Leitsatz
Ein Reisender, der aus einem Drittland nach Deutschland mit Waren einreist, von denen er weiß oder bei denen er zumindest für möglich halten muss, dass sie anzumelden und dass für sie Einfuhrabgaben zu entrichten sind, muss sich über die Bedeutung des roten und des grünen Ausgangs an den Flughäfen Kenntnis verschaffen, wenn er diese Kenntnis nicht bereits besitzt. Tut er dies nicht und benutzt den grünen Ausgang in der Annahme, die von ihm erwarteten zollrechtlichen Erklärungen bei oder sogar noch nach Durchschreiten dieses Ausgangs abgeben zu können, begeht er im Allgemeinen eine zumindest leichtfertige Steuerverkürzung, sodass ein Zollzuschlag erhoben werden kann.
Normenkette
§ 32 Abs. 3 ZollVG, § 370, § 378 AO
Sachverhalt
Ein Ehepaar reiste aus Ägypten kommend über den Flughafen X nach Deutschland ein und benutzte dabei den grünen Ausgang. Es hatte, wie bei einer Zollkontrolle festgestellt wurde, im Reisegepäck weit über die Einreisefreimengen hinaus Zigaretten bei sich. Hierfür setzte das HZA neben den pauschalierten Einfuhrabgaben einen Zollzuschlag fest.
Das FG sah jedoch nach Vernehmung zweier Zeugen die Voraussetzungen für die Erhebung eines Zollzuschlags als nicht erfüllt an, weil dem Ehepaar die mit der Benutzung des grünen Ausgangs verbundenen zollrechtlichen Folgen möglicherweise nicht bekannt waren und auch nicht in einer ihre Leichtfertigkeit begründenden Weise hätten bekannt sein müssen. Die diesbezüglichen Regelungen seien für Personen ohne zollrechtliche Vorbildung nicht nachvollziehbar. Gingen Reisende davon aus, sie könnten gegenüber dem am grünen Ausgang stehenden Beamten immer noch wirksam eine Zollanmeldung abgeben, fehle ihnen der Vorsatz für eine Steuerhinterziehung.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen. Die Frage, ob die Benutzung des grünen Ausgangs zur Erfüllung des subjektiven Tatbestands einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung führt, sei nicht klärungsbedürftig; denn es sei klar, dass ein Reisender sich über die Bedeutung des roten und des grünen Ausgangs an den Flughäfen Kenntnis verschaffen muss; tue er dies nicht und benutzt den grünen Ausgang in der Annahme, die von ihm erwarteten zollrechtlichen Erklärungen bei oder sogar noch nach Durchschreiten dieses Ausgangs abgeben zu können, begehe er im Allgemeinen eine zumindest leichtfertige Steuerverkürzung. Alles andere sei eine Frage des Einzelfalls; die Würdigung des FG, das Paar habe ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen dürfen, die Zollanmeldung noch bei einem Beamten "im" grünen Ausgang abgeben zu können, widerspreche nicht den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen und entbehre nicht einer einsichtigen, verstandesmäßig nachvollziehbaren Begründung.
Sofern das Urteil des FG freilich dahin zu verstehen sein sollte, dass das FG eine allgemeine Beweiswürdigungsregel dahin gehend aufstellen möchte, Reisenden, die einfuhrabgabepflichtige Waren mitbringen, könne bei Benutzung des grünen Ausgangs im Allgemeinen, d.h. vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls, z.B. außergewöhnlicher zollrechtlicher Kenntnisse des Betreffenden, kein Schuldvorwurf nach §§ 370, 378 AO gemacht werden, kann von dem vom HZA angestrebten Revisionsverfahren die Widerlegung eines solchen (unzutreffenden) Rechtssatzes nicht erwartet werden, weil das Urteil des FG angesichts der von diesem durchgeführten Beweiserhebung über die subjektiven Vorstellungen und Absichten der Kläger nicht auf einer solchen Beweiswürdigungsregel, sondern auf einer für das Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls beruhen dürfte.
Hinweis
1. Ein sog. Zollzuschlag kann in Bagatellfällen von Zollvergehen im Reiseverkehr erhoben werden (vgl. im Einzelnen § 32 Abs. 3 ZVG). Er tritt neben die Einfuhrabgaben, wird u.a. durch deren Höhe begrenzt und soll eine Sanktion darstellen, die die Verhängung einer solchen im Straf- oder Bußgeldverfahren erübrigt.
Voraussetzung für die Erhebung des Zollzuschlags ist also immer strafrechtliche Schuld des Zollbeteiligten.
2. Den grünen Ausgang darf man nicht mit einfuhrabgabepflichtigen Waren durchschreiten. Wer das nicht weiß oder anhand der Hinweise an dem betreffenden Ausgang begreift, muss sich zumindest die Frage nach der Bedeutung des grünen und roten Ausgangs stellen und sich folglich über dieselbe in geeigneter Weise informieren. Tut er das nicht, handelt er leichtfertig.
3. Ausnahmefälle sind freilich denkbar, vielleicht etwa bei sehr alten oder weltfremden Personen. Die Voraussetzungen für die Annahme eines solchen Ausnahmefalls muss aber der Tatrichter genau darlegen; sonst wird der BFH seine Entscheidung mangels Nachvollziehbarkeit im Revisionsverfahren aufheben müssen.
4. Im Besprechungsfall handelte es sich aber nicht um ein Revisionsverfahren, sondern um ein Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision. Hier hätte das HZA einen Revisionszulassungsgrund darlegen müssen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), z.B. dass die Ta...