Leitsatz
Eine Berichtigung nach § 129 AO erfordert, dass aus dem Akteninhalt nicht nur die Erhöhung der Kapitalrücklage ersichtlich ist, sondern auch der tatsächliche Mittelzufluss.
Sachverhalt
Eine GmbH hat im Jahr 2007 ihr Stammkapital erhöht. Die neu in die GmbH eintretenden Gesellschafter hatten ein Agio zu erbringen, das der Kapitalrücklage zugewiesen wurde. Dies ist so aus dem Jahresabschluss zum 31.12.2007 ersichtlich. In den Steuererklärungen für 2007 wurde dieser Vorgang jedoch nicht übernommen, sondern ein unverändertes steuerliches Einlagekonto mit 0 EUR erklärt. Das Finanzamt hat die Feststellung nach § 27 Abs. 2 KStG erklärungsgemäß vorgenommen. Im Jahr 2017 hat die GmbH den Fehler bemerkt und beantragte eine Berichtigung nach § 129 AO. Das Finanzamt hat eine offenbare Unrichtigkeit verneint und eine Korrektur auch im Einspruchsverfahren abgelehnt.
Entscheidung
Das FG hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Für eine offenbare Unrichtigkeit müsste sich aus dem Akteninhalt sowohl die Erhöhung der Kapitalrücklage als auch der tatsächliche Mittelzufluss bei der GmbH ergeben. Aus den Bilanzakten waren jedoch nur die Agiozuzahlung und deren Zuweisung zur Kapitalrücklage ersichtlich. Nicht ersichtlich war hingegen, dass die neuen Gesellschafter das von ihnen in die Kapitalrücklage einzuzahlende Agio auch tatsächlich gezahlt haben. Aus den Bilanzerläuterungen konnte lediglich eine Einforderung der Einlage ersehen werden. Eine eingeforderte Einlage bedeutet aber nicht zwingend, dass diese auch tatsächlich gezahlt wurde.
Das FG stützt sich auch auf die Rechtsprechung des BFH, Urteil v. 8.12.2021, I R 47/18. Darin hat der BFH zwar festgestellt, dass auf einer zweiten Stufe noch anzustellende Sachverhaltsermittlungen zur tatsächlichen Höhe des steuerlichen Einlagekontos eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 Satz 1 AO nicht ausschließen. Sind jedoch bereits auf der ersten Stufe weitere Sachverhaltsermittlungen erforderlich, scheidet eine Berichtigung mangels eines rein mechanischen Versehens aus. Dazu gehört auch die Frage, ob eine offenbare Unrichtigkeit dem Grunde nach vorliegt. Denn ein handelsbilanziell dargestellter Zufluss zur Kapitalrücklage geht nicht automatisch mit einem Zufluss zum steuerlichen Einlagekonto einher.
Hinweis
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Die Entscheidung steht auch im Einklang mit Urteilen anderer Finanzgerichte, so z. B. FG Münster, Urteil v. 13.10.2017, 13 K 1204/16 F bzw. FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 9.3.2017, 10 K 10319/15.
Link zur Entscheidung
FG des Saarlandes, Urteil v. 20.04.2023, 1 K 1381/19