Dipl.-Kfm. Thomas Budde, Dipl.-Kfm. Georg van Hall
1 Überblick
Rz. 1
Die Bildung latenter Steuern folgt im Jahresabschluss und Konzernabschluss nach HGB dem in der internationalen Rechnungslegung üblichen bilanzorientierten Temporary-Konzept. Anlass für die Steuerlatenzierung geben danach Unterschiede zwischen den handelsrechtlichen Wertansätzen von Vermögensgegenständen, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten und ihren Steuerwerten. Wie sich diese Differenzen gebildet haben, ist unbeachtlich. Deshalb sind auch erfolgsneutral entstandene Differenzen in die Steuerlatenzierung einzubeziehen.
Rz. 2
Das DRSC hat den von ihm entwickelten ursprünglichen Deutschen Rechnungslegungsstandard Nr. 18 (DRS 18) am 8.6.2010 verabschiedet und seitdem mehrfach geändert. Die jüngste Änderung geht auf den am 28.5.2024 verabschiedeten DRÄS 14 zurück. DRÄS 14 trägt den durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/2523 des Rates zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung und weiterer Begleitmaßnahmen vom 27.12.2023 erforderlichen Änderungen des DRS 18 Rechnung (Rz 33). Die Vorgaben des geänderten Standards sind erstmals für das nach dem 28.12.2023 endende Geschäftsjahr bzw. die Tz 66, 67 und 67a für das nach dem 30.12.2023 endende Geschäftsjahr anzuwenden (Art. 91 EGHGB). In diesem Zusammenhang erhält der DRS 18 den Namen "Latente Steuern im Konzernabschluss". Die Vorgaben der zuletzt durch DRÄS 11 v. 9.3.2021 geänderten Fassung sind letztmals für das vor dem 29.12.2023 endende Geschäftsjahr zu beachten. Den DRS kommt zwar keine Gesetzeskraft zu, aber mit ihrer ordnungsgemäßen Anwendung ist die Vermutung verbunden, dass die die Konzernrechnungslegung betreffenden GoB beachtet wurden (§ 342q Abs. 2 HGB).
2 Ansatz latenter Steuern im Konzern
2.1 Anwendungsbereich
Rz. 3
Auf Ebene des Konzerns sind für alle in den Konzernabschluss einbezogenen Unt latente Steuern nach § 274 HGB i. V. m. § 298 HGB und auf Konsolidierungsmaßnahmen nach §§ 300ff. HGB zu ermitteln. Die Bildung latenter Steuern erfolgt somit auf drei Ebenen. Nachdem auf Ebene des Jahresabschlusses der Konzernges. die latenten Steuern (HB I) gebildet wurden, sind im nächsten Schritt auf die Anpassung dieser Buchwerte der VG, Schulden und RAP durch die konzerneinheitliche Bilanzierung und Bewertung (HB II) folglich auch Anpassungen der latenten Steuern vorzunehmen. Schließlich stellt die Erfassung latenter Steuern auf Konsolidierungsmaßnahmen die dritte Ebene der Ermittlung latenter Steuern dar. § 306 ergänzt § 274 HGB für Zwecke der Kons., ihre Anwendungsbereiche sind aber verschieden. § 274 HGB regelt den Ansatz latenter Steuern im Jahresabschluss einschl. der HB II (Stufen 1 und 2), während § 306 HGB auf die Konsolidierungsmaßnahmen der §§ 300–307 HGB Anwendung findet (Stufe 3).
Bei der Aufstellung des Konzernabschlusses stellt sich die Frage, ob das Ansatzwahlrecht für einen Aktivüberhang gem. § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB, der durch Anpassungen an die konzerneinheitliche Bilanzierung und Bewertung entsteht, bereits in der HB II der einzubeziehenden Unt oder erst auf der Ebene der Summenbilanz ausgeübt wird.
Ansatzwahlrecht Aktivüberhang nach § 274 i. V. m. § 298 HGB
Die in den Konzernabschluss einbezogenen Unt stellen in ihren jeweiligen Jahresabschluss (HB I) die folgenden latenten Steuern fest, die sich bei der Erstellung der HB II nicht verändern:
|
TEUR |
- MU: aktive latente Steuern
|
500 |
- TU1: passive latente Steuern
|
– 300 |
- TU2: aktive latente Steuern
|
50 |
Folgende mögliche Ergebnisse bei der Ausübung des Ansatzwahlrechts zeigen sich in der Summenbilanz:
|
Latente Steuern vor Konsolidierungsmaßnahmen |
|
TEUR |
- das Ansatzwahlrecht wird auf Ebene der HB II ausgeübt
|
250 |
- das Ansatzwahlrecht wird in der HB II nicht ausgeübt
|
– 300 |
- das Ansatzwahlrecht wird in der Summenbilanz nicht ausgeübt:
|
0 |
In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung sind wohl alle drei in dem Beispiel dargestellten Ausweisvarianten als zulässig zu erachten. Die Ausübung des Ansatzwahlrechts auf der Ebene der Summenbilanz erscheint dem Einheitsgrundsatz folgend als die zu bevorzugende Betrachtungsweise.
Nicht erlaubt jedenfalls ist die Aktivierung von latenten Steuern nur einzelner in den Konzernabschluss einbezogener Unt (Teilaktivierung). Diese widerspricht dem Stetigkeitsgrundsatz (Rz 39).
Rz. 4
Der HGB-Fachausschuss des DRSC hält eine unterschiedliche Behandlung von aktiven latenten Steuern im Konzernabschluss in Abhängigkeit von deren Entstehung (Aktivierungswahlrecht nach § 274 Abs. 1 HGB i. V. m. § 298 Abs. 1 HGB vs. Aktivierungspflicht nach § 306 HGB) systematisch für nicht gerechtfertigt, da sich die unterschiedliche Behandlung nicht mit dem Einheitsgrundsatz des Konzernabschlusses vertrage (s. die zur Diskussion gestellte Frage 1 im E-DRÄS 11). Das IDW hält es dagegen in seiner Stellungnahme v. 27.2.2020 an das DRSC vor dem Hintergrund des geltenden Wortlauts für vertretbar und sinnvoll, auch weiterhin § 274 Abs. 1 HGB einheitlich auf Differenzen anzuwenden, die aus § 300 Abs. 2 HGB (Ans...