Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
3.1 Sachverhalt
Einzelhändler E aus Essen hat bei dem Zulieferer Z aus Zaandam (NL) im Dezember 2020 Elektroartikel im Nettowert von 100.000 EUR gekauft. Da sich die Ware nach einem stornierten Konsignationslagerfall schon in Deutschland befindet, konnte Z kurzfristig noch im Dezember 2020 einen Transport von dem deutschen Lagerort nach Essen zu E organisieren. Da Z im Dezember 2020 noch nicht über eine umsatzsteuerliche Registrierung verfügte, hat er anstelle einer deutschen Steuernummer oder einer deutschen USt-IdNr. nur "Steuernummer folgt" vermerkt. Außerdem ergibt sich weder aus der Rechnung noch aus anderen Unterlagen eindeutig das Lieferdatum. Ansonsten ist die Rechnung ordnungsgemäß und weist insbesondere eine gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer von 16.000 EUR aus.
Nachdem eine umsatzsteuerliche Registrierung des Z in Deutschland stattgefunden hat, sendet er im Februar 2021 an E eine korrigierte Rechnung, in der die zutreffende deutsche Steuernummer als auch das zutreffende Lieferdatum angegeben sind.
3.2 Fragestellung
E hat vorsorglich im Dezember 2020, da die Rechnung zu diesem Zeitpunkt noch nicht fehlerfrei war, keinen Vorsteuerabzug vorgenommen. Er möchte wissen, welche Rechtsfolgen sich für ihn bei Vorlage der korrigierten Rechnung im Februar 2021 ergeben.
3.3 Lösung
Z ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, der im Rahmen seines Unternehmens gegen Entgelt eine Lieferung ausführt. Da sich die Gegenstände zum Zeitpunkt des Beginns der Warenbewegung nach den Sachverhaltsangaben in Deutschland befinden, ist der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 5a i. V. m. Abs. 6 Satz 4 UStG dort, wo die Gegenstände dem beauftragten Dritten übergeben werden – hier im Inland i. S. d. § 1 Abs. 2 UStG. Die Lieferung durch Z ist damit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG in Deutschland steuerbar.
Keine Auswirkung der Konsignationslagerregelung
Die Gegenstände waren nach dem Sachverhalt offensichtlich im Rahmen der Konsignationslagerregelung nach Deutschland gelangt. Wären die Gegenstände an den schon beim Transport von den Niederlanden nach Deutschland bestimmten Abnehmer verkauft worden, hätte sich für Z ein in den Niederlanden steuerbarer, aber steuerfreier Umsatz als innergemeinschaftliche Lieferung ergeben. Der eigentlich vorgesehene Abnehmer hätte dann einen innergemeinschaftlichen Erwerb realisiert. Nach den Sachverhaltsangaben ist die vorgesehene Konsignationslagerlieferung aber storniert worden und es handelt sich offensichtlich bei E auch nicht um einen "ausgetauschten Abnehmer" i. S. d. § 6b Abs. 5 UStG. Z muss deshalb im Zeitpunkt des Wegfalls der Voraussetzungen der Konsignationslagerregelung ein innergemeinschaftliches Verbringen (an sich selbst) der Besteuerung unterwerfen und damit in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 1a Abs. 2 UStG besteuern.
Die Lieferung des Z an E im Dezember 2020 unterliegt auch keiner Steuerbefreiung, insbesondere liegt keine innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a UStG vor, da der Gegenstand bei der Lieferung nicht aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat gelangt. Es entsteht auf der Bemessungsgrundlage von 100.000 EUR eine Umsatzsteuer bei einem Steuersatz von 16 % i. H. v. 16.000 EUR. Steuerschuldner für die Lieferung ist der leistende Unternehmer.
Keine Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens
Obwohl der leistende Unternehmer ein ausländischer Unternehmer ist, geht die Steuerschuld nicht auf den Leistungsempfänger über. Die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG setzt eine Werklieferung oder sonstige Leistung voraus – hier liegt nur eine Lieferung vor.
Die Umsatzsteuer entsteht bei Z für den Voranmeldungszeitraum Dezember 2020.
Unternehmer E erhält die Lieferung für sein Unternehmen von einem anderen Unternehmer, sodass grundsätzlich die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG vorliegen. Allerdings ist dafür die Vorlage einer ordnungsgemäßen Rechnung i. S. d. § 14 und § 14a UStG erforderlich. Eine solche ordnungsgemäße Rechnung liegt für den Dezember 2020 (noch) nicht vor, da weder das Leistungsdatum noch die Steuernummer oder USt-IdNr. des leistenden Unternehmers in dieser Rechnung enthalten sind.
Kein Nachweis aus anderen Dokumenten möglich
Nach den Sachverhaltsangaben können diese fehlenden Rechnungsangaben auch nicht durch andere objektive Nachweise gem. Abschn. 15.2a Abs. 1a UStG geführt werden.
Allerdings ist die Rechnung aus dem Dezember 2020 eine berichtigungsfähige Rechnung i. S. der Rechtsprechung des BFH, da sie alle für eine Rechnung wesentlichen Informationen zutreffend enthält – insbesondere ist nach den Sachverhaltsangaben auch ein gesonderter Steuerausweis vorhanden. Durch die Vorlage der um die fehlenden Rechnungsbestandteile ergänzten Rechnung im Februar 2021 liegt damit eine zulässige rückwirkende Rechnungsberichtigung vor, die E den Vorsteuerabzug für Dezember 2020 ermöglicht. E hat damit für den Voranmeldungszeitraum Dezember 2020 den Vorsteuerabzug i. H. v. 16.000 EUR. Hinde...