Leitsatz
Soll bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegmäßig durch einen CMR-Frachtbrief nachgewiesen werden, ist es grundsätzlich erforderlich, die für die Ablieferung vowrgesehene Stelle (Bestimmungsort) anzugeben.
Normenkette
§ 6a Abs. 3 und 4 S. 1 UStG, § 10 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, § 17a Abs. 1 und 4 UStDV, § 408 Abs. 1 Nr. 4 HGB, Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der 6. EG-RL, Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL
Sachverhalt
Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer KG. Die KG verkaufte Getränkedosen an Abnehmer aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Aufträge waren per Telefon oder Telefax erteilt worden. Der von dem ausländischen Abnehmer beauftragte Spediteur bescheinigte auf dem CMR-Frachtbrief, die Ware in Empfang genommen zu haben. Die Ware wurde bar bezahlt.
Die KG behandelte die Umsätze als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Das FA sah sie demgegenüber als steuerpflichtig an, nachdem die Steuerfahndungsstelle festgestellt hatte, dass die Lieferungen nicht an die genannten Firmen ausgeführt worden seien, sondern an Abnehmer in Deutschland.
Das FG Hamburg wies die Klage ab. Es sah die CMR-Frachtbriefe nicht als geeignete Versendungsbelege i.S.d. § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStDV an. Dies gelte insbesondere, weil sie unvollständig ausgefüllt worden und ganz überwiegend keine Angaben zum Ort und Zeitpunkt des Empfangs der Lieferung in Feld 24 enthalten seien (Urteil vom 05.12.2007, 7 K 71/06, Haufe-Index 1917650, EFG 2008, 653).
Entscheidung
Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Der BFH entschied, dass im Rahmen des Nachweises einer innergemeinschaftlichen Lieferung ein CMR-Frachtbrief ein geeigneter Versendungsbeleg sein könne. Die Sache sei jedoch nicht spruchreif, weil sich dem FG-Urteil nicht entnehmen lasse, in welchem Umfang die vorgelegten CMR-Frachtbriefe ausgefüllt gewesen seien.
Hinweis
1. Für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 S. 1 UStG) soll der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllen.
Kommt der Unternehmer diesen Nachweispflichten nicht nach, erweisen sich seine Angaben als unzutreffend oder bestehen an ihrer inhaltlichen Richtigkeit zumindest berechtigte Zweifel, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen. Auch wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nachkommt, ist die Lieferung ausnahmsweise auch dann steuerfrei, wenn aus anderen Gründen objektiv feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH, Urteil vom 12.05.2009, V R 65/06, BFH/NV 2009, 1555).
2. Wird ein Gegenstand vom Unternehmer oder dessen Abnehmer in einen anderen Mitgliedstaat versendet, soll der Unternehmer den Nachweis dafür nach § 17a Abs. 4 S. 1 UStDV durch das Doppel der Rechnung und durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV führen. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV ist der Nachweis u.a. "durch einen Versendungsbeleg, insbesondere durch Frachtbrief, Konnossement, Posteinlieferungsschein oder deren Doppelstücke" zu führen.
Dazu hat der BFH entschieden, dass ein CMR-Frachtbrief als Frachtbrief i.S. dieser Vorschrift anzusehen ist (BFH, Urteil vom 12.05.2009, V R 65/06, BFH/NV 2009, 1555). Dem hat sich die Finanzverwaltung angeschlossen (vgl. BMF, Schreiben vom 05.05.2010, BStBl I 2010, 508, Rz. 37).
Der BFH hat in diesem Urteil weiter entschieden, dass es für die Anerkennung eines CMR-Frachtbriefs als Versendungsbeleg nicht erforderlich sei, dass dieser die in Feld 24 vorgesehene Empfängerbestätigung aufweist.
3. Der Nachweis der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen CMR-Frachtbrief erfordert jedoch grundsätzlich die Angabe der für die Ablieferung vorgesehenen Stelle, also des Bestimmungsortes. Dies ergibt sich sowohl aus § 408 Abs. 1 Nr. 4 HGB als auch aus Art. 6 Nr. 1 Buchst. d des CMR-Übereinkommens.
Dem steht nicht entgegen, dass der V. Senat des BFH in Abholfällen für die Angabe des Bestimmungsorts die Rechnungsanschrift hat ausreichen lassen (BFH, Urteil vom 07.12.2006, V R 52/03, BFH/NV 2007, 634, BFH/PR 2007, 148). Denn er hat dies mit dem Hinweis auf das Fehlen handelsüblicher Belege begründet. Dagegen liegt mit dem Frachtbrief, in dem der Bestimmungsort anzugeben ist, ein handelsüblicher Beleg vor.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 04.05.2011 – XI R 10/09