Leitsatz
Kosten für die krankheitsbedingte Unterbringung in einem Alten(wohn)heim sind – abzüglich der Haushaltsersparnis und der Pflegezulage nach § 35 BVG – als außergewöhnliche Belastung abziehbar (Fortführung des Senatsurteils vom 29.9.1989, III R 129/86, BStBl II 1990, 418).
Normenkette
§ 35 BVG , § 33 EStG
Sachverhalt
Der am 27.12.1922 geborene Kläger ist im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit den Merkmalen "G", "aG" und "H". In seiner Einkommensteuererklärung für 1997 machte er Aufwendungen für seine Unterbringung in einem Wohnstift in Höhe von 30060 DM (42060 DM ./. 12000 DM Haushaltsersparnis) als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG geltend. Er legte einen Bescheid des Versorgungsamts vor, in dem ihm ab dem 1.6.1990 wegen verstärkter Hilflosigkeit eine Pflegezulage nach Stufe II bewilligt wurde.
Der Kläger machte geltend, er sei im Jahr 1991 nicht aus Altersgründen in das Wohnstift gezogen, sondern ausschließlich, um seine Behinderung bzw. seine zahlreichen Krankheiten erträglicher zu gestalten (u.a. Amputation des rechten Oberarms und rechten Unterschenkels, dreimalige Krebsoperation). Als Kriegsbeschädigtem mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 100 % komme ihm die Struktur des Wohnstifts sehr entgegen. Aufgrund seiner eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten sei er auf Heimunterbringung angewiesen. Wenn die Prothese Beschwerden mache, müsse er mit dem Rollstuhl in den Speisesaal gefahren werden und habe große Mühe, ohne Hilfe die Toilette aufzusuchen.
Da er seit 1991 alleinstehend sei, habe er seinen Haushalt infolge seiner Hilflosigkeit auflösen und in das Wohnstift ziehen müssen, dessen besondere Ausstattung und Struktur ihm eine einigermaßen erträgliche Lebensführung ermöglichten. Über eine Pflegeabteilung verfüge das Wohnstift nicht; eine eventuell erforderliche Pflege erfolge nach dem Wohnstiftvertrag im Einzelfall oder auf Dauer im eigenen Apartment.
Das FA gewährte lediglich den Pauschbetrag nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG für hilflose Behinderte in Höhe von 7200 DM sowie einen Pflegepauschbetrag gem. § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG in Höhe von 1800 DM. Eine Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG lehnte es ab. Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Revision führte zur Zurückverweisung an das FG.
Entscheidung
Kosten für die Unterbringung in einem Altenwohnheim könnten nur dann abgezogen werden, wenn die Übersiedlung in ein Altenwohnheim durch eine Krankheit oder Behinderung veranlasst sei. Ob dies im Streitfall zutreffe, könne anhand der Feststellungen des FG nicht abschließend beurteilt werden. Komme das FG zu dem Ergebnis, dass die Heimkosten Krankheitskosten seien, seien diese um die Haushaltsersparnis sowie die Pflegezulage nach § 35 BVG zu mindern.
Ferner habe das FA zu Unrecht einen Pflegepauschbetrag nach § 33b Abs. 6 EStG gewährt, den nur die pflegende Person in Anspruch nehmen könne. Des Weiteren sei zunächst der Freibetrag nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG in Höhe von 1800 DM abzuziehen, der die in den Heimkosten enthaltenen Aufwendungen für Dienstleistungen abgelte, die denen einer Haushaltshilfe vergleichbar seien. Die Finanzverwaltung gehe aus Vereinfachungsgründen davon aus, dass in den Heimkosten nur ein Anteil enthalten sei, der dem Abzugsbetrag nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG entspreche.
Hinweis
Aufwendungen können als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden, wenn sie zwangsläufig anfallen und dem Grunde und der Art nach außergewöhnlich sind. Kosten für die Unterbringung in einemAltenheim rechnen nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zu den üblichen Kosten der Lebensführung und sind daher nicht nach § 33 EStG abziehbar. Denn es ist nicht außergewöhnlich, dass alte Menschen in ein Altenheim ziehen. Erfolgt später die Unterbringung in der Pflegestation des Heims, können die Mehrkosten hierfür steuermindernd geltend gemacht werden.
Ist dieÜbersiedlung in ein Altenwohnheim dagegen von vornherein ausschließlich durch eine Krankheit oder eine Behinderung veranlasst, sind die vollen Heimkosten, allerdings abzüglich der Haushaltsersparnis, als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Denn der BFH hält die behinderungsbedingte Unterbringung in einem Altenheim auch bei älteren Menschen für unüblich und lässt die Kosten hierfür deshalb zum Abzug zu.
Gegenzurechnensind nicht nur die ersparten Verpflegungs- und Unterbringungskosten, sondern auch alle übrigen Leistungen, die dem Steuerpflichtigen als Ersatzleistung im Zusammenhang mit der Behinderung oder Krankheit zufließen. Hierunter fallen z.B. Leistungen aus der Pflegeversicherung oder Pflegezulagen nach § 35 BVG, die Kriegsversehrten gewährt werden können.
Hat ein Steuerpflichtiger jahrelang trotz seiner Krankheiten und Behinderungen außerhalb eines Heims gelebt, wird dies gegen eine ausschließlich behinderungsbedingte Übersiedlung in ein Altenheim sprechen. Dies zutreffend beurteilen zu können, wird allerdings regelmäßig die Einholung eines (amts-)ärztl...