Leitsatz
Das Elterngeld zählt bei der Berechnung des abzugsfähigen Unterhaltshöchstbetrags in vollem Umfang und damit einschließlich des Sockelbetrags (§ 2 Abs. 4 BEEG) zu den anrechenbaren Bezügen des Unterhaltsempfängers i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV.
Normenkette
§ 33a Abs. 1 Satz 5 EStG i.d.F. des BürgEntlG KV, § 2 Abs. 4, § 11 Satz 1, BEEG
Sachverhalt
Die ledige Klägerin – Mutter von Zwillingen – machte im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung Unterhaltsaufwendungen an den unterhaltsberechtigten Vater ihrer Kinder für die Monate November und Dezember 2012 als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 EStG geltend. Der Kindsvater erhielt in diesem Zeitraum Elterngeld nach BEEG in Höhe von monatlich ca. 1.000 EUR. Das FA berücksichtigte den geltend gemachten Unterhaltsaufwand nicht. Das Elterngeld, das in vollem Umfang (und nicht um den Sockelbetrag vermindert) als anrechenbarer Bezug des Unterhaltsberechtigten anzusehen sei, übersteige den anteiligen Unterhaltshöchstbetrag, sodass die von der Klägerin geleisteten Unterhaltsaufwendungen nicht nach § 33a EStG abziehbar seien. Die dagegen erhobene Klage wies das FG ab (Sächsisches FG, Urteil vom 15.10.2015, 1 K 436/14, Haufe-Index 9197282, EFG 2016, 914).
Entscheidung
Die Revision der Klägerin wies der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen zurück.
Hinweis
1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 8.004 EUR im Kalenderjahr (u.U. erhöht um Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, Unterhaltshöchstbetrag) vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG).
2. Hat die unterhaltene Person andere Einkünfte oder Bezüge, so vermindert sich der Unterhaltshöchstbetrag um den Betrag, um den diese Einkünfte und Bezüge den Betrag von 624 EUR im Kalenderjahr übersteigen.
3. Unter Bezügen i.S.d. § 33a Abs. 1 Satz 5 1. Halbsatz EStG sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu verstehen, also auch nicht steuerbare oder – z.B. in den §§ 3 und 3b EStG – für steuerfrei erklärte Einnahmen, die nicht bereits im Rahmen der Einkünfteermittlung erfasst werden.
4. Das Elterngeld nach dem BEEG ist eine einheitliche Lohnersatzleistung (vgl. BFH, Beschluss vom 21.9.2009, VI B 31/09, BFH/NV 2009, 2139). Die von der Klägerin vorgebrachte Zweiteilung des Elterngelds in einen (nicht anrechenbaren) rein sozialrechtlichen Sockelbetrag nach § 2 Abs. 4 BEEG (§ 2 Abs. 5 BEEG i.d.F. vom 5.12.2006, BGBl I 2006, 2748) und in einen den Einkünfteausfall ausgleichenden darüber hinausgehenden (anrechenbaren) Aufstockungsbetrag lässt sich weder dem BEEG selbst noch der Begründung des Gesetzentwurfs und den weiteren Gesetzgebungsmaterialien entnehmen (BT-Drucks. 16/1889, BT-Drucks. 16/2454, BT-Drucks. 16/2785).
Umfang der Bezügeanrechnung weiterhin ungeklärt
Offengeblieben ist in der Besprechungsentscheidung, ob auf den Unterhaltshöchstbetrag gemäß § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG weiterhin nur solche Bezüge anzurechnen sind, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, oder hierzu nunmehr auch zweckgebundene Bezüge zählen, die dem Unterhaltsberechtigten für seinen üblichen Lebensunterhalt tatsächlich nicht zur Verfügung stehen.
Derartige zweckgebundene Bezüge blieben bislang bei der Berechnung des Unterhaltshöchstbetrags nach § 33a Abs. 1 EStG a.F. außer Ansatz (BFH, Urteil vom 22.7.1988, III R 175/86, BFHE 154, 115, BStBl II 1988, 939; BFH, Urteil vom 11.7.1990, III R 111/86, BFHE 162, 231, BStBl II 1991, 62; BFH, Urteil vom 19.6.2002, III R 28/99, BFH/NV 2002, 1520).
Eine Erweiterung des Begriffs der "Bezüge" in § 33a EStG auch auf zweckgebundene Bezüge ließe sich insoweit daraus ableiten, dass der in § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. (jetzt: Satz 5) enthaltene Verweis auf § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung (BürgEntlG KV) vom 16.7.2009 (BGBl I 2009, 1959) gestrichen wurde.
5. Der Sockelbetrag des Elterngeldes (§ 2 Abs. 4 BEEG) ist auch nicht wegen § 11 Satz 1 BEEG bei der Berechnung des Unterhaltshöchstbetrags gemäß § 33a Abs. 1 EStG anrechnungsfrei zu stellen. Zwar bleibt der Sockelbetrag des Elterngeldes nach dieser Vorschrift bei der Bemessung eines zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs in der Regel anrechnungsfrei. Diese sozialrechtliche Wertung lässt sich jedoch nicht auf das Steuerrecht übertragen. Denn sie hat in die Anrechnungsvorschrift des § 33a Abs. 1 Satz 4 (jetzt: Satz 5) EStG keinen Eingang gefunden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.10.2016 – VI R 57/15