Rz. 84
Identisch mit dem Wortlaut der Vorschrift zum Jahresabschluss (§ 264 Abs. 2 HGB) besteht für den Konzernabschluss eine eigenständige Generalnorm: Nach § 297 Abs. 2 Satz 2 HGB hat der Konzernabschluss unter Beachtung der GoB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns zu vermitteln. Durch die Generalnorm der tatsachengetreuen Abbildung der Konzernlage wird die Informationsfunktion des Konzernabschlusses ausdrücklich hervorgehoben. Bei Regelungslücken bzw. der Auslegung von unbestimmten rechtlichen Vorgaben ist diese Generalnorm als Auslegungshilfe heranzuziehen. Aus dem Wortlauf des § 297 Abs. 2 Satz 2 HGB kann hingegen abgeleitet werden, dass der Konzernabschluss lediglich als Gesamteinheit ein tatsachengetreues Bild der Konzernlage vermitteln muss und weniger seine Teilelemente für sich genommen. Das "starre Zahlenwerk" von Konzernbilanz und Konzern-GuV wird durch erläuternde Angaben im Konzernanhang ergänzt und soll im Zusammenspiel die Konzernlage tatsachengerecht abbilden.
Rz. 85
Bei der Formulierung der Generalnorm der tatsachengetreuen Vermittlung der Konzernlage hat sich der Gesetzgeber an das im britischen Recht verankerte "True and Fair View"-Berichtsprinzip orientiert. Anders als das britische "True and Fair View"-Berichtsprinzip ist die Generalnorm des § 297 Abs. 2 Satz 2 HGB allerdings nicht als sog. "Overriding Principle" (übergeordnetes Prinzip) verankert (§ 264 Rz 50). Die jeweiligen Einzelvorschriften gehen somit als lex specialis der Generalnorm vor. Stehen die anzuwendenden Einzelvorschriften im Widerspruch zur Generalnorm, sind sie dennoch anzuwenden. § 297 Abs. 2 Satz 3 HGB sieht in diesem Fall ergänzende Angaben im Konzernanhang vor, um dem geforderten Bild zu entsprechen. Die Vorschrift dient nicht dazu, dass über einzeln geregelte Vorschriften hinaus Konzernanhangangaben erforderlich sind. Aufgrund des Anschaffungskostenprinzips nicht aufgedeckte erhebliche stille Reserven bei einzelnen Vermögensgegenständen sind z. B. aufgrund der Generalnorm nicht zusätzlich zu erläutern, auch wenn die Vermögenslage hierdurch erheblich beeinflusst wird.
Rz. 86
Grds. kann davon ausgegangen werden, dass die Befolgung der Einzelvorschriften zum Konzernabschluss zur Erfüllung der Generalnorm führt. Nach dem Gesetzeswortlaut ist dies nur bei "besonderen Umständen" nicht der Fall. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass bei Beachtung der vom BMJ bekannt gemachten Rechnungslegungsempfehlungen gem. § 342q Abs. 2 HGB eine Vermutung hinsichtlich einer Übereinstimmung mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Konzernbuchführung besteht.
Rz. 87
Das Vorhandensein besonderer Umstände wird so verstanden werden können, dass nur Sachverhalte von erheblicher Bedeutung und einmaliger Art, für die sonst keine Erläuterungspflicht besteht, zu zusätzlichen Angaben zwingen. Mögliche Sachverhalte, die bei Wesentlichkeit eine Angabepflicht im Konzernabschluss auslösen, können sich aus den Jahresabschlüssen der einbezogenen Unt (z. B. unzureichende Darstellung der Ertragslage bei langfristiger Auftragsfertigung, Sale-and-lease-back-Geschäfte bei angespannter wirtschaftlicher Lage) und aus konzernspezifischen Tatbeständen ergeben. Beispiele für konzernspezifische Tatbestände sind:
- Angabe schwebender Kartellverfahren, die u. U. zu wesentlichen Veränderungen des Konsolidierungskreises führen,
- unzureichende Daten, weil wesentliche TU im Einklang mit § 296 Abs. 1 HGB nicht in den Konzernabschluss einbezogen wurden,
- Umfang der fehlenden Verfügungsmacht über wesentliche Vermögensgegenstände, die i. R. d. Quotenkonsolidierung in den Konzernabschluss einbezogen wurden.
Rz. 88
Der Umfang der Konzernanhangangaben ergibt sich aus dem Zweck der Vorschrift, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln. Z. T. werden Betragsangaben erforderlich sein, z. T. sind verbale Angaben ausreichend.