Rz. 22
Die zweite Aufgabe, die dem Rechnungslegungsgremium zugewiesen wird, besteht in der Beratung des BMJ bei Gesetzgebungsvorhaben zu Rechnungslegungsvorschriften. Diese Aufgabe dient der Möglichkeit, sich den Zugriff auf die Rechnungslegungskompetenz der (ursprünglich so nur) im Standardisierungsgremium vertretenen Personen nutzbar zu machen. Sie ist im Standardisierungsvertrag gleichermaßen als Bring- und Holschuld ausgestaltet, bedeutet für den Standardsetzer somit sowohl das Recht als auch die Pflicht zur Beratung. Das DRSC verpflichtet sich, das BMJ "durch sein Rechnungslegungsgremium über das nationale und internationale Standardisierungsgeschehen [zu informieren] und [...] sein Rechnungslegungsgremium für Beratungen und gutachtliche Stellungnahmen auf dem Gebiet der Rechnungslegung auf Wunsch unentgeltlich zur Verfügung" zu stellen. Im Standardisierungsvertrag wird stets auf das Rechnungslegungsgremium abgestellt, die Geschäftsstelle mit ihrem Stab an fachlichen Mitarbeitern bleibt unerwähnt. Zu erklären ist dies allein dadurch, dass der Standardisierungsvertrag von 2011 weitgehend unverändert zur ursprünglichen Fassung von 1998 geblieben ist (Rz 4); dieser bezog sich aber auf eine andersartige Struktur des DRSC, in der zumindest in der Anfangszeit der Standardisierungsrat bestand, in welchem die Fachexpertise gebündelt war.
Rz. 23
Aus dem Recht bzw. der Pflicht zur Beratung des BMJ bei Gesetzgebungsvorhaben leitet sich keine weitergehende präferenzielle Behandlung des Rechnungslegungsgremiums gegenüber anderen Konstituenten ab, die sich am Gesetzgebungsprozess beteiligen. Es ist somit ein Recht angehört, nicht aber zwingend berücksichtigt zu werden. Gleichwohl würde eine konsequente Missachtung der fachlichen Expertise des DRSC zumindest mittelfristig "Fragen zur Arbeit und fachlichen Autorität des deutschen Standardsetters sowie dessen Anerkennung beim Gesetzgeber" aufwerfen.
Rz. 24
Im Gegensatz zur Standardisierungsfunktion ist die Beratungsfunktion zumindest dem Wortlaut des Gesetzes nach nicht auf die Konzernrechnungslegung beschränkt. Hommelhoff/Schwab leiten daraus sogar unmittelbar ab, dass sich das Rechnungslegungsgremium "folglich in Zukunft auch das Arbeitsfeld des Einzelabschlusses erschließen können und müssen [wird]. Die grundstürzenden Neuerungen, welche sich aus der internationalen Rechtsentwicklung für das Bilanzrecht ergeben, werden nicht auf den Konzernabschluß beschränkt bleiben, und dementsprechend müssen Reformbestrebungen den Einzelabschluß mit einbeziehen; die langfristige Perspektive dürfte in einer privaten Standardsetzung auch für den Einzelabschluß bestehen." Dazu ist es bislang nicht gekommen, auch wenn bestimmte Regelungen immer wieder den Jahresabschluss tangiert haben – genannt seien stellvertretend die seinerzeit höchst umstrittenen Aussagen in DRS 10 zu latenten Steuern.