Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau einer Motoryacht erwachsen dem Steuerpflichtigen nicht zwangsläufig und sind deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG zu berücksichtigen.
Normenkette
§ 33 EStG
Sachverhalt
Der seit 1970 querschnittsgelähmte und auf einen Rollstuhl angewiesene K (Behinderungsgrad 100, mit den Merkmalen G, aG, H und RF) hatte 2008 eine Motoryacht erworben, die zwar über einen behinderungsgerechten Lift, ansonsten aber über keine nutzbaren medizinischen Hilfsmittel verfügte, sodass K seine Koje und den Dusch- und Toilettenbereich nur mit Hilfspersonen und andere Bereiche wegen zu schmaler Durchgänge überhaupt nicht nutzen konnte. K ließ daher die Yacht für 37.000 EUR behinderungsgerecht umbauen und machte die Kosten als außergewöhnliche Belastungen geltend. Dem entsprachen weder FA noch FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 2.12.2013, 2 K 176/13, Haufe-Index 7016753, EFG 2014, 1484).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision, mit der K weiterhin die Berücksichtigung der Aufwendungen für den Umbau der Motoryacht begehrte, aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen zurück.
Hinweis
1.§ 33 EStG soll zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf berücksichtigen, die wegen ihrer Außergewöhnlichkeit nicht im Pauschbeträgen zu erfassen sind. Dementsprechend gehören die üblichen, schon im Grundfreibetrag enthaltenden Lebensführungskosten nicht zu den außergewöhnlichen Belastungen. Aber für den Grundfreibetrag wie für die darüber hinausgehenden außergewöhnlichen Abzüge gilt: Der Abzug ist auf das existenziell Notwendige begrenzt. Beispiele für solche außergewöhnlichen Aufwendungen sind: Kosten für den existenziellen Wohnbedarf (BFH, Urteil vom 21.4.2010, VI R 62/08, BFH/NV 2010, 1893, BFH/PR 2010, 475), für die Wiederbeschaffung (BFH, Urteil vom 29.3.2012, VI R 21/11, BFH/NV 2012, 1239, BFH/PR 2012, 273) oder Austausch existenznotwendiger Gegenstände (BFH, Urteil vom 29.3.2012, VI R 70/10, BFH/NV 2012, 1237, BFH/PR 2012, 275) und Beseitigung von Gesundheitsgefahren (BFH, Urteil vom 29.3.2012, VI R 47/10, BFH/NV 2012, 1235, BFH/PR 2012, 274).
2. Einem solchen existenziellen und insbesondere zwangsläufig entstehenden Bedarf erkannte der BFH nicht bei den Aufwendungen für die Anschaffung und den Unterhalt einer Motoryacht an. Der Aufwand ist weder aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen zwangsläufiger, sondern beliebiger Konsum. Nichts anderes gilt für den behinderungsgerechten Umbau der Motoryacht. Denn eine behindertengerechte Ausgestaltung des individuellen Wohnumfelds gehört zwar grundsätzlich zu den außergewöhnlichen Belastungen; dessen existenzielle Bedeutung ist anerkannt (BFH/NV 2012, 1237, BFH/PR 2012, 275). Aber der Umbau einer Motoryacht gehört nicht dazu; auch dieser Aufwand ist vielmehr dem Konsumbereich zuzuordnen.
3. Dementsprechend bestätigte der BFH die Entscheidung des FG, dass die Umbaukosten nicht als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG abziehbar sind. Er verglich den Fall insoweit mit der Entscheidung zu den Anschaffungskosten eines Grundstücks, auf dem ein behindertengerechter Bungalow hätte errichtet werden sollen (BFH, Urteil vom 17.7.2014, VI R 42/13, BFH/NV 2014, 1833, BFH/PR 2014, 419).
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 2.6.2015 – VI R 30/14