Kommentar
Die Inanspruchnahme des Arbeitgebers als Haftender ist unbillig und ein gleichwohl ergangener Haftungsbescheid aufzuheben, wenn der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug in Übereinstimmung mit allgemeinen Weisungen der zuständigen oberen Finanzbehörden der Länder oder des Bundes vorgenommen hat. Dies entspricht der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. z. B. BFH, Urteil v. 25. 10. 1985, VI R 130/82, BStBl 1986 II S. 98 ), der sich die Finanzverwaltung angeschlossen hat (Abschn. 145 Abs. 7 Nr. 2c). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber im konkreten Fall Kenntnis von der diesbezüglichen Anordnung hatte. Denn anders als bei der nach § 42e EStG erteilten Anrufungsauskunft, die nur „im einzelnen Fall” und nur dem anfragenden Arbeitgeber gegenüber zu einer Bindung führt, genügt bei allgemeinen Anweisungen, daß der Lohnsteuerabzug objektiv in Übereinstimmung mit den diesbezüglichen amtlichen Vorgaben durchgeführt wird ( Lohnabrechnung ). Diese im Rahmen der Ermessensausübung vorzunehmenden Sphärenzuordnung trägt dem Umstand Rechnung, daß der Arbeitgeber von Gesetzes wegen zum Lohnsteuerabzug verpflichtet ist und dafür als „Beauftragter” der Steuerbehörden weder eine Tätigkeits- noch eine Haftungsprämie erhält ( Lohnsteuerhaftung ).
Aus Gründen der Gleichbehandlung und im Hinblick auf die außergewöhnlich große Rechtsunsicherheit, die im 2. Halbjahr 1990 über das im Beitrittsgebiet anzuwendende Lohnsteuerrecht geherrscht hat, erscheint es angemessen, die Arbeitshinweise des Ministeriums der Finanzen der ehemaligen DDR vom 22. 8. 1990 bereits für Lohnzuflüsse ab dem 1. 7. 1990 für verbindlich anzusehen, weil das Ministerium der Finanzen der ehemaligen DDR diesen Zeitpunkt ausdrücklich für maßgebend erklärt hat. Hat sich der Arbeitgeber beim Lohnsteuerabzug an diese Arbeitshinweise gehalten, ist seine Haftungsinanspruchnahme ungeachtet dessen ermessenswidrig , daß die Arbeitshinweise erst im Bundessteuerblatt vom 19. 10. 1990 veröffentlicht worden sind.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 06.12.1996, VI R 18/96
Hinweis:
Der BFH ließ in der vorstehend mitgeteilten Entscheidung offen, welche Rechtsqualität den Arbeitshinweisen des Ministeriums der Finanzen der ehemaligen DDR vom 22. 8. 1990, BStBl 1990 I S. 546 beizumessen ist. Insbesondere wurde nicht entschieden, ob den betroffenen Arbeitnehmern gegenüber eine Steuerbefreiung begründet worden ist. Denn jedenfalls war es ermessensfehlerhaft, die Arbeitgeberin in Anspruch zu nehmen, obwohl der Lohnsteuerabzug in Übereinstimmung mit den in den Arbeitshinweisen vorgenommenen Verwaltungsanweisungen erfolgt war.