Leitsatz
Beiträge eines beihilfeberechtigten Kindes für eine private Kranken- und Pflegeversicherung sind nicht in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) einzubeziehen, soweit sie auf Tarife entfallen, mit denen der von der Beihilfe nicht freigestellte Teil der beihilfefähigen Aufwendungen für ambulante, stationäre und zahnärztliche Heilbehandlungen abgedeckt wird.
Normenkette
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG
Sachverhalt
Die Familienkasse stellte für die als Beamtin im Vorbereitungsdienst für ein Lehramt beschäftigte Tochter des Klägers das Kindergeld ab Januar 2001 mit der Begründung ein, der Jahresgrenzbetrag werde überschritten. Dagegen berief sich der Kläger auf den Beschuss des BVerfG zur Minderung der Einkünfte des Kindes um die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge und machte geltend, Entsprechendes müsse auch für die Beiträge der Tochter zu ihrer privaten Kranken- und Pflegeversicherung gelten.
Entscheidung
Obwohl der BFH dem Kläger in der Sache recht gab, musste das stattgebende FG-Urteil aufgehoben werden. Denn das FG hatte nicht beachtet, dass der Ablehnungsbescheid der Familienkasse im Februar 2001 ergangen und bestandskräftig geworden war.
Für Januar/Februar ergibt sich indes aufgrund der anderen rechtlichen Beurteilung durch den BFH keine Änderungsmöglichkeit, sondern nur, wenn z.B. der Jahresgrenzbetrag aufgrund weiterer Werbungskosten unterschritten würde (BFH, Urteil vom 28.11.2006, III R 6/06, BFH-PR 2007, 99).
Hinweis
Für ein volljähriges Kind besteht ein Anspruch auf Kindergeld nur dann, wenn seine Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt und geeignet sind, den Jahresgrenzbetrag von gegenwärtig 7.680 € nicht übersteigen.
Nach bisheriger BFH-Rechtsprechung waren die Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht um die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung zu mindern (BFH, Urteil vom 4.11.2003, VIII R 59/03, BFH-PR 2004, 137).
Dieser Auffassung ist das BVerfG nicht gefolgt. Sie benachteiligt Eltern mit sozialversicherungspflichtigen Kindern, deren Einkünfte und Bezüge den Grenzbetrag nur wegen der als Einkünfte behandelten Sozialversicherungsbeiträge überschreiten. Denn ihnen wird das Kindergeld versagt, obwohl die Pflichtbeiträge nicht für den laufenden Unterhalt zur Verfügung stehen, während Eltern mit nicht sozialversicherungspflichtigen Kindern bei gleich hohen Einkünften/Bezügen das Kindergeld erhielten.
Das BVerfG hat daher entschieden, dass jedenfalls die Beträge, die – wie die Sozialversicherungsbeiträge – von Gesetzes wegen dem Kind oder den Eltern nicht zur Verfügung stehen und sie deshalb nicht finanziell entlasten, nicht als Einkünfte anzusetzen sind. In welchen weiteren Fällen dies ebenfalls gelten soll, hat das BVerfG ausdrücklich offen gelassen (BVerfG, Beschluss vom 11.1.2005, 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164).
Der BFH hat nun den vom BVerfG aufgestellten Grundsatz, dass Aufwendungen, die dem Kind nicht zur Verfügung stehen, nicht als Einkünfte angesetzt werden dürfen, auch auf die Beiträge für eine private Krankenversicherung des Kindes angewandt. Andernfalls würden Eltern privat versicherter Kinder gegenüber Eltern mit pflichtversicherten Kindern benachteiligt. Denn die Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung rechnen zu den unvermeidbaren Vorsorgeaufwendungen und sind für die Eltern ebenso wie die gesetzlichen Beiträge nicht disponibel, sondern "existenziell notwendig". Dies gilt auch für als Beamte beihilfeberechtigte Kinder. Auch für sie ist eine Krankenversicherung notwendig, da die Beihilfe nur einen Teil – grundsätzlich 50 % – der Krankheitskosten abdeckt.
Die Berücksichtigung der Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung, die den nicht von der Beihilfe abgedeckten Teil absichert, ist jedoch der Höhe nach nicht unbegrenzt möglich, sondern nur für die Tarife, mit denen der von der Beihilfe nicht freigestellte Teil der beihilfefähigen Aufwendungen abgedeckt wird. Einen Vergleich mit dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung lehnt der BFH wegen der systembedingten Strukturunterschiede ab.
Für die Pflegeversicherung ergibt sich die Abziehbarkeit der Beiträge schon daraus, dass ein Kind, das nach beamtenrechtlichen Vorschriften bei Pflegebedürftigkeit Anspruch auf Beihilfe hat und nicht freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist, kraft Gesetzes zum Abschluss einer privaten Pflegeversicherung verpflichtet ist (§ 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XI). Im Übrigen sind privat Krankenversicherte grundsätzlich verpflichtet, sich privat gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit abzusichern (§ 23 Abs. 1 SGB XI).
Diskutiert wird, ob und in welchem Umfang weitere nicht auf gesetzlicher Grundlage beruhende Aufwendungen des Kindes zur Vorsorgesicherung, z.B. Beiträge zu privaten Renten-, Unfall- und Lebensversicherungen des Kindes, berücksichtigt werden müssen. Ebenso wird erörtert, ob die im Kalenderjahr gezahlte Lohn-/Einkommensteuer und der Solidaritätszuschlag wie die Sozialversicherun...