Leitsatz
Die Beiträge eines Kindes zu einer privaten Krankenversicherung können die Einkünfte und Bezüge mindern. Bei einer geringfügigen Überschreitung des Einkommensgrenzbetrages ist § 32 Abs. 4 EStG verfassungskonform durch eine Übergangsregelung zu ergänzen.
Sachverhalt
Die Tochter der Klägerin, welche am 4. 5. 2002 27 Jahre alt wurde, ging während ihres Studiums einer Aushilfstätigkeit nach und bezog außerdem eine Halbweisenrente. Die Familienkasse hat die Zahlung des Kindergeldes für Januar bis Mai 2002 wegen Überschreitens des anteiligen Grenzbetrages in Höhe von 2995 € abgelehnt. Im Klageverfahren hat die Familienkasse zwar der Berücksichtigung der Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Pflegeversicherung nicht aber der Beiträge zur privaten Krankenversicherung bei der Ermittlung der eigenen Einkünfte und Bezüge zugestimmt. Wegen Überschreitens des Grenzbetrages hat die Familienkasse die Abweisung der Klage beantragt.
Entscheidung
Nach Auffassung des Finanzgerichtes sind die Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung nach den Grundsätzen des BVerfG Beschlusses vom 11.1.2005 bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge des Kindes abzuziehen, wenn sie einen Versicherungsschutz vermitteln, der demjenigen der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Außerdem ist das Gericht der Auffassung, dass bei einer Überschreitung des Grenzbetrages § 32 Abs. 4 EStG verfassungskonkonform durch eine Übergangsregelung zu ergänzen ist. Wenn das Gesetz bei Einkünften und Bezügen des Kindes in Höhe des Grenzbetrages (immer noch) von einer unverminderten Unterhaltspflicht der Eltern ausgeht, kann diese bei einem Anstieg der Einkünfte und Bezüge des Kindes nur um 1 € nicht sofort ganz entfallen. Die Fallbeilwirkung verletzt die im Gesetz angelegte Systematik und macht den Familienleistungsausgleich an dieser Stelle widersprüchlich. Schließlich verletzt die Fallbeilwirkung den aus Art. 3 GG abgeleiteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser Grundsatz verbietet es, aus unwesentlichen Unterschieden gravierende Rechtsfolgen abzuleiten. Nach Auffassung des Senates ist der Kinderfreibetrag um den Betrag zu kürzen, um den die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag übersteigen. Beim Kindergeld ist die Kürzung unter Anwendung des Grenzsteuersatzes zu ermitteln.
Hinweis
Es handelt sich hier um das erste positive Urteil zur fehlenden Härtefallregelung in § 32 Abs. 4 EStG. Es bleibt abzuwarten, ob der BFH in dem anhängigen Revisionsverfahren (Az. III 76/06) diese Frage aufgreift, oder bei Berücksichtigung der privaten Krankenversicherungsbeiträge das Kindergeld gewährt und daher keine Entscheidung zur Härtefallregelung trifft. Bei geringer Überschreitung des Grenzbetrages sollte in jedem Fall Einspruch eingelegt und auf das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO hingewiesen werden.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 23.02.2006, 1 K 76/04