Jean Bramburger-Schwirkslies
Kein lohnsteuerpflichtiges Arbeitsentgelt liegt aber immer dann vor, wenn der Arbeitgeber die jeweiligen Aufwendungen, z. B. die Übernahme von Mitglieds- oder Vereinsbeiträgen für den Arbeitnehmer, im überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse bestreitet. Ob dies der Fall ist, hängt von den Gesamtumständen ab. Sie müssen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung darauf schließen lassen, dass der gewährte Vorteil keine Entlohnung ist, sondern "nur Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung".
Vorteilsaufdrängung
Auch dann liegt kein Arbeitslohn vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Vorteil aufdrängt, also der Arbeitnehmer dessen Inanspruchnahme nicht ablehnen darf und der Vorteil keinen marktgängigen Preis hat.
So prüfen die Finanzrichter das ganz überwiegende Arbeitgeberinteresse
Bei der Prüfung des ganz überwiegenden Arbeitgeberinteresses bzw. eines steuerschädlichen "nicht untergeordneten" Interesses auf der Arbeitnehmerseite geht die Finanzrechtsprechung folgendermaßen vor:
- Zunächst werden die jeweiligen Vorteile, die sich auf der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite ergeben, im Einzelnen ermittelt und anschließend von ihrer Relevanz und Bedeutung her beurteilt und gewichtet.
- Danach wird in einer Gesamtwürdigung geprüft, ob die Vorteile auf der Arbeitgeberseite eindeutig dominieren.
Bei dieser Würdigung aller Umstände spielen u. a. die folgenden Faktoren eine besondere Rolle:
Höhe des Vorteils:
Je höher aus der Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung (finanzielle Entlastung durch die Kostenübernahme des Arbeitgebers) ausfällt, desto eher ist der Rückschluss auf ein schädliches Arbeitnehmerinteresse und Arbeitslohn möglich. Bei einem für den Arbeitnehmer nur geringen geldwerten Vorteil kann das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers stärker ins Gewicht fallen mit der Konsequenz einer steuerfreien Arbeitgeberzuwendung.
Übergeordnete betriebliche Anlässe für die Arbeitgeber-Kostenübernahme und demgegenüber nur ganz untergeordnete Vorteile für den Arbeitnehmer:
Art der Vorteilsgewährung und Anzahl und Wert der Vorteile auf beiden Seiten? Besonders gewichtige betriebliche Anlässe für die Kostenübernahme? Erheblich mehr und gravierendere Vorteile auf der Arbeitgeberseite als beim Arbeitnehmer? In Relation zu den Arbeitgebervorteilen lediglich untergeordnete/wenige/geringwertige Vorteile auf Seiten des Arbeitnehmers?
Person des Vorteilsberechtigten und Auswahl des Begünstigten:
Gibt es nur einen einzigen Vorteilsempfänger, z. B. Geschäftsführer, mehrere Personen wie etwa leitende Angestellte, bestimmte Arbeitnehmer einer betrieblichen Organisationseinheit, oder wird der Vorteil allen gewährt? Gibt es besondere betriebliche Kriterien für die Auswahl des Vorteilsempfängers?
Inanspruchnahme des Vorteils:
Freie Verfügbarkeit durch Arbeitnehmer oder feste Vorgaben des Arbeitgebers? Freiwillige Vorteilsannahme durch den Arbeitnehmer oder vom Arbeitgeber erzwungene bzw. dem Arbeitnehmer quasi aufgedrängte Bereicherung?
Die Gesamtwürdigung dieser Faktoren kann beispielsweise bei der Übernahme von Mitgliedsbeiträgen des Arbeitnehmers zu einem Wirtschaftsclub durch den Arbeitgeber zu dem Ergebnis führen, dass ein ganz überwiegendes Arbeitgeberinteresse und damit kein Arbeitslohn vorliegt. Dieser Fall und die Entscheidung zeigen, wie wichtig es ist, dass die Gesamtumstände für die Vorteilsgewährung lückenlos und glaubhaft belegt werden.
Bei Unsicherheit Anrufungsauskunft einholen
In Zweifelsfällen können und sollten sich Arbeitgeber im Vorgriff auf die geplante Vorteilsgewährung an das Betriebsstätten-Finanzamt wenden und – unter lückenloser Schilderung der Gesamtumstände – eine gebührenfreie sog. Anrufungsauskunft über die richtige lohnsteuerliche Behandlung einholen.