Leitsatz
Bei einem Antrag auf eine besondere Veranlagung hat keine gemeinsame Bekanntgabe von Einkommensteuerbescheiden zu erfolgen.
Sachverhalt
Der Kläger heiratete im Jahr 2000 und beantragte wie seine Ehefrau für dieses Jahr die besondere Veranlagung nach § 26c EStG. Das Finanzamt führte allerdings zunächst eine Zusammenveranlagung durch, der Bescheid wurde beiden Eheleuten bekannt gegeben. Berücksichtigt wurden jedoch in diesem Bescheid nur die Einkünfte der Ehefrau. Hierdurch entstand eine Erstattung von rund 1.500 EUR auf das Konto der Ehefrau. Ein kurz darauf ergangener Bescheid an den Ehemann erfolgte antragsgemäß. Der Bescheid für die Ehefrau wurde daraufhin nach § 129 AO aufgehoben. Der Aufhebungsbescheid ging erneut an beide Ehegatten. Der Ehemann bezahlte den Erstattungsbetrag und festgesetzte Zinsen. Doch fünf Jahre später forderte er diesen bezahlten Betrag zurück vom Finanzamt, da nur seine Ehefrau zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Der Einspruch gegen den Aufhebungsbescheid blieb erfolglos.
Entscheidung
Das Finanzgericht Baden-Württemberg gab der Klage statt. Es entschied, dass der Aufhebungsbescheid nicht wirksam bekannt gegeben worden sei. Die Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides an beide Ehegatten unter der gemeinsamen Anschrift sei rechtswidrig gewesen. Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sei ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von diesem betroffen ist. Sind mehrere Personen betroffen, hat grundsätzlich jedem Beteiligten gegenüber eine Einzelbekanntgabe zu erfolgen. Zwar gibt es hiervon Ausnahmen, doch greifen diese hier nicht ein. Die Eheleute haben zwar keine ausdrückliche Einzelbekanntgabe beantragt, aus der Tatsache, dass sie zwei getrennte Steuererklärungen abgegeben haben, sei aber konkludent zu schließen, dass sie keine gemeinsame Bekanntgabe wünschen. Auch aus der Tatsache, dass das Finanzamt zunächst gegen den Willen der Eheleute eine Zusammenveranlagung durchgeführt habe, ergibt sich hierbei nicht Gegenteiliges.
Hinweis
Formalien werden oftmals als lästig empfunden - und sind es teilweise auch. In manchen Fallgestaltungen wirken sie sich allerdings auch positiv zu Gunsten eines Steuerpflichtigen aus, nämlich dann, wenn das Finanzamt diese Formalien nicht einhält. Dadurch, dass die Eheleute zwei Steuererklärungen abgegeben haben, haben sie zumindest den Anschein erweckt, dass sie auch zwei Steuerbescheide wünschen. Wenn das so ist, muss sich auch das Finanzamt daranhalten und darf nicht "einfach" einen Bescheid an beide Eheleute bekanntgeben. Insofern erscheint die Entscheidung zutreffend. Welche Besonderheiten bei der Bekanntgabe von Bescheiden an Eheleute zu beachten sind, ist hierbei informativ im Anwendungserlass zur AO festgehalten, AEAO Nr. 2.1 zu § 122. Sofern bei der Bekanntgabe an Eheleute fraglich ist, ob diese zutreffend erfolgt ist, bieten sich als erster Überblick die Ausführungen dort an.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, da das Finanzgericht die Revision zum BFH zugelassen hat, Az beim BFH III R 6/19.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 04.12.2018, 11 K 1210/16