Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Z ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, der im Rahmen seines Unternehmens gegen Entgelt eine Lieferung ausführt. Da sich die Gegenstände zum Zeitpunkt des Beginns der Warenbewegung nach den Sachverhaltsangaben in Deutschland befinden, ist der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 5a i. V. m. Abs. 6 Satz 4 UStG dort, wo die Gegenstände dem beauftragten Dritten übergeben werden – hier im Inland i. S. d. § 1 Abs. 2 UStG. Die Lieferung durch Z ist damit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG in Deutschland steuerbar.
Keine Auswirkung der Konsignationslagerregelung
Die Gegenstände waren nach dem Sachverhalt offensichtlich im Rahmen der Konsignationslagerregelung nach Deutschland gelangt. Wären die Gegenstände an den schon beim Transport von den Niederlanden nach Deutschland bestimmten Abnehmer verkauft worden, hätte sich für Z ein in den Niederlanden steuerbarer, aber steuerfreier Umsatz als innergemeinschaftliche Lieferung ergeben. Der eigentlich vorgesehene Abnehmer hätte dann einen innergemeinschaftlichen Erwerb realisiert. Nach den Sachverhaltsangaben ist die vorgesehene Konsignationslagerlieferung aber storniert worden und es handelt sich offensichtlich bei E auch nicht um einen "ausgetauschten Abnehmer" i. S. d. § 6b Abs. 5 UStG. Z muss deshalb im Zeitpunkt des Wegfalls der Voraussetzungen der Konsignationslagerregelung ein innergemeinschaftliches Verbringen (an sich selbst) der Besteuerung unterwerfen und damit in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 1a Abs. 2 UStG besteuern.
Die Lieferung des Z an E im Dezember 2020 unterliegt auch keiner Steuerbefreiung, insbesondere liegt keine innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a UStG vor, da der Gegenstand bei der Lieferung nicht aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat gelangt. Es entsteht auf der Bemessungsgrundlage von 100.000 EUR eine Umsatzsteuer bei einem Steuersatz von 16 % i. H. v. 16.000 EUR. Steuerschuldner für die Lieferung ist der leistende Unternehmer.
Keine Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens
Obwohl der leistende Unternehmer ein ausländischer Unternehmer ist, geht die Steuerschuld nicht auf den Leistungsempfänger über. Die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG setzt eine Werklieferung oder sonstige Leistung voraus – hier liegt nur eine Lieferung vor.
Die Umsatzsteuer entsteht bei Z für den Voranmeldungszeitraum Dezember 2020.
Unternehmer E erhält die Lieferung für sein Unternehmen von einem anderen Unternehmer, sodass grundsätzlich die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG vorliegen. Allerdings ist dafür die Vorlage einer ordnungsgemäßen Rechnung i. S. d. § 14 und § 14a UStG erforderlich. Eine solche ordnungsgemäße Rechnung liegt für den Dezember 2020 (noch) nicht vor, da weder das Leistungsdatum noch die Steuernummer oder USt-IdNr. des leistenden Unternehmers in dieser Rechnung enthalten sind.
Kein Nachweis aus anderen Dokumenten möglich
Nach den Sachverhaltsangaben können diese fehlenden Rechnungsangaben auch nicht durch andere objektive Nachweise gem. Abschn. 15.2a Abs. 1a UStG geführt werden.
Allerdings ist die Rechnung aus dem Dezember 2020 eine berichtigungsfähige Rechnung i. S. der Rechtsprechung des BFH, da sie alle für eine Rechnung wesentlichen Informationen zutreffend enthält – insbesondere ist nach den Sachverhaltsangaben auch ein gesonderter Steuerausweis vorhanden. Durch die Vorlage der um die fehlenden Rechnungsbestandteile ergänzten Rechnung im Februar 2021 liegt damit eine zulässige rückwirkende Rechnungsberichtigung vor, die E den Vorsteuerabzug für Dezember 2020 ermöglicht. E hat damit für den Voranmeldungszeitraum Dezember 2020 den Vorsteuerabzug i. H. v. 16.000 EUR. Hinderungsgründe für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1a – Abs. 2 UStG ergeben sich aus dem Sachverhalt nicht.
Rückwirkende Rechnungsberichtigung kein Wahlrecht
Die Rückwirkung der Rechnungsberichtigung ist kein Wahlrecht für den Leistungsempfänger. Ein Risiko für E könnte sich dann ergeben, wenn E den Vorsteuerabzug erst bei Vorlage der berichtigten Rechnung für den Voranmeldungszeitraum Februar 2021 vornimmt. Falls dann bei einer späteren Betriebsprüfung festgestellt wird, dass es sich um eine berichtigungsfähige Rechnung handelt, und sie damit grundsätzlich Rückwirkung entfaltet, würde der Vorsteuerabzug für 2021 verwehrt werden. Falls dann die Veranlagung für 2020 nicht mehr änderbar ist (z. B. wegen eines bestandskräftigen Steuerbescheids oder wegen Festsetzungsverjährung), wäre der Vorsteuerabzug von 16.000 EUR gänzlich verloren. Eine (rückwirkende) Rechnungsberichtigung ist auch kein rückwirkendes Ereignis i. S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.