Leitsatz
1. Die Verwendung einer außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft zugelassenen Sattelzugmaschine für die Beförderung eines Aufliegers von einem Ort innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft zu einem anderen Ort innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft stellt einen unzulässigen Binnentransport dar. Dies gilt auch dann, wenn der Ort, an dem der Auflieger ursprünglich mit Waren beladen wurde, oder der Ort, an dem die Waren letztlich aus dem Auflieger entladen werden, außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft belegen ist (Anschluss an EuGH, Urteil vom 15.12.2004, Rs. C-272/03).
2. Allein die Absicht, eine Sattelzugmaschine, die ohne Auflieger in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingeführt wird, im Zollgebiet der Gemeinschaft zur Durchführung eines unzulässigen Binnentransports zu verwenden, führt nicht dazu, dass die Sattelzugmaschine als vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht gilt.
Normenkette
Art. 202 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 2913/92 , Art. 718 Abs. 3 VO Nr. 2913/92 , Art. 204 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 2913/92 , Art. 232 Abs. 1 Buchst. b VO Nr. 2454/93 , Art. 233 Buchst. a VO Nr. 2454/93 , Art. 234 Abs. 2 VO Nr. 2454/93 , Art. 859 Nr. 4 VO Nr. 2454/93
Sachverhalt
Ein Spediteur fuhr mit einer Zugmaschine ohne Auflieger in das Zollgebiet der Gemeinschaft; ihm wurde deren vorübergehende Verwendung (stillschweigend) bewilligt. Die Zugmaschine übernahm im Zollgebiet einen in Polen beladenen Sattelanhänger, der kurz zuvor von einer anderen zum Fuhrpark des Spediteurs gehörenden Zugmaschine in das Zollgebiet verbracht worden war. Sie brachte den Auflieger mit seiner Ladung nach Frankreich, wo er entladen wurde. Anschließend fuhren Zugmaschine und Auflieger zurück nach Polen.
Das HZA setzte Zoll und Einfuhrumsatzsteuer fest, weil die Zugmaschine vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden sei.
Entscheidung
Der Transport ist kein von der Bewilligung der vorübergehenden Verwendung gedeckter, sondern ein Binnentransport. Der EuGH hat entschieden (Art. 234 EG), dass es untersagt ist, eine außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft zugelassene Sattelzugmaschine für die Beförderung eines Aufliegers von einem Ort innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft, wo der Auflieger mit Waren beladen wird, zu einem anderen Ort innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft abgabefrei zu verwenden, wenn der Auflieger dort nur abgestellt wird, um später von einer anderen Sattelzugmaschine zu dem außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ansässigen Warenempfänger befördert zu werden.
Hier liegt der umgekehrte, jedoch genauso wenig abgabefreie Fall vor: Der (außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft) beladene Auflieger wurde im Zollgebiet der Gemeinschaft von der Zugmaschine aufgenommen und zu einem anderen Ort in der Gemeinschaft befördert, wo er entladen wurde. Nach Art. 718 Abs. 3 Buchst. d ZKDVO darf eine Sattelzugmaschine im Rahmen der abgabefreien vorübergehenden Verwendung jedoch nur für Beförderungen benutzt werden, die außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft beginnen oder enden. Bei der vorübergehenden Verwendung von Transportmitteln kommt es nicht auf den Weg der von ihnen beförderten Waren, sondern auf den des Transportmittels an!
Hinweis
1. Nach Art. 718 Abs. 3 Buchst. d ZKDVO darf eine Sattelzugmaschine im Rahmen einer Bewilligung der vorübergehenden Verwendung nach Art. 232 Abs. 1 Buchst. b i.V.m. Art. 233 Buchst. a ZKDVO nur für Beförderungen verwendet werden, die außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft beginnen oder enden. Wird sie anders verwendet, entsteht nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK eine Einfuhrzollschuld, weil eine der Pflichten nicht erfüllt wird, die sich bei der an sich einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwendung als Zollverfahren ergeben, es sei denn, dass sich diese Verfehlungen nachweislich auf die ordnungsgemäße Abwicklung des Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben. Letzteres ist allerdings bei einer Verwendung zu einem Binnentransport ohne Bewilligung desselben nicht der Fall, weil eine solche Verwendung überhaupt nicht bewilligt werden kann.
2. Maßgeblich für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen der Art. 230 bis 232 ZKDVO erfüllt sind, sind allerdings nicht die Verwendungsabsichten beim Überschreiten der Zollgrenze, sondern die objektiven Gegebenheiten der späteren Verwendung, auch wenn sie erst im Rahmen einer nachfolgenden Kontrolle aufgedeckt werden können.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.6.2005, VII R 44/02