Leitsatz
Beim Erwerb eines noch zu bebauenden Grundstücks sind die Bauerrichtungskosten nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen, wenn das Grundstück von einer zur Veräußererseite gehörenden Person mit bestimmendem Einfluss auf das "Ob" und "Wie" der Bebauung erworben wird.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1, Abs. 2 GrEStG
Sachverhalt
Der Kläger, ein Immobilienmakler, hatte Kontakt zu einer Kirchengemeinde, die wiederum über Grundstücke verfügte. Der Kläger ließ von der A KG, die mit ihm kooperierte, Planungsunterlagen für die Bebauung und spätere Vermarktung von sechs Eigentumswohnungen auf diesen Grundstücken erstellen. Zu diesem Zweck fertigte der Kläger ein Exposee, welches für die sechs Wohnungen genaue Angaben u.a. über Größe und Kaufpreis enthielten. Es wurde der Erwerb dieser Eigentumswohnungen "aus einer Hand" angeboten; Ansprechpartner war der Kläger.
Nachdem die Kirchengemeinde das Erbbaurecht mit der Berechtigung und Verpflichtung bestellt hatte, auf diesem Recht Eigentumswohnungen zu errichten, erwarb der Kläger einen Erbbaurechtsanteil mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 3.
Der Beklagte setzte Grunderwerbsteuer gegen den Kläger unter Berücksichtigung des kapitalisierten Erbbauzinses und des Kaufpreises für die Wohnung fest. Einspruch und Klage (FG Münster, Urteil vom 23.4.2015, 8 K 2116/12 GrE, Haufe-Index 8821166, EFG 2016, 144) blieben erfolglos. Mit seiner Revision hatte der Kläger eine Verletzung der Vorschriften über die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gerügt.
Entscheidung
Die Revision hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids. Die Bauerrichtungskosten – so der BFH – sind im Streitfall nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen. Zwar gehören bei einem Grundstückskauf nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung. Ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen Grundstückskauf und Errichtung des Gebäudes, der zu einem einheitlichen Erwerbsgegenstand mit entsprechend verbreiteter Bemessungsgrundlage führt, liegt vor, wenn der Erwerber in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Baumaßnahme nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur im bebauten Zustand erhalten werde. Auf der Veräußererseite können mehrere Personen als Vertragspartner auftreten, die dann entsprechend verbunden handeln müssen. Diese Grundsätze gelten auch für die Bestellung eines Erbbaurechts.
Für den Erwerb eines Grundstücks im bebauten Zustand ist es damit typisch, dass der Erwerber in seinen Möglichkeiten hinsichtlich des Grundstücks und des zu errichtenden Gebäudes eingeschränkt ist. Auf der anderen Seite ist eine Person, die zur Veräußererseite gehört und bei der Bebauung mitwirkt, indem sie diese maßgebend beeinflusst, grunderwerbsteuerlich nicht Erwerber eines Grundstücks mit späterer Bebauung, sondern selbst Bauherr. Denn diese Person wirkt auf die für die Einheitlichkeit des Erwerbsgegenstandes entscheidende Verknüpfung der einzelnen Verträge erst hin.
So liegt es im Streitfall. Der Kläger hat auf die Errichtung der Eigentumswohnungsanlage maßgebend Einfluss genommen. Aufgrund der Absprache mit der Kirchengemeinde und der A KG gehört er zur Veräußererseite. Bemessungsgrundlage ist daher für ihn lediglich der kapitalisierte Erbbauzins.
Hinweis
Der Besprechungsfall handelt vom Modell des "einheitlichen Vertragswerks" bzw. "einheitlichen Erwerbsgegenstands". Grundsätzlich gehören die Kosten für die Errichtung eines Gebäudes auf einem Grundstück, das zuvor gekauft wurde, nicht zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit dem Grundstückskauf in einem rechtlichen oder sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand. Als Folge werden auch die Gebäudeerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer mit einbezogen. Die Finanzverwaltung hat zu dieser Problematik eine detaillierte Stellungnahme erlassen, die sich im Wesentlichen mit der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung deckt (vgl. Gleichlautende Ländererlasse vom 20.9.2017, BStBl I 2017, 1328).
Vorliegend war streitig, ob auch derjenige, der die Verknüpfung zwischen Kaufvertrag und Bauerrichtung selbst erst herbeiführt, den Regeln des einheitlichen Erwerbsgegenstandes unterworfen wird, wenn er selbst eine Immobilie (Eigentumswohnung) aus dem Projekt erwirbt. Die Finanzverwaltung verneint dies (Ländererlasse, a.a.O., Tz. 4.1 – was freilich die Frage aufwirft, warum der Sachverhalt zum Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung wurde).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 25.4.2018 – II R 50/15