohen Anteil davon auszugehen, dass nicht nur vorübergehende alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivitäten vorliegen. Vielmehr ist anzunehmen, dass dieser Personenkreis häufig längerfristige Beeinträchtigungen aufweist.
4.12.1.1 Indikationsstellung zur medizinischen Rehabilitation
Die Indikation für eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des SGB IX liegt vor, wenn
- Rehabilitationsbedürftigkeit,
- Rehabilitationsfähigkeit,
- realistische, für die antragstellende Person alltagsrelevante Rehabilitationsziele und
- eine positive Rehabilitationsprognose
bestehen.
Nur bei Vorliegen aller vier Kriterien ist die Indikation zu einer Leistung der medizinischen Rehabilitation gegeben.
4.12.1.2 Rehabilitationsbedürftigkeit
Rehabilitationsbedürftigkeit besteht, wenn aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Schädigung
- voraussichtlich nicht nur vorübergehende alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivitäten vorliegen, durch die in absehbarer Zeit Beeinträchtigungen der Teilhabe drohen
oder
- Beeinträchtigungen der Teilhabe bereits bestehen
und