Daniel Münster, Annette Meier-Behringer
Rz. 47
Der durch das Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuchs neu eingefügte Abs. 5 regelt die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand im Ordnungsgeldverfahren. Hiernach ist demjenigen, der ohne Verschulden gehindert war, die Sechswochenfrist nach Abs. 4 einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren.
6.11.1 Verschulden
Rz. 48
Abweichend vom Verschulden als Voraussetzung der Festsetzung des Ordnungsgelds (Rz 18 ff.) – maßgeblicher Zeitpunkt ist hier die Jahresfrist zur Offenlegung nach § 325 HGB (Rz 18) – ist für das Verschulden im Wiedereinsetzungsverfahren auf den Ablauf der Sechswochenfrist abzustellen. Nur wenn den Beteiligten zu diesem Zeitpunkt kein Verschulden an der unterbliebenen Offenlegung trifft, ist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren.
Rz. 49
Der Begriff des Verschuldens wird im Gesetz nicht definiert. Aufgrund der bisher ergangen Rechtsprechung zum Verschuldensbegriff im Ordnungsgeldverfahren wird auch für die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ein restriktiver Maßstab für fehlendes Verschulden angewandt werden.
Rz. 50
Eine unverschuldete Versäumnis der Sechswochenfrist liegt vor
- bei schwerer Erkrankung oder Tod des Alleingeschäftsführers,
- bei Verlust von Rechnungs- oder Buchführungsunterlagen infolge von Naturereignissen oder Bränden und
- in Fällen, in denen Dritte – wie ehemalige Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder – die in ihrem Besitz befindlichen Rechnungslegungsunterlagen nicht an die Ges. herausgeben und es so verhindern, dass Rechnungslegungsunterlagen erstellt oder offengelegt werden.
Rz. 51
Anders als bei der Ordnungsgeldfestsetzung muss sich der Beteiligte das Verschulden eines Vertreters nach § 335 Abs. 5 Satz 2 HGB zurechnen lassen. Eine wirksame Vertretung setzt dabei entweder gesetzliche Vertretungsmacht oder rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht voraus (§§ 164, 167 BGB). Das Verschulden einer Hilfsperson, z. B. eines Boten, kann dem Beteiligten dagegen nicht zugerechnet werden, soweit er seiner Auswahl- und Überwachungspflicht nachgekommen ist.
Rz. 52
Bei fehlerhafter oder fehlender Rechtsbehelfsbelehrung gilt die gesetzliche Vermutung des fehlenden Verschuldens (§ 335 Abs. 5 Satz 3 HGB).
6.11.2 Antrag, Antrags- und Handlungsfrist
Rz. 53
Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses schriftlich beim BfJ zu stellen.
Rz. 54
Die Glaubhaftmachung der Tatsachen zur Begründung der Wiedereinsetzung kann im Antrag oder auch noch im Verfahren über den Antrag erfolgen. Glaubhaftmachung bedeutet dabei ein herabgesetztes Beweismaß, so dass die Vermittlung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der behaupteten Tatsache ausreicht. Geeignetes Mittel ist hierbei die Versicherung an Eides statt (§ 31 FamFG).
Rz. 55
Innerhalb von sechs Wochen nach Wegfall des Hindernisses ist die versäumte Handlung nachzuholen; es ist also Einspruch einzulegen oder der gesetzlichen Verpflichtung zur Offenlegung nachzukommen.
6.11.3 Ausschluss und Anfechtbarkeit der Wiedereinsetzung
Rz. 56
Bei Vorliegen der Voraussetzungen der Wiedereinsetzung besteht kein Ermessen des BfJ. Der Beteiligte hat in diesem Fall einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Wurde jedoch innerhalb eines Jahrs seit Ablauf der Sechswochenfrist nach Abs. 4 weder Wiedereinsetzung beantragt noch die versäumte Handlung nachgeholt, ist eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen.
Rz. 57
Aufgrund der tw. sehr langen Verfahrensdauern beim BfJ kann es vorkommen, dass das Ordnungsgeld erst über ein Jahr nach Ablauf der Sechswochenfrist festgesetzt wird. In diesen Fällen ist eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht mehr möglich. Es sollte in derartigen Fällen daher auch ohne eine Festsetzung des Ordnungsgelds die Wiedereinsetzung beantragt werden.
Rz. 58
Eine einmal erfolgte Wiedereinsetzung durch das BfJ ist nicht anfechtbar. Nach § 335a Abs. 3 Satz 4 HGB kann die Rechtsbeschwerde des BfJ gegen eine vom Landgericht gewährte Wiedereinsetzung zugelassen werden.
6.11.4 Präklusion
Rz. 59
Wurde die Wiedereinsetzung nicht beantragt oder ist die Ablehnung der Wiedereinsetzung bestandskräftig geworden, können die Beteiligten im Beschwerdeverfahren nach § 335a Abs. 1 HGB nicht mehr vorbringen, dass es ihnen unverschuldet nicht möglich war, die Sechswochenfrist zu wahren.