Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Ist jedoch die mehr als theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums gegeben, liegt keine offenbare Unrichtigkeit vor.
Sachverhalt
Eine Kapitalgesellschaft reichte die Steuererklärungen für 2009 einschließlich der dazugehörenden Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung beim Finanzamt ein. Darunter befand sich auch die vom Geschäftsführer unterschriebene Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2009, in der in Zeile 5 des amtlichen Vordrucks der festzustellende Betrag des steuerlichen Einlagekontos mit 0 EUR angegeben war. Im Jahresabschlussbericht war unter dem Bilanzposten "Kapitalrücklage" ein Betrag von 10 Mio. EUR ausgewiesen.
Das Finanzamt nahm Ende 2011 eine erklärungsgemäße Veranlagung vor und stellte das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2009 mit 0 EUR fest. Die Bescheide wurden bestandskräftig.
Ende 2012 beantragte die Kapitalgesellschaft die Berichtigung des Feststellungsbescheids zum 31.12.2009 wegen offenbarer Unrichtigkeit. Mit der mechanischen Übernahme der fehlerhaften (Nicht-)Eintragung sei dem Finanzamt bei Erlass des Bescheids ein Schreibfehler bzw. eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit unterlaufen. Das Finanzamt lehnte die begehrte Berichtigung ab.
Entscheidung
Das Finanzgericht hat dem Finanzamt Recht gegeben. Zwar könne eine offenbare Unrichtigkeit auch dann vorliegen, wenn das Finanzamt eine in der Steuererklärung enthaltene offenbare, d. h. für das Finanzamt erkennbare Unrichtigkeit als eigene übernimmt. Sei jedoch die mehr als theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums gegeben, liege keine offenbare Unrichtigkeit vor. Auch eine vom Sachbearbeiter unterlassene Sachverhaltsermittlung sei kein mechanisches Versehen.
Hinsichtlich der gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2009 ergebe sich die Unrichtigkeit des steuerlichen Einlagekontos mit 0 EUR anstelle mit 10 Mio. EUR nicht ohne weiteres aus der mit den Steuererklärungen für das Jahr 2009 eingereichten Schlussbilanz. Vielmehr bestehe insoweit die ernsthafte Möglichkeit eines Rechtsirrtums oder einer unterlassenen Sachverhaltsermittlung, die eine Berichtigung nach § 129 AO ausschlösse. Der zutreffende Ansatz des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2009 sei das Ergebnis einer rechtlichen Prüfung, die zudem weitere Sachverhaltsermittlungen erforderten.
Hinweis
Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, ist jeweils nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen (BFH, Urteil v. 27.5.2009, X R 47/08, BStBl 2009 II S. 946, m. w. N.).
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 14.12.2015, 7 K 2772/14