Prof. Dr. Andreas Stute, Michael Dilßner
Rz. 20
Die Unschärfen, die durch die qualitativen Anforderungen in § 271 Abs. 1 Satz 1 HGB verursacht sind, werden durch die Beteiligungsvermutung in § 271 Abs. 1 Satz 3 HGB objektiviert und quantifiziert. Gem. § 271 Abs. 1 Satz 3 HGB, der mit dem BilRUG neu gefasst wurde, liegt bei Vorlage anderweitiger Zweifel eine Beteiligung an einem Unt (vor BilRUG noch an einer KapG) zumindest dann vor, wenn das beteiligte Unt am BeteiligungsUnt mehr als 20 % des Nennkapitals oder, wenn ein Nennkapital nicht vorhanden ist, mehr als 20 % aller Kapitalanteile hält. Übersteigt ein Kapitalanteil die Grenze von 20 %, wird gewissermaßen fingiert, dass damit keine reine Kapitalanlage mit dem Primat der Kapitalverzinsung vereinbar ist.
Die vorstehend genannte Beteiligungsvermutung kann trotz der Feststellung eines Kapitalanteils von mehr als 20 % widerlegt werden. Diese Widerlegung muss allerdings anhand von objektiven Beweisen erfolgen, die die Annahme einer Dauerhalteabsicht und/oder die Eignung zur Förderung des eigenen Geschäftsbetriebs objektiv nachvollziehbar entkräften. Eine bloße Erklärung des bilanzierenden Unt ist mithin nicht ausreichend.
Gleiches gilt natürlich auch für den umgekehrten Fall, d. h., ein Kapitalanteil von weniger als 20 % kann gleichwohl die Feststellung einer Beteiligung zulassen. Auch in diesem Fall ist es erforderlich, dass objektive nachprüfbare Unterlagen des beteiligten Unt die Beteiligungsabsicht belegen können.
Rz. 21
Die Widerlegbarkeit der Beteiligungsvermutung hat zwei Komponenten, die jeweils für sich genommen zu einer Verneinung der Beteiligungsexistenz führen können. Die erste Komponente zielt auf die Dauerhalteabsicht und die zweite Komponente auf die Förderungsmöglichkeit.
Rz. 22
Eine Beteiligungsvermutung kann in der Praxis z. B. dann als widerlegt gelten, wenn die bestehenden Anteile nicht als geeignet anzusehen sind, die andauernde Verbindung zu begründen, zu erweitern oder grundlegend zu verbessern.
Eine solche Situation könnte dann gegeben sein, wenn die neben der Anteilsverbindung existente Geschäftsverbindung aus der Perspektive beider Unt von nachrangiger Gewichtung ist. In der Literatur wird hier die Stromlieferung eines StromversorgungsUnt an ein DienstleistungsUnt genannt, das zugleich Anteile am StromversorgungsUnt hält.
Eine Einschränkung der zu prüfenden Förderungsmöglichkeit für den eigenen Geschäftsbetrieb könnte auch dann gegeben sein, wenn auf der Basis bestehender Anteilsstrukturen oder Mehrheitsverhältnissen praktisch keinerlei Einflussnahme auf das BeteiligungsUnt ausgeübt werden kann.
Der Ausschlussgrund für die Annahme einer Beteiligung kann auch in der fehlenden Dauerhaftigkeit verankert sein. Dies wird in der Praxis insb. dann der Fall sein, wenn neben der Anteilsverbindung die zwischen beiden Unt getätigten oder noch zu tätigen Geschäfte jeweils den Charakter von Einzelgeschäften haben.
Rz. 23
Die Beteiligungsvermutung des § 271 Abs. 1 Satz 3 HGB stellt im Gesetzestext vor BilRUG ausschl. auf KapG ab. Nach Änderungen durch das BilRUG erfolgt ein Verweis auf Unt an sich und erweitert somit scheinbar den Anwendungsbereich auf PersG. Faktisch hat die begriffliche Änderung keine Relevanz, da Anteile an PersG ohnehin Beteiligungen darstellen. Dies ist insb. durch das Näheverhältnis zwischen den Gesellschaftern und der Ges. begründet, wodurch grds. die Erfüllung der Beteiligungsvoraussetzungen des § 271 Abs. 1 Satz 1 HGB angenommen wird und es insoweit nicht mehr auf die separate Feststellung der jeweiligen Anteilsgrößenordnung ankommen kann.
Die Verneinung einer Beteiligung zwischen den Gesellschaftern einer PersG und der Ges. setzt zwingend den objektiv nachprüfbaren Beleg voraus, dass es sich entgegen der bestehenden Vermutung nicht um eine Beteiligung handelt.