Leitsatz
1. Für Zwecke der Berechnung nicht abziehbarer Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG ist der bilanzielle Gewinn nicht um eine steuerfreie Investitionszulage zu kürzen, da sich diese positiv auf die Kapitalentwicklung des Unternehmens auswirkt.
2. Nicht abziehbare Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG sind demgegenüber dem Gewinn für Zwecke der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nicht hinzuzurechnen.
Normenkette
§ 4 Abs. 4a, Abs. 5 Satz 1 EStG, § 2 InvZulG 2007
Sachverhalt
Der Kläger ermittelte seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch Betriebsvermögensvergleich. Er erklärte einen Verlust aus Gewerbebetrieb. Dabei hatte er eine zugeflossene Investitionszulage vom Bilanzgewinn abgezogen sowie nicht abziehbare Betriebsausgaben hinzugerechnet. Der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG legte er hingegen einen Gewinn unter Ansatz der Investitionszulage zugrunde, sodass er für das Streitjahr keine nicht abziehbaren Schuldzinsen ermittelte. Das FA ließ hingegen die im Bilanzgewinn, nicht aber im steuerlichen Gewinn enthaltene Investitionszulage bei der Berechnung der Über- und Unterentnahmen unberücksichtigt. Die Klage des Klägers hatte Erfolg (Sächsisches FG, Urteil vom 2.8.2017, 1 K 664/14, Haufe-Index 11549972).
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und die nicht abziehbaren Schuldzinsen unter Berücksichtigung der unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Grundsätze neu berechnet.
Hinweis
In diesem Urteil hat der X. Senat zwei bislang umstrittene Punkte bei der Ermittlung von Überentnahmen gemäß § 4 Abs. 4a EStG geklärt, einmal zugunsten (unter 3.) und einmal zulasten des Steuerpflichtigen (unter 4.).
1. Die Konzeption des § 4 Abs. 4a EStG orientiert sich an der Kapitalentwicklung des Unternehmens und schränkt den Schuldzinsenabzug ein, wenn und soweit die Entnahmen die Summe von Gewinn und Einlagen in diesem Wirtschaftsjahr (§ 4 Abs. 4a Sätze 1 und 2 EStG) und in den Vorjahren (§ 4 Abs. 4a Satz 3 EStG) übersteigen. Das Gesetz unterstellt bei Vorliegen von Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG eine private Veranlassung und stuft infolgedessen die Zinsen als nicht abziehbar ein.
2. Der Gewinn in § 4 Abs. 4a EStG entspricht mangels einer besonderen Bestimmung in dieser Vorschrift dem allgemeinen Gewinnbegriff in § 4 Abs. 1 EStG. Dieser ist das Ergebnis des Betriebsvermögensvergleichs. Außerbilanzielle Gewinnkorrekturen wirken sich damit nicht aus.
3. Eine Investitionszulage führt zur außerbilanziellen Kürzung des Gewinns gemäß § 4 Abs. 1 EStG. Sie gehört zwar nicht zu den Einkünften des EStG (§ 12 Satz 1InvZulG 2007) und mindert auch nicht die steuerlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten (§ 12 Satz 2 InvZulG 2007). Die Investitionszulage erhöht aber als Zuschuss in das Betriebsvermögen im entsprechenden Wirtschaftsjahr das Kapital des Unternehmens und wirkt sich folglich positiv auf seine Kapitalentwicklung (und damit auch auf die Möglichkeit, Mittel zu entnehmen) aus. Ignorierte man diesen Aspekt bei der Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen und zöge den außerbilanziell gekürzten Gewinn bei § 4 Abs. 4a EStG heran, unterstellte man zu Unrecht, dass – trotz positiver Kapitalentwicklung – Überentnahmen vorlägen und eine private Veranlassung gegeben sei. Der Gewinn i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG darf daher nicht um die Investitionszulage gemindert werden, da es ansonsten zu einem dem Zweck des Gesetzes nicht entsprechenden Schuldzinsenabzug käme.
4. Diese für außerbilanzielle Kürzungen aufgestellten Erwägungen gelten konsequenterweise entsprechend für außerbilanzielle Hinzurechnungen, z.B. für nicht abziehbare Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 5 EStG. Diese dürfen bei der Ermittlung des Gewinns gemäß § 4 Abs. 4a EStGnicht hinzugerechnet werden. Damit weicht der X. Senat von der Auffassung der Finanzverwaltung laut BMF-Schreiben vom 2.11.2018 (BStBl I 2018, 1207, Rz. 8) ab.
Nicht abziehbare Betriebsausgaben sind Bestandteil des für die Steuerbilanz maßgeblichen Betriebsvermögensvergleichs. Dass der Gesetzgeber diese Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG im Rahmen der Besteuerungspflicht nicht zum Abzug zulässt, ändert nichts an ihrer Einordnung als Betriebsausgaben. Sie bei der Ermittlung der Überentnahmen gemäß § 4 Abs. 4a EStG nicht hinzuzurechnen trägt der Tatsache Rechnung, dass die Betriebsausgaben abgeflossen sind und damit eine negative Kapitalentwicklung bewirkt haben. Ihre Einbeziehung in die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 4a EStG würde zu einem höheren Gewinn führen als buchmäßig gegeben. Der Steuerpflichtige könnte demzufolge mehr als den durch Betriebsvermögensvergleich ermittelten Gewinn entnehmen, ohne die nachteilige Rechtsfolge des § 4 Abs. 4a EStG auszulösen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 3.12.2019 – X R 6/18